Das Olympia-Dilemma

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Olympia nachhaltig gestalten – das geht (nicht). Bei der jüngst abgehaltenen Podiumsdiskussion „Olympia 2026: Schnee von gestern“ äußerten sich die teilnehmenden Experten kritisch zu den Herausforderungen, die das Event für Südtirol mit sich bringt.
von Sylvie Debelyak
2026 startet die 25. Auflage der Olympischen Winterspiele. Erstmals wird auch Südtirol als Austragungsort in den Fokus rücken, immerhin findet ein Teil der Wettkämpfe unter anderem in Cortina und Antholz statt. Doch während das sportliche Prestige groß ist, geraten Megaevents wie Olympia immer häufiger in die Kritik. Angesichts des fortschreitenden Klimawandels stellen insbesondere aus den Reihen der Klimaschützer kritische Stimmen die Nachhaltigkeit einer solchen Veranstaltung infrage. Auch der Unmut über die immensen Kosten und deren langfristigen Nutzen für die Gastgeberregion wird zunehmend hinterfragt. Vor diesem Hintergrund beleuchtete die Südtiroler Hochschülerschaft in ihrer Podiumsdiskussion am vergangenen Freitag die Relevanz und die Herausforderungen von Olympia – und ging der Frage nach, ob es nicht längst „Schnee von gestern“ ist.
„Die Olympischen Winterspiele 2026 in Südtirol sind ein hochbrisantes und aktuelles Thema, nicht nur für uns Jugendliche und junge Erwachsene, sondern für alle Generationen und Interessengruppen“, betonte Alexander von Walter, Vorsitzender der Südtiroler Hochschülerschaft. Bei der Podiumsdiskussion wurden unter anderem Themen wie touristische Entwicklung, Sport, Umweltschutz, Nachhaltigkeit und Mobilität behandelt. „Mit dieser Debatte wollen wir einen Beitrag zur politischen Bewusstseinsbildung und zum öffentlichen Meinungsaustausch beitragen“, erklärte von Walter.
Einer der größten Diskussionspunkte ist der Kostenfaktor. Auch Martin Schnitzer, Professor für Sportökonomie an der Universität Innsbruck, sieht dies nicht ganz unproblematisch: „Die Investitionen, die getätigt werden, sind zu hinterfragen und verdrängen womöglich andere, unter Umständen sinnvollere Investitionen.“ Er merkte an, dass die hohen Kosten die öffentlichen Haushalte oft langfristig belasten. „Ich befürchte, das wird in Südtirol vor allem für den Eiskanal in Cortina gelten“, sagte Schnitzer. Auch die Sicherheitskosten seien laut dem Sportökonomen ein großes Thema – auch wenn ein großer Teil der Investitionen vom Staat getragen werden und er konkret für Südtirol deshalb keinen großen Schuldenberg befürchtet.
Trotz der hohen Aufwands- und Investitionskosten sieht Elmar Pichler-Rolle, Ex-Landesrat und Mitglied des Organisationskomitees, in dem Event eine wertvolle Gelegenheit, sich international zu präsentieren: „Südtirol wird Gäste aus aller Welt begrüßen und wir können unsere Athletendirekt vor Ort anfeuern.“ Er erklärte, dass für die Olympischen Spiele in Südtirol bereits bestehende Sportanlagen genutzt werden. Was die Modernisierung der Bahn-, Straßen-, Energie- und Glasfaser-Infrastruktur im Pustertal anbelangt, erfolgt diese unabhängig von Olympia 2026, wie Pichler Rolle ausführte. Jedoch seien durch die Spiele die Investitionen wesentlich beschleunigt worden und zudem erhalte das Land zusätzliche Finanzmittel aus Rom, die andernfalls nicht geflossen wären.
Dennoch nehme er die kritischen Stimmen aus den Reihen der Klimaschützer sehr ernst, so der Ex-Landesrat: „Beim Ausbau des Biathlon Zentrums in Antholz wird eine eigene CO-2-Bilanz erstellt, ebenso bei der Durchführung der olympischen Wettbewerbe selbst. Bei allen Maßnahmen, die getroffen werden, ist Klimaschutz Thema.“ Aus diesem Grund wurde die Biathlon-Anlage unterirdisch erweitert, um Flächen zu schonen und auch der Antholzer See bleibt trotz der dort stehenden Schneeproduktion unberührt, wie Pichler Rolle hervorhob. „Hinzu kommt, dass die Veranstalter während der Spiele verstärkt auf öffentliche Verkehrsmittel setzen. Nach den Spielen wird es im Pustertal daher stark verbesserte Zugverbindungen geben“, ist er überzeugt.
Trotz dieser positiven Ansätze sieht insbesondere Elide Mussner, Gemeindereferentin und Co-Vorsitzende der Grünen Partei, das Event kritisch und stellt infrage, ob die geplanten Investitionen tatsächlich nachhaltig sind. „Es sind viele Gelder gekommen, um Investitionen zu tätige, die aber leider in die falsche Richtung gehen. Wir investieren in einen Wintertourismus, der längst Schnee von gestern ist“, bedauerte sie. Mussner wies darauf hin, dass 56 Prozent der CO2-Emissionen in Südtirol vom Transportwesen rühren und gerade im Hinblick auf die Olympischen Spiele in Infrastruktur investiert wurde. Für sie steht deshalb fest: „Olympia steuert komplett in die entgegengesetzte Richtung.“
Diese Einschätzung teilt auch der Glaziologe und Klimaforscher Georg Kaser: „Die Spiele 2026 werden es Südtirol – und auch den anderen Austragungsregionen – nicht leichter machen, die CO2-Emissionen in der dringenden Geschwindigkeit auf Null zu bringen.“ Die Co-Vorsitzende der Grünen Partei ergänzte: „Die Frage ist, ob man über die notwendigen Kapazitäten und Voraussetzungen verfügt, eine solche Veranstaltung nachhaltig zu gestalten. Für die kleine Alpenregion Südtirol ist ein Event dieser Größenordnung einfach zu groß.“ Sie bemängelt zudem, dass die daraus resultierenden Gewinne vor allem einem kleinen Kreis, insbesondere Wirtschaftslobbys und der Skibranche, zugutekommen. Stattdessen fordert sie einen nachhaltigen Tourismus, der auf Qualität statt auf Massentourismus setzt.
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