Zweischneidiges Schwert
Keine Sparte absolviert in Südtirol so viele Weiterbildungen wie die öffentliche Verwaltung. Besonders karg sieht es hingegen in der Hotellerie und Gastronomie aus. Betrachtet man jedoch die Karrierechancen, wendet sich das Blatt drastisch.
von Christian Frank
„Wer meint, dass Weiterbildung Zeitverschwendung oder langweilig ist, der irrt sich grundlegend“, postuliert Tobias Hölbling, der Arbeitspsychologe des Arbeitsförderinstituts AFI. Längst, so appelliert Hölbling, hat sich die Signifikanz von Weiterbildungen für den Karriereweg eines Arbeitnehmers und den Erfolg eines Betriebes bewiesen.
„Es geht um Kompetitivität und darum, mit dem Geist der Zeit zu schreiten“, führt der AFI-Präsident Andreas Dorigoni weiter aus. Den Arbeitsmarkt für qualifiziertes Personal nennt der Psychologe Hölbling „leergefegt“, daraus ergibt sich auch der Kampf um die Ressourcen. Wer heute noch die Köpfe von morgen rekrutieren will, der sollte auf Weiterbildung setzen, konstatiert er.
„Längst nicht mehr reicht es, gutes Personal mit einem tollen Lohn zu ködern. Es geht um Werte, Einstellungen und vor allem Chancen“, so Hölbling. Diese Chancen werden durch ständige Weiterbildungen beflügelt. Jungen Leuten muss das Gefühl vermittelt werden, sich Perspektiven schaffen zu können. „Die Marktchancen jener Betriebe, welche noch nach einem Modus von vor 15 Jahren agieren, haben geringe Chancen, in diesem Buhlen nach Arbeitskräften zu bestehen“, urteilt Hölbling. Der Wertekompass hat sich im Laufe der Zeit verschoben, findet das AFI-Institut. Geld für das Privatleben zu verdienen, ist nicht mehr die Maxime. Jüngere Arbeitnehmergenerationen wollen berufliches und privates Leben möglichst vereinen können. Hier sieht Hölbling einen weiteren Mehrwert von Weiterbildungen.
„Oft können Kompetenzen, welche hierbei gelernt werden, auch in einem privaten Kontext angewandt werden. Das steigert zusätzlich den Anreiz“, weiß der Psychologe.
Wie es um Weiterbildungen in Südtirol bestellt ist, kann nicht pauschal attestiert werden, doch grundsätzlich steht Südtirol nicht schlecht da. Rund zwei Drittel der befragten Arbeitnehmer geben an, in den zwölf Monaten vor der Befragung irgendeiner Art von Weiterbildung absolviert zu haben. 34 Prozent der Befragten gaben an, keinerlei Weiterbildung gemacht zu haben. Von den 66 Prozent, die ein Aus- und Weiterbildungsangebot wahrgenommen haben, wurden 14 Prozent von externen Fachleuten geschult und 19 Prozent von Kolleginnen und Vorgesetzten am Arbeitsplatz. 33 Prozent hingegen kamen in den Genuss gleich beider Weiterbildungsarten. Dieser Modus Operandi wird von den AFI-Forschern als optimal betrachtet.
Beäugt man jedoch die einzelnen Branchen, offenbaren sich schnell eklatante Unterschiede zwischen den verschiedenen Sektoren. Die öffentliche Verwaltung brilliert, dort haben 87 Prozent der Belegschaft eine Form der Weiterbildung absolviert, während der starke Kontrast im Sektor der Hotellerie und Gastronomie zu finden ist. Dort absolvierten lediglich 47 Prozent eine Weiterbildung. Ähnlich karg gestaltet es sich beim Handel, während sich die Sparte Erziehung und Unterricht auf Platz zwei des größten Fortbildungsanteils positioniert.
„In der Hotellerie wird oft nur saisonal angestellt, und in diesem Zeitraum ist ein hohes Arbeitspensum vorgesehen. Dementsprechend nehmen hier Weiterbildungen einen niedrigen Stellenwert ein“, erklärt Hölbling. Weiterbildung hängt grundsätzlich mit Karrierechancen zusammen. Betrachtet man diese jedoch, kommt es zu einer Kehrtwende der Verhältnisse. Nur 26 Prozent der Arbeitnehmer im Sektor Erziehung und Unterricht geben an, gute Karrierechancen zu haben, während 58 Prozent dem eher oder überhaupt nicht zustimmen.
Auch bei der öffentlichen Verwaltung zeichnet sich ein trübes Bild.
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