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Mitbestimmung stärken

 

Bürgerräte sind ein wichtiges Instrument partizipativer Demokratie. Auch in Südtirol hat der Klimabürgerrat die Klimakrise direkt an den Verhandlungstisch geholt – und eine Reihe von Vorschlägen erarbeitet.

von Sylvie Debelyak

Vor dem Hintergrund des Klimanotstandes wächst bei den Bürgern zunehmend der Ruf nach mehr Mitbestimmung. In diesem Zusammenhang spielen sogenannte Klimabürgerräte eine immer wichtigere Rolle. „Bürgerräte dienen als Ergänzung zur herkömmlichen Politik – gerade bei umstrittenen Themen wie der Klimakrise“, erklärt Elisabeth Alber, Politikforscherin bei Eurac Research. Dies ermögliche es, Menschen miteinzubeziehen, die sonst nicht direkt in politische Prozesse involviert sind, etwa Minderjährige oder Personen ohne Wahlrecht. „Dadurch tragen Bürgerräte dazu bei, das Repräsentationsdefizit in der Politik zu verringern“, untermauert Alber.

Auch wenn Bürgerräte in vielen verschiedenen Bereichen und auf unterschiedliche Art und Weise eingesetzt werden können, ist die Einbindung der Bevölkerung gerade bei klimarelevanten Fragen entscheidend, wie die Politikforscherin betont: „Klimapolitik ist ein hochaktuelles und brennendes Thema, da sie tief in Wertefragen eingreift und die Frage aufwirft, wie viel jeder Einzelne bereit ist, zu opfern.“ Jüngste Umfragen zeigen laut Alber, dass erwartungsgemäß mehr Befragte dazu bereit sind, sich stärker für Klimapolitik einzusetzen und persönlich auf gewisse Dinge zu verzichten. Dies steht jedoch im Kontrast zum zunehmenden Wahlerfolg rechtspopulistischer Parteien. Umso wichtiger erscheinen daher innovative Beteiligungsinstrumente, um einen sachlichen Austausch und eine Konsensbildung zu fördern.

Bürgerräte gibt es in verschiedenen Ausführungen: Manche entstehen durch Initiativen der Bürger, wie etwa in Trient, andere werden von Regierungen oder Verwaltungen ins Leben gerufen, wie in Südtirol. Die Auswahl der Teilnehmer erfolgt meist über ein Losverfahren, das Kriterien wie Alter, Herkunft, Bildung oder Sprachgruppe berücksichtigt, um ein möglichst repräsentatives Gesellschaftsbild abzubilden. Bei umstrittenen Themen wie der Klimapolitik wird zusätzlich darauf geachtet, Befürworter und Kritiker einzubeziehen, um ein breites Meinungsspektrum abzubilden.

In Südtirol, wo der Klimabürgerrat im Rahmen des Klimaplans 2040 initiiert wurde, bestand er aus fünfzig volljährigen Bürgerinnen und Bürgern sowie sechs Jugendlichen, die sich von Januar bis Juni 2024 insgesamt fünfmal zu Diskussionstischen getroffen haben. Dabei erarbeiteten sie nachhaltige Überlegungen und Vorschläge zu den Themen Ernährung und Landnutzung, Energie, Mobilität, Wohnen sowie Konsum und Produktion. Die Ergebnisse wurden in einem 100-seitigen Bericht festgehalten und der Südtiroler Landesregierung überreicht, welche nun bis zum Frühjahr Zeit hat, das Dokument Punkt für Punkt zu prüfen und die Vorschläge entweder mit einer Begründung anzunehmen oder abzulehnen.

„Das Ganze ist natürlich ein Lernprozess, sowohl für die Politik, die erkannt hat, dass sie an ihre Handlungsgrenzen stößt, als auch für die Teilnehmenden des Klimabürgerrates. Denn jede Maßnahme hat Auswirkungen auf andere Politikfelder. Diese Zusammenhänge zu verstehen, ist essenziell für eine konstruktive Debatte, zumal es sich um Maßnahmen handelt, die nicht von heute auf morgen umgesetzt werden können“, führt Alber aus.

Bürgerräte finden nicht nur auf lokaler, sondern zunehmend auch auf nationaler Ebene Anwendung, wie die Beispiele aus Österreich, Spanien, Deutschland oder Irland zeigen. „Die Relevanz von Bürgerräten, insbesondere von Klimabürgerräten, zeigt sich darin, dass es sich nicht nur um umstrittene, sondern auch gesellschaftspolitisch wichtige Themen handelt. Solche partizipativen Instrumente rücken derzeit immer mehr in den Vordergrund, nicht zuletzt aufgrund der sinkenden Wahlbeteiligung und in einem Zeitalter demokratischen Rückschritts. Sie bieten die Möglichkeit, eine neue demokratische Kultur zu entwickeln, in der die Mitbestimmung der Bürger immer mehr gefordert wird“, schließt die Politikforscherin.

 

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