Du befindest dich hier: Home » News » Ganz Ohr

Ganz Ohr

Foto: 123rf

Die Ermittler im Fall Hager-Benko haben vier Jahre lang nicht nur die Tatverdächtigen abgehört, sondern auch die Spitzenbeamten der Südtiroler Landesverwaltung. 

von Artur Oberhofer

Es war am vorvergangenen Dienstag, als sich der Kommandeur der Carabinieri-Sonderheit ROS, Oberstleutnant Alexander Platzgummer, telefonisch beim Generalsekretär der Landesverwaltung, Eros Magnago, meldete.

Der Grund: Der ROS-Chef teilte dem ranghöchsten Beamten des Landes an jenem Dienstagmorgen mit, dass seine Männer aus mehreren Büros von leitenden Landesangestellten Sachen holen müssten, die sie teilweise bereits vor fünf Jahren in den verschiedenen Landesbüros „vergessen“ hatten: die Wanzen.

Während in der gesamten Region Trentino-Südtirol die Hausdurchsuchungen im spektakulären Fall Hager-Benko liefen und die neun mutmaßlichen Mitglieder einer kriminellen Vereinigung mit mafiösem Zuschnitt festgenommen wurden, entfernten ROS-Beamte also in den Landesbüros die Wanzen.

Die Vorgangsweise bei der Sicherung der Mini-Gerätschaften war immer dieselbe: Während die jahrelang belauschten Spitzenbeamten des Landes ihr Büro verlassen bzw. draußen warten mussten – damit sie nicht sehen, wo die „Ohren des Staates“ platziert waren –, montierten die ROS-Fahnder ihre Geräte, die kleiner sind als 1-Euro-Münzen, wieder ab.

Eine Sache von zwei Minuten.

Die Wanzen, die in Türrahmen, hinter Gipsverkleidungen oder im Lampen- oder Steckdosenbereich versteckt waren, einmal entfernt, durften die Spitzenbeamten des Landes ihre Büros wieder betreten.

Zumindest der Wirtschaftsprüfer Heinz Peter Hager war seit Jahren ein gläserner Mann. Denn so wie die überaus effizienten und technisch superversierten ROS-Fahnder den Sitzungssaal in der Kanzlei des Wirtschaftsprüfers und Immobilienentwicklers Heinz Peter Hager im noblen Palais Pock verwanzt hatten, haben sie auch Hagers „stilles Kämmerlein“ im exklusiven Restaurant „Zur Kaiserkrone“ verwanzt. Und um die vertraulichen Gespräche der Tatverdächtigen in der großangelegten „Operation Romeo“ mitverfolgen zu können, haben die Mitglieder der Sondereinheit ROS auch auf den Handys der Tatverdächtigen Trojaner installiert.

Auf diese Art und Weise konnten die verdeckten Ermittler Gespräche belauschen, die Heinz Peter Hager & Co. auf offener Straße oder außerhalb ihrer Büros führten. Ob das nur im Restaurant „Zur Rose“ in Eppan oder im „Vögelino“ oder im „Walther’s“ in Bozen war.

Eben weil die hochbrisante „Operation Romeo“ als Anti-Mafia-Operation lief, konnten die ROS-Beamten und deren Kollegen der Sondereinheit NEF der Finanzpolizei den wohl größten Lauschangriff in der Südtiroler Kriminalgeschichte starten.

Bei Ermittlungen gegen die Mafia sind die rechts- und prozesstechnischen Hürden viel niederschwelliger als bei herkömmlichen Polizeioperationen. So müssen die Fahnder, beispielsweise, im Falle von Telefonabhörungen bei Anti-Mafia-Operationen nicht periodisch eine Verlängerung („proroga“) beantragen. Auch das richterliche Genehmigungsverfahren für Handy-Lauschangriffe ist bei Anti-Mafia-Operationen viel weitmaschiger als bei „normalen“ Ermittlungen.

Dass die Ermitler der „Operation Romeo“ seit 2019 die Telefone von Spitzenbeamten des Landes abgehört bzw. deren Büros verwanzt haben, ist schon bemerkenswert. Verwanzt war neben dem Büro von Eros Magnago jenes des Generaldirektors des Landes, Alexander Steiner, jenes von Ressortdirektor Ulrich Stofner und auch jenes des jetzigen Ressortdirektors für Hochbau und Vermögen, Daniel Bedin.

Wie sind die Wanzen und die Mikrokameras in die Büros der Spitzenbeamten des Landes und in die Büros der Tatverdächtigen gelangt?

In der Regel ist es so, dass die Polizeikräfte sich nicht in bester Einbrecher-Manier Zutritt zu den Objekten verschaffen, sondern über Mittelspersonen. Im Fall des Landesverwaltung kann dies beispielsweise eine Reinigungsfirma sein.

Ein Vertreter dieser Firma wird von den Fahndern kontaktiert, dieser gewährt den Polizei- oder ROS-Beamten Zutritt zu dem ausgewählten Objekt, muss aber im Gegenzug ein Papier unterschreiben, in dem er/sie sich verpflichtet, die Sache geheim zu halten.

Wer diesen heimlichen Pakt bricht, landet direkt im Knast.

Insider gehen davon aus, dass der größte Lauschangriff der Geschichte Südtiroler über eine Million Euro gekostet hat. Die Humanressourcen nicht mitgerechnet.

Nach der anfänglichen Überraschung über das Ausmaß der „Operation Romeo“ kommt jetzt in in den Palästen der Macht in Bozen die große Ernüchterung. Man weiß, dass mindestens ein halbes Dutzend Spitzenbeamte der Südtiroler Landesverwaltung jahrelang abgehört und teilweise auch videoüberwacht wurden. Mit Eros Magnago, Alexander Steiner und Ulrich Stofner warenauch die engsten Mitarbeiter des Landeshauptmannes betroffen.

Und hinzu kommt: Durch diesen großangelegten und dauerhaften Lauschangriff sind die Fahnder auf unzählige „Beifunde“ gestoßen, so dass davon auszugehen ist, dass diese Informationen in andere und neue Verfahren eingeflossen sind und jetzt als neue Ermittlungsstränge bei der Staatsanwaltschaft in Bozen weiterlaufen.

Den 1.186 Seiten starken Schlussbericht – der jetzt, wie berichtet, über WhatsApp in ganz Südtirol geteilt wird – haben die Carabinieri-Sondereinheit ROS und die Spezialeinheit NEF am 12. bzw. 13. Dezember 2023 an die Antimafia-Staatsanwaltschaft von Trient übermittelt – sich dann aber nicht zurückgelehnt. Denn vom 13. Dezember 2023 bis vorvergangenen Dienstag liefen der Lauschangriff und andere verdeckte Operationen weiter, so dass es durchaus noch zu einer zweiten Welle kommen könnte.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (14)

Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen

Kommentar abgeben

Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.

2024 ® © Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH/Srl Impressum | Privacy Policy | Netiquette & Nutzerbedingungen | AGB | Privacy-Einstellungen

Nach oben scrollen