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Der Streit um die Streiks  

Minister Matteo Salvini will das Streikrecht reformieren, er ist den zahlreichen Streiks im Nahverkehr überdrüssig. Gewerkschafter Günther Pallhuber sieht den Grund dafür im zahlreichen Aufkommen autonomer Gewerkschaften, welche auch intern für Konflikte sorgen.  

von Christian Frank  

Wieder fand vergangenen Freitag ein Streik im öffentlichen Nahverkehr statt. Bei Bahnlinien der Züge Trenitalia, Italo, Trenord und SAD kam es 24 Stunden lang zu Ausfällen. Auch Buslinien der SASA und Simobil waren betroffen. Der Ärger bei den Fahrgästen ist groß, es scheinen kaum mehrere Wochen am Stück zu verstreichen, ohne dass die unheilvolle Streikwarnung auf den Handys unzähliger Öffi-Nutzer aufpoppt. Diesen Umstand nahm nun auch Verkehrsminister Matteo Salvini zum Anlass, den Streiks den Kampf anzusagen. Bereits den letzten Streik versuchte er mit ministerialer Befugnis von 24 auf vier Stunden zu reduzieren. Salvini ist kein Freund der Streiks, immer wieder bemüht er sich, sie zu kürzen oder im besten Fall völlig zu unterbinden. Nun äußerte er sich wiederholt kritisch und kündigte ein ominöses Vorhaben an.
„Seit dem Inkrafttreten dieser Regierung haben wir tausende Streiks erleben müssen“, monierte Salvini jüngst. Dieser Umstand, so der Lega-Politiker, schade nicht bloß den Personen, welche auf den öffentlichen Transport angewiesen sind, sondern auch den Gewerkschaften selbst. Salvini kündigt eine Reform des Streikrechts an, definiert jedoch keine Details. Die beiden autonomen Gewerkschaften, welche den  Streik am vergangenen Wochenende ausgerufen haben, schafften es durch einen Rekurs den Streik in seiner vollen Länge zu belassen. Eine Maßnahme, die Salvini dieses Jahr bereits schon mal zum Verhängnis wurde.
„Wenn die Frequenz der Streiks in letzter Zeit zu hoch geworden ist, kann der zuständige Minister im Grunde eingreifen und den Streik kürzen. Es ist legitim, da die konföderierten Gewerkschaften in letzter Zeit auch immer wieder aus denselben Motiven Streiks aufgerufen haben. Außer das Gericht entscheidet eben anders“, schätzt Günther Pallhuber die Situation ein. Er ist Gewerkschaftssekretär der Fachgewerkschaft für Transporte FIT der SGB CISL und weiß, wie sehr der Streik an Effektivität und Partizipation verliert, wenn er auf ein so kurzes Zeitfenster gekürzt worden wäre.
„Ein Streik ist generell das letzte Mittel der Gewerkschaften, wenn gar nichts mehr weitergeht. Es ist für die Gewerkschaften natürlich nicht von Vorteil, wenn man zeitlich dermaßen beschnitten wird, es nimmt viel an Wirksamkeit“, so Pallhuber. Grund dafür sind die garantierten Fahrten, welche, obgleich des ausgerufenen Streiks, dennoch gewährleistet werden müssen.
„Wenn ein Bediensteter in diesem Vier-Stunden-Fenster ohnehin gewisse Fahrten erledigen muss, dann ist die Entscheidung nahe, gleich ganz vom Streiken abzusehen“, schildert der Gewerkschafter. Von Salvinis Poltern über Reformen sieht sich Pallhuber wenig beeindruckt, die Rechtslage sieht er als eindeutig und somit auch die Regelungen bei Streiks.
„Wir als Gewerkschaften verlassen uns auf die gesetzlich verankerten Bestimmungen. Es gibt durchaus Regelungen. Beispielsweise darf nicht innerhalb von zwei Wochen wegen derselben Sache gestreikt werden“, so Pallhuber. Er will der Kritik Salvinis, dass es zu einem inflationären Gebrauch des Streikrechts kommt, jedoch nicht widersprechen. Tatsächlich sorgen die Streiks auch innerhalb der Gewerkschaften für Unmut. Grund dafür sind die zahlreichen neuen Gewerkschafts-Protagonisten, welche aus dem Boden schießen.
„Das Problem ist, dass wir mittlerweile sehr viele Gewerkschaften haben, vor allem viele autonome Gewerkschaften“, moniert Pallhuber. Der Unterschied zwischen einer autonomen Gewerkschaft und einer konföderierten, wie letzteres beispielsweise die SGB CISL darstellt, liegt in ihrer programmatischen Basis. Autonome Gewerkschaften haben im Gegensatz zu den konföderierten nicht den nationalen Kollektivvertrag unterschrieben. Ein scheinbar trockener bürokratischer Unterschied, der jedoch fundamental ist und für ordentlich Spannungen zwischen den verschiedenen Gewerkschaften sorgt.
„Wir als konföderierte Gewerkschaften haben den nationalen Kollektivvertrag unterzeichnet und uns damit eine Basis geschaffen, auf welcher wir verhandeln.
Diese autonomen stellen zwar Forderungen, haben aber keine Grundlage, auf welcher sie diese Streiks ausrufen. Sie bringen eine Unruhe und sorgen für Konflikte“, ärgert sich Pallhuber. Aufgrund dessen ist auch eine Kräftebündelung schwierig, erklärt der Gewerkschafter, doch auch, weil es sich bei diesen Gewerkschaften oft um Eintagsfliegen handelt.
„Sie sind wie ein Strohfeuer. Oftmals haben solche autonomen Gewerkschaften gut hundert eingeschriebene Mitglieder und einige Jahre später nur mehr eine Handvoll. Oft sind die zwei, drei federführenden Vertreter nur kurzweilig präsent, und die Gewerkschaften können übliche Dienste, wie Steuererklärungen des Arbeitnehmers, nicht anbieten.“
Trotz des Ärgers sieht Pallhuber in den Streiks durchaus ein effizientes Mittel. Dafür nennt er als Beweis die erst vor zwei Tagen erzielten Errungenschaften für die Bediensteten im öffentlichen Nahverkehr.
„Streiks bringen etwas. Erst jetzt wurde der ökonomische Teil des nationalen Kollektivvertrages von den Bediensteten des öffentlichen Personentransportes unterschrieben. Das bedeutet 200 Euro brutto Lohnerhöhung und eine Einmalzahlung von 500 Euro. Man macht kleine Schritte, aber diese gehen in die richtige Richtung. Andere Aspekte, wie Arbeitszeitenregelung, stehen jedoch noch aus“, zieht Pallhuber Bilanz.
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