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„Nicht im Regen stehen lassen“

Peter Grünfelder vom Cannabis Social Club

Der neue Straßenverkehrskodex: Autofahren für Patienten in Therapie mit Medizinischem Cannabis soll nun doch möglich werden.

Minister Matteo Salvini renkt ein: Die harten neuen Regeln der Straßenverkehrsordnung sollen für Patienten in Therapie mit medizinischem Cannabis nicht gelten – in Zukunft! Bis dahin müssen aber erst Gespräche geführt und verhandelt werden.

Die Patientenvereinigung Cannabis Social Club fordert deshalb die lokalen Verantwortungsträger in Südtirol auf, sich für die Patienten, welche auf Cannabistherapie angewiesen sind, einzusetzen und sie nicht im Regen stehen zu lassen, schließlich handelt es sich meistens um chronische und austherapierte Patienten. 

Das Dekret über die Sicherheit im Straßenverkehr (neue Straßenverkehrsordnung / nuovo codice della strada) tritt mit 14. Dezember in Kraft. Und damit werden strengere Drogenkontrollen eingeführt. Der Gesetzgeber hat jedoch nicht daran gedacht, dass Patienten, die psychotrope Substanzen als Medikament einnehmen, nun vor einem Chaos und gesundheitlichem Dilemma stehen. 

Denn, die neuen Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung sehen im Falle einer Kontrolle und dem Nachweis von psychotropen Substanzen den Entzug des Führerscheins und eine Geldstrafe von bis zu 6.000 Euro vor. 

Davon betroffen sind vor allem chronische Patienten, die sich in einer Schmerztherapie befinden, oder unter einer pharmakologischen psychischen Behandlung stehen. Also Menschen, die von erheblichen Beeinträchtigungen betroffen sind, für die eben der Führerschein und die motorisierte autonome Mobilität eine äußerst wichtige Freiheit darstellen. 

Ein absoluter Verfechter des neuen Straßenkodex, der Minister für Infrastruktur und Verkehr Matteo Salvini, ist von mehreren Seiten unter Beschuss geraten und hat nun in einem Schreiben an die Minister für Inneres und Gesundheit, Matteo Piantedosi und Orazio Schillaci sowie an den Unterstaatssekretär des Ratsvorsitzes, Alfredo Mantovano, die Einrichtung eines technischen Rats gefordert, um den Schutz von Personen zu gewährleisten, die sich unter ärztlicher Aufsicht mit psychotropen Substanzen mit therapeutischen Protokollen, wie medizinischem Cannabis, behandeln lassen. 

⮚ WORUM GEHT ES EIGENTLICH?
Es geht insbesondere um den Artikel 187, der die Strafen für das Fahren unter Drogeneinfluss regelt. 

Dabei gilt nun, dass die bloße Einnahme und die daraus folgende Positivität gegenüber Drogen eine Strafbarkeit nach sich zieht. 

In der Vergangenheit war es dagegen erforderlich, den Zustand der psycho-physischen Veränderung nachzuweisen, um eine Sanktion verhängen zu können („…provare lo stato di alterazione per poter irrogare una sanzione“). 

⮚ THERAPIE MIT MEDIZINISCHEM CANNABIS FÜR SCHWERKRANKE 

Die Verwendung von medizinischem Cannabis ist in Italien seit 2007 legal. Mit dem Ministerialdekret vom 9. November 2015 wurde die Möglichkeit des kostenlosen Bezugs für viele Krankheitsbilder geschaffen. Davon betroffen sind Patienten mit Multiple Sklerose, chronische Schmerzen, Rückenmarksverletzungen, auch Gill de la Tourette-Syndrom, Anorexia Nervosa, Glaukom und Patienten, die unter Begleiterscheinungen von Chemo- und Radiotherapien und HIV-Therapie leiden. Darüber hinaus ist medizinisches Cannabis – auf Kosten der Patienten – auch für viele andere Krankheiten zugänglich, von Epilepsie bis Alzheimer, von Parkinson bis Fibromyalgie. 

Entscheidend für diese Verschreibungen ist, dass es sich dabei großteils um chronisch Kranke und austherapierte Patienten handelt – Menschen, die nun womöglich die Therapien abbrechen müssen oder harte Strafen riskieren, wenn sie das Auto benutzen. 

⮚ WAS FORDERN DIE PATIENTENVEREINIGUNGEN? 

Italienweit gab es von den verschiedenen Patientenvereinigungen und Akteuren in diesem Bereich einen Aufschrei! Es könne nicht sein, dass der medizinischen Behandlung unter ärztlicher Aufsicht nicht Rechnung getragen werde, so der Tenor. Diese nun in Aussicht gestellte Abänderung des betreffenden Dekretes wird von allen begrüßt. Doch es ist noch nicht so weit. 

Die Patientenvereinigung Cannabis Social Club ist in Südtirol als ehrenamtlicher Verein tätig. „Wir helfen austherapierten Patienten eine Behandlung mit Cannabis aufzunehmen und begleiten sie dabei“, heißt es in einer Aussendung.

Und weiter:

„Unser Ziel ist es außerdem, den Einsatz von medizinischem Cannabis im Südtiroler Sanitätssystem zu fördern – zum Wohle der Patienten, welche mit einer Verbesserung ihrer Lebensqualität rechnen können und zum Vorteil des Sanitätssystems, nicht zuletzt durch eine Kosteneinsparung und einer Reduzierung des Betreuungsaufwandes der betroffenen Patienten. 

Wir wünschen uns – und es ist unbedingt erforderlich – mit den Verantwortungsträgern in der Sanität, insbesondere mit der lokalen Ärztekommission für Führerscheine (Führerscheinkommission) einen runden Tisch einrichten zu können, in dem wir für die Politik, bzw. verantwortlichen Ämter in Rom ein Schreiben verfassen, womit wir auf die Probleme hinweisen und einen Vorschlag zur Lösung unterbreiten könnten. 

Gerade für austherapierte Patientinnen und Patienten, die psychoaktive Substanzen als Therapie einnehmen, stellt die persönliche Mobilität und somit der Führerschein eine Notwendigkeit dar und bedeutet ein wichtiges Stück Freiheit, ohne welcher die Situation dieser Patienten noch schwieriger zu bewältigen.“

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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