Peter Huber gewinnt
Die Südtiroler Theaterzeitung hat im Frühjahr einen Autorinnen- und Autorenwettbewerb unter dem Titel „fryheyt 1525 – 2025 – Handeln aus Überzeugung – 500 Jahre Michael Gaismair und der Bauernaufstand“ ausgeschrieben. Siegerin und Sieger stehen nun fest
Im kommenden Jahr 2025 wird in Deutschland, Österreich und in den Ländern Tirol, Südtirol, Trentino das 500. Anniversar der Bauernkriege von 1525 begangen. Große Ausstellungen, Veranstaltungen, Kunstaktionen und Tagungen widmen sich dem Thema, das durch die jüngsten Bauernproteste an Aktualität gewonnen hat. Tirol, zumal der südliche Landesteil, war mit Michael Gaismair ein Zentrum des bäuerlichen Protests, der die Motive von Freiheit und Gerechtigkeit grundsätzlich aufwirft. Aus diesem Grund hat die Südtiroler Theaterzeitung einen Wettbewerb für Autorinnen und Autoren ausgeschrieben, um die Themen des Jubiläumsjahrs auch für das Theater in seinen vielfältigen Formen zu adaptieren. Themen der Ausschreibung waren die Freiheit und Selbstverwirklichung, der Kampf für Gerechtigkeit, gegen politische, religiöse und kulturelle Intoleranz.
Zum Wettbewerb zugelassen waren ein unveröffentlichter, abendfüllender Theatertext. Teilnahmeberechtigt waren alle Autorinnen und Autoren, die in Südtirol ihren Wohnsitz haben oder in Südtirol geboren sind.
Nun hat die Jury unter dem Vorsitz von Hans Heiss (Historiker und Archivar), Elisabeth Thaler (Dramaturgin der Vereinigten Bühnen Bozen), Konrad Hochgruber (Schauspieler und Regisseur, Theater Verband Tirol), Stefanie Nagler (Regisseurin und Spielberaterin, Südtiroler Theaterverband) und Elmar Außerer (Redakteur der Südtiroler Theaterzeitung) die Siegerin und die Sieger ermittelt.
Der 1. Preis in der Höhe von 5.000 Euro, zur Verfügung gestellt von der Stiftung Südtiroler Sparkasse, geht an den in Meran geborenen Dichter, Dramatiker und Regisseur Peter Huber für seinen Text „Mother’s restless armies“.
Der 2. Preis in der Höhe von 2.500 Euro wurde der Bozner Lernberaterin, Oberschullehrerin und Dramatikerin Christine Plieger für ihren Text „Mein Ort“ zugesprochen.
Den 3. Preis in der Höhe von 1.500 Euro erhält Walter Tribus, Theaterautor und Obmann der Volksbühne Lana, für das Stück „Die Geiss Mayer – Eine komisch-tragische Parabel ohne Nutzen“.
Die Preisverleihung findet im Rahmen der Generalversammlung des Südtiroler Theaterverbandes statt, die am 5. April 2025 im Bozner Waltherhaus abgehalten wird. Zudem ist geplant, dass die Siegerstücke im Jubiläumsjahr uraufgeführt werden.
Die Begründung der Jury
Mother’s restless armies von Peter Huber
Der Siegertext des Wettbewerbs überrascht, weil die Handlung im gegenwärtigen Iran spielt. Es ist die Geschichte einer Mutter, die zu Hause im Verlauf von Ausschreitungen um ihre studierende Tochter bangt, gemeinsam mit der Familie. Diese ist in der Enge der eigenen Wohnung kaum handlungsfähig; die Angst verstärkt sich durch die Dynamik der sozialen Medien. Der Vater, zunächst scheinbar gleichgültig gegenüber dem Verschwinden der Tochter, sucht dann Hilfe bei einem bisher verschwiegenen Halbbruder. Der Autor stellt starke Frauenfiguren in den Mittelpunkt und gibt ihnen Stimme und Statur. Es beeindrucken die zunehmende Emanzipation der Mutter und der Nachbarin, aber auch ihre Verzweiflung, während der Mann seinen Status einbüßt, der vom eigenen Sohn nicht aufgefangen wird.
Die dramaturgische Entwicklung und das Setting der Geschichte spitzen sich ständig zu, bis in einer überraschenden Wende die bisherige Handlung zuletzt plötzlich in einen neuen Kontext gestellt wird. Die Figuren sind klar gezeichnet, der Handlungsort verkommt nie zur bloßen fremdländisch-exotischen Staffage; zumal die iranische Zeitgeschichte präzise erfasst ist. Die Sprache ist ausgereift wie alltagsnahe, die Sätze sind knapp und elliptisch aufgebaut.
Der Text hat die Jury dadurch beeindruckt, dass er das im Wettbewerb angeführte Thema der Revolution/Freiheit in einen völlig anderen geografischen, politischen und kulturellen Kontext stellt und es zugleich einem allgemeineren Motiv zuführt – der Selbstbestimmung von Frauen und der Freiheit in ihrer politischen wie persönlichen Dimension. Ob das dramaturgisch überzeugende Stück in einer Originalbesetzung inszeniert werden sollte, ist als Frage noch zu klären.
Mein Ort von Christine Plieger
Auch im zweiten Stück behaupten Frauen eine zentrale Position. Der historische Kontext behandelt die Folgen von 1525 in der Begegnung von zwei Frauen, Magdalena Gaismair und Anna Zwingli, Witwen des Revolutionärs und des religiösen Reformers, die sich in Zürich treffen. Eine spannende Figur im Hintergrund ist Klara, eine alte, ebenso dement wie seherisch wirkende alte Frau, die wie die Protagonistinnen eine Entwicklung durchmacht. Zunächst von gegenseitigem Misstrauen bestimmt, setzen sie gemeinsam ihre Rechte gegenüber den patriarchialen, opportunistischen und wertkonservativen Männern durch: Obrigkeitsglaube, Scheinheiligkeit und das schmutzige Spiel der Politik sorgen für reichlich Konfliktpotenzial. Die Frauen gewinnen aus ihrer zunächst untergeordneten Rolle heraus Kraft und Widerständigkeit, in einem Prozess, der nicht aufgesetzt oder konstruiert wirkt, sondern organisch aus Handlung und Figuren erwächst. Die Figuren der Anna und des Vaters, des alten Bullinger, wecken Anklänge an Thomas Bernhard. Der geschichtliche Rahmen wirkt unaufdringlich, weder historisierend noch moralisch aufgeladen. Der etwas kurze Text ist sprachlich ausgefeilt und dramaturgisch überzeugend.
Die Geiss Mayer von Walter Tribus
Das Stück, dessen Titel auf den Akteur von 1525 ironisch Bezug nimmt, ist eine Tierparabel, in der die Tierfiguren menschliche Schwächen und gesellschaftliche Konflikte widerspiegeln. Das Stück handelt von Egoismus, Materialismus und darum, dass Menschen – in den Worten der Protagonisten – die „Lebewesen“ nichts dazu lernen. Menschliche Schwächen und Konflikte kehren in den Tieren wieder; auch in heiteren Momenten von Humor und Sprachwitz. Wie viele Parabeln zeigt auch diese, dass die Tiere die eigentlich besseren Kreaturen sind, während der Mensch als Widersacher der Natur dargestellt wird. Möglichkeiten von Veränderung und Neubeginn bleiben Illusion. Es handelt sich, wie der Untertitel erläutert, um eine „Parabel ohne Nutzen“. Geschickt eingesetzt ist die Rolle der Geiß Mayer, eines Rehs, das visionär für Zusammenarbeit und Vertrauen eintritt und zum gemeinsamen Kampf gegen die menschliche Invasion aufruft. Freiheit und Gerechtigkeit sind gefährdet und erfordern stetiges Bemühen.
Der Dialoge des sprachlich gut ausgearbeiteten Textes wirken stimmig; die Konflikte spitzen sich auf überzeugende Weise und dramaturgisch geschickt zu. Der etwas problematische Schluss ließe sich noch weiter ausarbeiten. Die Vielzahl der Rollen erfordert eine kreative und vielseitige Inszenierung, die aber gut lösbar ist.
Ähnliche Artikel
Kommentar abgeben
Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.