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„Es ist Fünf vor Zwölf“

Fotos: SSB/Richard Andergassen

Am Sonntag versammelten sich anlässlich des 60. Todestages von Sepp Kerschbaumer über 2.000 Teilnehmer in St. Pauls.

Die Feierlichkeiten begannen mit der Meldung der angetretenen Formationen und der anschließenden Frontabschreitung durch Bürgermeister Wilfried Trettl, die Landeskommandanten Roland Seppi und Enzo Cestari, Landeskommandant-Stellvertreter Gerhard Biller sowie den Obmann des Südtiroler Heimatbundes, Roland Lang.

Im Anschluss führte die Musikkapelle Girlan die Schützen und Teilnehmer zum Kirchgang in den sogenannten „Dom am Lande“. Pater Reinald Romaner OFM zelebrierte die Heilige Messe und hob dabei besonders die Vorbildwirkung Sepp Kerschbaumers für die Tiroler Bevölkerung hervor. 

Gedenkfeier im Friedhof

Nach dem Kirchgang marschierten die Teilnehmer zum Friedhof, wo Roland Lang die Anwesenden begrüßte und kurz auf die aktuelle politische Lage einging: „55 Jahre nach dem Südtirol-Paket, versucht die Landespolitik, verlorene Kompetenzen der Autonomie zurückzuerlangen. Die Verhandlungen sind jedoch schwach. Zudem hat Landeshauptmann Arno Kompatscher Vertreter der Fratelli d‘Italia in die Landesregierung aufgenommen, was die Verhandlungen weiter erschwert. Die Entscheidung von Ministerpräsidentin Meloni, Alessandro Urzí in die Verhandlungen einzubinden, ist eine Watschn für Südtirol. Urzí fordert eine Herabsetzung des Wahlrechts für zugewanderte Italiener, eine Aufweichung des Proporzes und die automatische Anerkennung des Zweisprachigkeitsnachweises. Er ist bekannt für seinen Einsatz gegen die Tiroler Identität. Es ist Fünf vor Zwölf: Wir müssen uns für die Ziele des Südtirol-Autonomiekonvents entscheiden oder den bequemen Weg der Assimilation wählen.“

„Vergeben, aber nicht vergessen!“

Der im Exil lebende Südtirolaktivist Univ.-Prof Dr. Erhard Hartung (81) hielt via Mobiltelefon die Gedenkrede. Er betonte die Bedeutung von Sepp Kerschbaumers entschlossenem Einsatz für die Heimat und den Schutz der Menschenwürde.

„Es ist mir eine große Ehre, hier zur Erinnerung an Sepp Kerschbaumer und sein Wirken für unsere Heimat zu sprechen“, so Hartung. Er erinnerte daran, dass Kerschbaumer und seine Mitstreiter in einer Zeit kämpften, in der die Rechte der Südtiroler massiv unterdrückt wurden. „Die Südtiroler Freiheitskämpfer haben einen entscheidenden Beitrag für eine bessere Autonomie geleistet!“, zitierte Hartung den ehemaligen Landesrat Bruno Hosp.

Besondere Beachtung fand die Erwähnung der „Feuernacht“ vom 11. auf den 12. Juni 1961, an der Kerschbaumer maßgeblich beteiligt war. „Diese weltweit für Aufsehen erregende Aktion erfolgte mit Wissen lokaler und österreichischer Politiker mit dem Ziel der Freiheit und Loslösung Südtirols von Italien durch Selbstbestimmung“, erklärte Hartung. Er schilderte die politische Lage jener Zeit und die provokativen Maßnahmen der italienischen Regierung, die die Südtiroler zur Verzweiflung trieben.

Hartung stellte klar, dass die Freiheitskämpfer keine Terroristen waren, sondern Menschen, die für ihre Rechte eintraten. „Wir waren selbstlose, das Recht und die Freiheit liebende Personen“, betonte er. Dabei erinnerte er an die gewaltsamen Repressionen, die die Freiheitskämpfer erlebten, und forderte die heutige Politik auf, sich mit der Geschichte auseinanderzusetzen und Lösungen für die noch offenen Fragen zu finden.

„Wir ehemaligen Freiheitskämpfer waren selbst Opfer und haben den seinerzeitigen Tätern längst vergeben, unsere Hand zur Versöhnung ausgestreckt aber können und dürfen nicht vergessen.“, schloss Erhard Hartung seine bewegende Rede. 

Ehrensalve und Kranzniederlegung

Im Anschluss an die Gedenkrede spielte die Bürgerkapelle Girlan am ehemaligen Grab von Sepp Kerschbaumer das Lied vom „Guten Kameraden“. Die Ehrensalve wurde von der Schützenkompanie „Sepp Kerschbaumer“ Eppan unter Hauptmann Maximilian Schmid abgefeuert. Abgeschlossen wurde die sehr würdige Gedenkfeier mit der Tiroler Landeshymne und der Österreichischen Bundeshymne.

„Kerschbaumer, leuchtendes Beispiel für die Jugend“

Landeskommandant Roland Seppi würdigte Kerschbaumer als einen Mann, der die politische Apathie in Südtirol aufbrach und die Südtiroler Volkspartei zum Handeln aufrief. Dennoch bleibt die Wahrheit schmerzlich: Auch 60 Jahre später hat Südtirol noch nicht vollständige Freiheit erlangt. Die politische Landschaft ist nach wie vor von Kompromissen und dem Einfluss Italiens geprägt.

„Wir sind immer noch unfreiwillige Untertanen des italienischen Staates, aber unter gänzlich anderen Vorzeichen! Der Stiefelstaat ist nicht mehr der widerwillige Geber, sondern der geduldige Zurücknehmer“, so Seppi, der dabei auch die heutige politische Führung kritisiert: „Sie verlieren zunehmend den Kontakt zum kulturellen und politischen „Hinterland“ und dabei die wahren Herausforderungen der Tiroler Identität aus den Augen“.

Seppi schloss seine Rede mit einem Appell an die Verantwortungsträger, den Tirolern eine Zukunft zu bieten, die auf echten Werten basiert – auf dem Rückgrat der Identität und einer unabhängigen, selbstbewussten Haltung.

„Für unsere Tiroler Identität braucht es Zukunftsdenker, keine Paragraphenreiter“, betonte Seppi und erinnerte an den großen Mut von Sepp Kerschbaumer, der auch heute noch als leuchtendes Beispiel für die Jugend gelte.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (10)

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  • saustall_kritiker

    Wo ist denn hier der Noch-Landeshauptmann Kompatscher? Ich kann ihn auf den Fotos nicht erkennen. Grübel grübel und studier….
    Oh pardon, hab vergessen, der chattet ja mit seinem Freund Heinz Peter Hager wegen des Weihnachtsessens….oder liege ich falsch?
    😉 😉

  • ummagumma

    HermannH, so aufrechte und ehrwürdige Personen wie dich wären ihm ihm sicher am liebsten gewesen 🙂

  • rolandlang

    hermannh, das „Gesindel“ sind Menschen, denen die Heimat noch was wert ist.

    Sie gedenken des Freiheitskämpfers Sepp Kerschbaumer in ehrender Weise.

    Leute wie Du werden das nicht verstehen!

    • hermannh

      rolandlang: Dem Sepp Kerschbaumer war Heimat und vor allem seine Mitmenschen (egal welcher Sprachgruppe!) wirklich wichtig. Ein besonderer Held eben, ehrlich und bodenständig.

      Der Sepp Kerschbaumer wird aber sich bei all den Wichtigmachern und Polemikern im Grab umdrehen! Eine unwürdige Feier für so einen Held!

      • ummagumma

        HermannH ( Alibibauer) nun auch noch der Weise :-). Wie göttlich seine Polemiken und nichtssagenden Kommentare immer wieder sind. Bin ziemlich sicher dass er die Hände immer gaaaaanz weit aufhält wenns darum geht aus dem Teich zu fischen.

    • heracleummantegazziani

      Das Problem ist immer mit welchen Mitteln man um seine Ideen kämpft. Auch die RAF und die Roten Brigaden oder die NAR oder der nationalsozialistische Untergrund NSU behaupteten für ihre Ideen zu kämpfen.Wir bezeichnen sie aber zu Recht als Terroristen.
      Denken wir daran, dass selbst Viktoria Stadlmayer die Bombenpolitik als Misserfolg bezeichnete und auch eines der Mitglieder des BAS sagt man hätte das eigentliche Ziel verbockt. Kein Politiker weder diesseits noch jenseits des Brenners konnte die Aktionen offen gutheißen, um eine politische Lösung (die einzig mögliche) nicht zu gefährden. Damit war der BAS so gut wie tot.

  • ummagumma

    HermannH, ab mit dir in den Stall!!! Achso geht ja gar nicht da nur Alibibauer !!! Wie sagte schon Leser dem Anderle, früher hat man Typen wie dich anständig verdroschen und gut wars. Und wie recht er hat 🙂

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