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„Das schweißt uns zusammen“

Das EU-Parlament hat die neue Kommission in ihrem Amt bestätigt. Herbert Dorfmann erklärt, warum er die Parteien der Mitte nun gestärkt sieht.

Tageszeitung: Herr Dorfmann, das Europaparlament hat die neue EU-Kommission bestätigt. Sie sind darüber erleichtert?

Herbert Dorfmann: Ja, wobei in den Medien so getan wurde, als wäre das Votum schwieriger als in den Jahren zuvor gewesen. Die neue EU-Kommission wird aber genauso wie die alte am 1. Dezember mit ihrer Arbeit beginnen. Wir sind also voll im Zeitplan geblieben.

Trotzdem war das ein hartes Stück Arbeit, immerhin sah es lange so aus, als ob Raffaele Fitto und Teresa Ribera nicht durchkommen würden…

Ich bin jetzt zum vierten Mal im EU-Parlament und zum zweiten Mal Koordinator im Landwirtschaftsausschuss und muss als solcher Anhörungen organisieren. Bisher hat es immer einer der vorgeschlagenen Kommissare nicht geschafft, dieses Mal war es anders. Natürlich gab es um Fitto, Ribera und vielleicht auch um Oliver Varhelyi politische Debatten, die nicht einfach waren, aber wir haben das mit Vernunft gelöst. Die Wunden sind noch nicht verheilt, was man am überschaubaren Ergebnis erkennt. Ich glaube, dass man auf beiden Seiten übertrieben hat. Zu sagen, man wählt mit Fitto, einen Faschisten, stimmt einfach nicht. Er kommt aus dem christdemokratischen Lager und hat nie extreme Töne von sich gegeben. Umgekehrt war es von Teilen unserer Fraktion falsch zu sagen, dass man einen Sozialdemokraten sicher nicht wählt. Der EU-Vertrag sieht vor, dass jede nationale Regierung einen Kandidaten nominiert. Das ist zu akzeptieren.

War die Debatte um Fitto und Ribera eine rein ideologische oder handelte es sich um einen Machtkampf über die Deutungshohehit innerhalb der Mehrheit?

Man darf das Desaster in Valencia nicht vergessen, die die Debatte in Spanien angeheizt hat. Ribera war für den Zivilschutz in Spanien zuständig und hat sich in der Phase nicht geschickt verhalten. Wir haben diese Debatte auf spanischer Seite in der EVP kaum einfangen können. Das war an und für sich schwieriger als die Diskussion um Fitto, nur hat das zu einem sogenannten „Voto Incrociato“ geführt. Dass die Zusammenarbeit unter den Fraktionen eigentlich gut funktioniert, hat man in den ersten Wochen gesehen.

Deutet diese Abstimmung darauf hin, dass in den kommenden fünf Jahren tiefe Gräben überwunden werden müssen, um wichtige Punkte voranzubringen?

Sicher, das Parlament hat sich verändert. Wir hatten erst heute (gestern, Anm. d. Red.) eine Abstimmung zum Rauchen im Freien ohne Mehrheiten für irgendetwas. Es gibt aber eine breite Mehrheit in der Mitte des Parlaments. Die große Frage für die EVP ist, wie wir mit den Konservativen umgehen sollen. Auch dort gibt es keine einheitliche Gruppe, wie bei der Abstimmung ersichtlich wurde. Sicher ist nur, dass alles, was rechts von den Konservativen und links von den Sozialdemokraten ist, nicht dazu beitragen wird, europäische Projekte voranzubringen.

Wird sich die Mehrheit aber künftig nicht zu eine der beiden Richtungen bekennen müssen?

Das ist zum Teil schon in diesem Prozess passiert. Die Zentrumsparteien haben ein Dokument unterzeichnet, mit dem sie sich dazu bekennen, in den großen Fragen zusammenzuarbeiten. Es zeigt, wo die Mehrheit sein wird.

Es wird also zu einer Stärkung der Mitte mit einer leichten Tendenz nach rechts kommen?

Nach den Wahlen war klar, dass nur die EVP gewonnen hat. Die Liberalen haben federn gelassen. Die linke Seite des Hauses – und dazu muss man die Liberalen zählen – hat in Vergangenheit zwar mit der EVP abgestimmt, aber nur solange es ihnen gepasst hat. Sie haben immer wieder alternative Mehrheiten mit den Linken gesucht. Diese Möglichkeit gibt es für sie nicht mehr, dafür aber für uns. Der Unterschied ist, dass wir das nicht machen werden, da die Patrioten und Souveränen nicht an europäische Projekte interessiert sein werden. Es wird also eine klare Brandmauer geben. Ich denke also, dass uns diese Umstände in der Mitte noch mehr zusammenschweißen werden.

Interview: Markus Rufin

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