„Lösungen brauchen Zeit“
Bildungslandesrat Philipp Achammer nimmt Stellung zur Anhörung der Lehrer. Warum die angesprochenen Probleme nicht überraschen. Wo bereits an Verbesserungen gearbeitet wird und weshalb mehr nach außen kommuniziert werden muss.
TAGESZEITUNG Online: Herr Achammer, wie haben Sie die Stimmung bei allen Anwesenden während der Anhörung wahrgenommen?
Philipp Achammer: Derzeit herrscht eine sehr angespannte Stimmung im Bildungsbereich. Allerdings bin ich nicht der Meinung, wie es in einigen Schlagzeilen zu lesen war, dass eine Gesamtkrise ausgerufen werden muss und dass es überall fehlen würde. Diese Grundaussage ist zu kurz gegriffen und hilft relativ wenig.
Warum ist die Anspannung im Bildungsbereich derzeit so groß?
Zum einen ist das Lohnniveau aller, die im öffentlichen Bereich arbeiten, zu gering. Besonders im Bildungsbereich sind wir gegenüber anderen deutschsprachigen Gebieten zurückgefallen. Als Landesregierung sind wir uns bewusst, dass es jetzt zeitnah eine Gehaltsentwicklung geben muss. Heuer stehen noch die Mittel für Inflationsnachzahlungen zur Verfügung und ab dem kommenden Jahr soll es aufgrund der Inflationsentwicklung eine strukturelle, also dauerhafte Anpassung der Gehälter geben. Neben den dringend notwendigen Inflationsanpassungen haben wir begonnen, mit einigen Schulgewerkschaften Kontakt aufzunehmen, um den Vertrag der Lehrpersonen substanziell zu erneuern und zu schauen, was beim Grundgehalt der Lehrer zu tun ist.
Ist denn der Handlungsspielraum hier groß genug, um zum deutschsprachigen Ausland konkurrenzfähig zu werden?
Wir werden niemals über Konkurrenzfähigkeit mit der Schweiz reden können. Man kann aber sicher einen Schritt nach vorne machen. Gleichzeitig spielen beim Wohlbefinden am Arbeitsplatz Schule neben der ökonomischen Weiterentwicklung auch andere Faktoren eine Rolle. Ich gebe den Lehrpersonen aber absolut recht, wenn sie eine Flexibilisierung der Arbeitszeit fordern. Ich bin ein vollkommener Gegner von Minutenzählerei in pädagogischen Berufen. Vielmehr müssen wir nach dem Vertrauensprinzip arbeiten, denn Lehrpersonen, die ihre Aufgabe umfassend wahrnehmen, machen viel mehr Stunden als in den Vorgaben denkbar. In diesem Jahr stehen rund 50 Millionen Euro für die Schulen staatlicher Art für Inflationsnachzahlungen bis etwa Mitte 2023 zur Verfügung. Die Nachzahlungen werden vermutlich in den ersten Monaten des kommenden Jahres erfolgen. Anschließend stehen für alle öffentlich Bediensteten rund 500 Millionen Euro für einen Dreijahreszeitraum zur Verfügung. Hier reden wir von einer Inflationsanpassung von etwa zehn Prozent, die strukturell noch hinzukommt. Ich bin überzeugt, dass Personen im Bildungsbereich gut zu bezahlen sind, weil Bildung die einzige Chance in dieser angespannten Situation ist. Alle im Bildungsbereich angestellten Personen haben sich deutlich mehr verdient.
Welche Probleme wurden in der Anhörung außerdem angesprochen?
Ganz neue Problematiken wurden nicht genannt. Schulen und Kindergärten sind jedoch das erste Spiegelbild einer gesellschaftlichen Entwicklung. Der individuelle Förderbedarf hat an Vielfältigkeit sehr zugenommen. Es stimmt aber überhaupt nicht, dass hier nichts getan wird. Die Stellen für den Förderbedarf sind in den letzten zehn Jahren massiv aufgestockt worden und auch für das kommende Schuljahr ist erneut ein Stellenaufbau vorgesehen. Es wird also sehr viel getan, aber wir kommen mit der Geschwindigkeit der immer komplizierter werdenden Situationen kaum mit. Die Schule nach der Pandemie ist eine andere als zuvor. Zusätzlich werden immer mehr Aufgaben des Elternhauses an Schulen delegiert – ohne behaupten zu wollen, die Familien wären Schuld. Aber es gibt immer mehr psychologische und inklusive Herausforderungen sowie mehr Familienunterstützungsbedarf. Aus Sicht der Lehrpersonen wird sicher immer noch zu wenig getan, so dass wir weiter daran arbeiten müssen. Wir sind aber bereit, uns gewissen Situationen zu stellen.
Wie kann die ausufernde Bürokratie im Bildungsbereich abgebaut werden?
In der Dokumentation der Schüler will ich die Hoffnung bremsen, dass hier viel Bürokratie abgebaut wird – auch vor dem Hintergrund, dass die Klagementalität gegenüber Schulen zugenommen hat, während früher eine Autorität oder eine negative Note akzeptiert wurde. Unsere Misstrauenskultur hat dazu geführt, dass es für den Fall eines Rekurses genug Dokumentationsmaterial als Argumentationsgrundlage braucht.
Warum haben viele den Eindruck, es würde zu wenig getan im Bildungsbereich, so dass das System inzwischen am Limit scheint?
Wir müssen viel aktiver die laufende Entwicklung von Projekten und bildungspolitischen Vorhaben kommunizieren. Sehr häufig dringt in der Fülle an Mitteilungen, die Lehrpersonen erhalten, nicht durch, woran wir arbeiten. Es ist nachvollziehbar und nachweisbar, welche Entwicklung es gibt und woran aktuell gearbeitet wird. Die Kommunikation auch gegenüber den Lehrpersonen und pädagogischen Fachkräften muss sicher massiv verbessert werden. Ob Lösungen dann immer so schnell kommen, wie man sie sich von uns erwartet, ist sicher leider nicht immer der Fall, weil einige Dinge einfach ihre Zeit brauchen.
Interview: Sandra Fresenius
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