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„Auf Auffälligkeiten achten“

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Eines von 76 Kindern wird mit Autismus diagnostiziert. Welche Merkmale Betroffene aufweisen und warum eine Früherkennung wichtig ist.

Tageszeitung: Frau Hölzl, die Zahl der Kinder mit Autismus ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Wie viele sind in Südtirol davon betroffen?

Franziska Hölzl (Fachzentrum für Autismus-Spektrum-Störungen Autòs in Meran): In Italien liegt die Prävalenz bei etwa 1,3 Prozent der schulpflichtigen Kinder, also eines von 76. Diese Zahl spiegelt sich auch in Südtirol wider und ist vergleichsweise hoch im Vergleich zu früher. Das liegt daran, dass heute generell mehr Diagnosen gestellt werden. Vor allem Jungen sind deutlich häufiger betroffen – etwa viermal so oft als Mädchen.

Wie wird Autismus diagnostiziert?

Zunächst erfolgt eine ärztliche Abklärung, bei der gezielt auf Autismus untersucht wird. Zusätzlich wird eine differenzierte Diagnostik durchgeführt, um andere Erkrankungen auszuschließen. Es gibt standardisierte Tests und Diagnosekriterien, die als „goldener Standard“ gelten. Eine Verdachtsdiagnose ist ab etwa zwei Jahren möglich, die definitive Diagnose erfolgt meist ab dem dritten Lebensjahr.

Tritt Autismus also häufig gemeinsam mit anderen Beeinträchtigungen auf?

Ja, besonders wenn Kinder spät diagnostiziert werden oder keine Therapien erhalten haben. Mit zunehmendem Alter entwickeln sich häufiger Begleiterkrankungen, sogenannte Komorbiditäten, wie ADHS, Angststörungen oder Depressionen. Frühe Diagnosen und Unterstützungen können das Risiko solcher zusätzlichen Belastungen deutlich reduzieren.

Was sind typische Früherkennungsmerkmale?

Es gibt keine 100-prozentigen Indikatoren, aber man kann auf gewisse Auffälligkeiten achten. Kinder mit Autismus zeigen beispielsweise oft kein Interesse daran, auf etwas hinzuweisen, etwa auf Gegenstände oder andere Kinder, oder die Aufmerksamkeit zu teilen. Sie reagieren selten auf ihren Namen oder verbale Aufforderungen. Manche sind besonders unruhig und weinen viel, andere wirken hingegen eher apathisch und abwesend. Auch das Spielverhalten ist auffällig: Statt mit Spielzeugautos eine Strecke nachzustellen, drehen sie beispielsweise stundenlang nur die Räder und sie haben auch keine imaginären Spielpartner. Außerdem fehlt häufig der Blickkontakt, ebenso wie eine Interaktion oder die Nachahmung von Handlungen

Wie äußert sich Autismus generell und welche Merkmale weisen Betroffene auf?

Autismus wird als Neurodiversität beschrieben, was bedeutet, dass das Gehirn anders funktioniert. Die Wahrnehmung, Kommunikation und das Verhalten sind bei Betroffenen oft unterschiedlich. Meist haben sie Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion und Kommunikation – sie sprechen entweder sehr viel, fast gar nicht oder ohne Kontext – sowie stereotype Verhaltensweisen und Interessen. Die Ausprägung reicht von hochfunktionalen Autisten, die kaum Unterstützung benötigen, bis hin zu Personen mit starkem Unterstützungsbedarf. Menschen mit einer schweren Autismus-Störung schaukeln beispielsweise vor und zurück oder flackern mit den Händen, um ihre Dysfunktionalität zu kompensieren.

Welche Therapien gibt es?

Es gibt keine universelle Methode, da die Fälle sehr individuell sind. Da man allerdings noch nicht genau weiß, woher Autismus kommt, sind leider nicht alle Therapien evidenzbasiert. Frühinterventionen spielen jedoch eine entscheidende Rolle, da das Gehirn von Kindern in jungen Jahren besonders formbar ist. Je früher man ansetzt, desto einfacher lassen sich Entwicklungen positiv beeinflussen. Therapien sollten immer auf das Kind, das Alter, den Krankheitsschweregrad sowie dem sozialen Umfeld zugeschnitten sein.

Wie erleben Sie die Inklusion von Menschen mit Autismus in Südtirol?

Rechtlich ist die Inklusion gewährleistet, was Südtirol im internationalen Vergleich einen Vorteil verschafft. Allerdings hängt die Umsetzung stark von den beteiligten Personen ab – etwa Lehrkräften oder Arbeitgebern. Wichtig ist, dass Inklusion nicht erzwungen wird, sondern sich nach den Bedürfnissen und Fähigkeiten der Betroffenen richtet. Sensibilisierung spielt hier eine zentrale Rolle.

Was sind die größten Herausforderungen für Betroffene im Erwachsenenalter?

Der Übergang von der Schule ins Berufsleben ist oft eine Hürde, da die Struktur und Stabilität der Schule wegfallen. Arbeitsplätze sind für Autisten häufig schwer zugänglich, wodurch viele in betreuten Einrichtungen landen, obwohl sie im Alltag eigenständig zurechtkommen könnten. Ein weiterer schwieriger Punkt ist die Wohnsituation: Es gibt zu wenig Angebote für begleites Wohnen, obwohl der Bedarf groß ist. Umso wichtiger ist es, mehr Bewusstsein und Offenheit im Umgang mit Menschen mit Autismus zu schaffen sowie Vorurteile abzubauen.

Interview: Sylvie Debelyak

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