Du befindest dich hier: Home » News » Die Welterklärerin

Die Welterklärerin

Waltraud Deeg rechnet sich Chancen aus, 2028 die erste Landeshauptfrau Südtirols zu werden. Den Wahlkampf hat die Pusterer Ex-Landesrätin jedenfalls bereits eröffnet.

von Artur Oberhofer

Wenn es darum geht, sich ins Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit zu drängen, ist Waltraud Deeg eine Meisterin. „Ihr ist“, sagt eine politische Mitbewerberin, „einfach nichts zu blöd.“

Der ehemaligen Landesrätin, die es nach ihrer Wahlniederlage (sie verlor gegenüber 2018 fast 6.000 Vorzugsstimmen) nicht mehr in die Landesregierung geschafft hat, wird nachgesagt, dass sie schon mal ganz ungeniert zum Telefon greift, wenn sie der Ansicht ist, dass besser sie und nicht eine politische Konkurrentin zum Runden Tisch oder zu einem Pro & Contra bei Rai Südtirol eingeladen wird.

Auch bei Events von wichtigen Interessen- und Wirtschaftsverbänden ist es vorgekommen, dass Waltraud Deeg sich selbst eingeladen hat.

Nachdem sie das Angebot von Arno Kompatscher, die Agenden Personal und Arbeit zu übernehmen, beleidigt ausgeschlagen hat – Deeg wollte das Sozial-Assessorat, das der Landeshauptmann aber unbedingt der besser gewählten Rosmarie Pamer zuteilen wollte –, gingen politische Beobachter eigentlich davon aus, dass Waltraud Deeg den Rest der Amtsperiode als einfache Mandatarin „absitzen“ und 2028 ihre politische Karriere beenden würde.

Doch aus Waltraud Deegs Umfeld sickert jetzt durch: Die Pusterer Politikerin wolle im Hinblick auf die Wahlen 2028 noch einmal voll durchstarten. Mehr noch: Waltraud Deeg rechne sich Chancen auf die Nachfolge von Arno Kompatscher aus.

Die bisherige politische Karriere der Waltraud Deeg ist nicht linear verlaufen. Als Stadträtin für die Bereiche Senioren, Umwelt und geförderter Wohnbau in Bruneck schaffte Deeg 2013 mit über 12.000 Vorzugsstimmen den Sprung in den Südtiroler Landtag, jenem (Hohen) Haus, in dem schon ihre 1988 verstorbene Mutter Waltraud Gebert Deeg als erste Frau (gemeinsam mit Lidia Menapace) gesessen hatte. Waltraud Deeg wurde auf Anhieb in die Landsregierung berufen – als Verantwortliche für die Bereiche Familie und Verwaltung.

2018 wurde sie mit knapp 17.000 Vorzugsstimmen wiedergewählt, Arno Kompatscher machte Deeg zur Super-Landesrätin, zuständig für Soziales, Wohnbau, Familie und Senioren, sie wurde sogar Landeshauptmann-Stellvertreterin.

Doch im Zuge der „Freunde im Edelweiß“-Skandals schlug sich Waltraud Deeg auf die Seite der Kompatscher-Gegner. Seitdem, so heißt es im Hohen Haus, seien der LH und Deeg wie Hund und Katz.

Ihre Ausbootung als Landesrätin werde Deeg dem Landeshauptmann nie verzeihen.

Im Windschatten der „logischen“ Kompatscher-Nachfolger (Peter Brunner, Luis Walcher, Rosmarie Pamer usw.) hat Waltraud Deeg ihren persönlichen Wahlkampf für das Jahr 2028 längst eröffnet.

Als enge Vertraute und im Schlepptau von SVP-Bezirksobmann Meinhard Durnwalder, der selbst auch noch ein Kandidat für die Kompatscher-Nachfolge werden könnte, besucht Waltraud Deeg alle Parteiveranstaltungen, Diskussionsrunden. Sie hält Sprechstunden, mischt in den sozialen Medien mit. Kurzum: Waltraud Deeg läuft sich längst warm für die Wahl 2028.

Jene, die erwartet hatten, Waltraud Deeg würde fünf Jahre lang auf der Abgeordnetenbank schmollen und schmoren, müssen sich eines Besseren belehren lassen.

Wie ehrgeizig und teilweise sogar anmaßend sie unterwegs ist, hat Waltraud Deeg vor wenigen Wochen aufgezeigt.

Am Vormittag des 2. Oktober dieses Jahres ging aus der SVP-Landtagsfraktion eine Rund-Mail an alle Direktorinnen und Direktoren der Südtiroler Mittel- und Oberschulen ab.

In der E-Mail, die der TAGESZEITUNG zugespielt wurde, schrieb Waltraud Deeg:

„Sehr geehrte Direktorinnen und Direktoren, junge Menschen zur selbstbestimmten Teilhabe an unserer Gesellschaft, zur aktiven, verantwortungsvollen Mitgestaltung unserer Demokratie zu befähigen – das ist wesentliches Ziel politischer Bildung in der Schule.

Sie sollen lernen, Verantwortung zu übernehmen für sich und andere, für Natur und Umwelt. Insbesondere sollen sie Menschen unterschiedlicher Herkunft und Überzeugungen vorurteilsfrei begegnen, die Werte unterschiedlicher Kulturen kennenlernen und für ein friedliches, diskriminierungsfreies Zusammenleben einstehen, gerade in einem Minderheitengebiet wie es Südtirol ist.

Auszug aus Deeg-Rundmail

Angesichts aktueller politischer und gesellschaftlicher Stimmungslagen ist politische Bildung wichtiger denn je. Denn die politische Großwetterlage ist – national wie auch international – von Turbulenzen geprägt. Wir erleben weltweit, wie man mit unverblümter Fremdenfeindlichkeit und dem gezielten Einsatz von Fake News Menschen für sich gewinnen kann, dass politische Parteien, über deren Einstellung zur liberalen Demokratie man trefflich streiten kann, in Wahlen enorme Zugewinne erzielen. Das sollte uns zu denken geben. Denn unsere Vergangenheit lehrt uns ebenso wie der Blick über den Zaun, dass Demokratien häufig sukzessive, von vielen unbemerkt erodieren. Umso wichtiger ist es, auch und gerade junge Menschen von den Grundwerten der liberalen Demokratie zu überzeugen und ihnen ein Verständnis für die zunehmend komplexer werdenden politischen Zusammenhänge zu vermitteln.

Politische Bildung, insbesondere Demokratieerziehung ist somit ein Gebot der Stunde (…).

Als langjährige Lehrperson mit Lehrbefähigung in den Fächern Rechtskunde, Volkswirtschaftslehre und Finanzwissenschaften an verschiedenen Oberschulen und als Rechtsanwältin möchte ich mein Wissen und meine politischen Erfahrungen der letzten 10 Jahre in der Südtiroler Landesregierung und in der Regionalregierung – sofern gewünscht – den jungen Menschen im Rahmen eines guten Austausches, Diskussionsrunden und Vorträgen (natürlich unentgeltlich) zur Verfügung stellen. Mit lieben Grüßen und den besten Wünschen für das neue Schuljahr!“

Waltraud Deeg bietet sich (um nicht zu sagen: biedert sich) also den Südtiroler Mittel – und OberschuldirektorInnen an, den SchülerInnen die Welt zu erklären.

Nicht nur:

Weil den Direktorinnen vielleicht die Kreativität fehlt, liefert die SVP-Politikerin sogar noch eine PDF mit „Ideen und Vorschlägen für die Vorträge“ mit. Sie könnte, schreibt Deeg, sprechen über: „Wie funktioniert Demokratie?“ „Demokratie in der Krise?“ „Wie kann leistbares Wohnen gelingen?“ „Was ist das WoBi?“ „Südtirols Pflege- und Gesundheitswesen.“ „Wie entsteht ein Gesetz?“ „Südtiroler Autonomie.“

Dass viele dieser jungen Leute, denen Waltraud Deeg ganz uneigennützig und „natürlich unentgeltlich“ die Welt und die Demokratie erklären möchte, im Jahr 2028 zum ersten Mal an den Wahlen zum Südtiroler Landtag teilnehmen dürfen, ist sicher nur Zufall oder angenehmer Nebeneffekt.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (7)

Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen

Kommentar abgeben

Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.

2024 ® © Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH/Srl Impressum | Privacy Policy | Netiquette & Nutzerbedingungen | AGB | Privacy-Einstellungen

Nach oben scrollen