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Der Schachzug

Im Prozess zum sexuellen Übergriff in Kaiserau beantragt die Verteidigung ein verkürztes Verfahren. Ein geschickter Schachzug, um eine Einvernahme des mutmaßlichen Opfers zu erwirken.

von Thomas Vikoler

Die junge Frau, die außerhalb des Verhandlungssaales sitzt, beweist zweifellos Mut.

Es handelt sich um die 14-jährige Boznerin, die Ende Oktober einen sexuellen Übergriff in der Nähe des Bahnhofs in Kaiserau angezeigt hat. Im Gerichtssaal C findet die zweite Verhandlung im dazugehörigen Strafverfahren statt. Die Staatsanwaltschaft hat gegen einen 41-jährigen Pakistaner Anklage wegen erschwerter sexueller Gewalt erhoben, der Prozess findet – in Abwesenheit des weiter in U-Haft befindlichen Angeklagten – im Rahmen eines Schnellverfahrens statt.

Und hier taucht bereits die erste Frage auf, die sich Nicola Nettis, der Verteidiger des Mannes, stellt: Warum hat die Staatsanwaltschaft in diesem Strafverfahren nach dem „Roten Kodex“ ein Schnellverfahren beantragt? Eigentlich sieht das Procedere zum Schutz vor Gewalt an Frauen vor, dass erst einmal das mutmaßliche Opfer angehört wird.

Dies ist im Kaiserau-Verfahren, das wegen der zunächst vom „Alto Adige“ behaupteten Vergewaltigung heftige politische Reaktionen, ein großes Medienecho und Solidaritätsveranstaltungen nach sich zog, nachweislich nicht geschehen. Von der 14-Jährigen gibt es bisher allein eine Strafanzeige gegen Unbekannt gegenüber der Polizei. Darin berichtet sie, von dem Tatverdächtigen von hinten am Hals festgehalten und am Hintern begrapscht worden zu sein. Also keine Vergewaltigung im eigentlichen Sinne.

In der Verhandlung, an der die junge Frau nicht teilnimmt (aber ihre Anwältin Alessandra D‘ Ignazio), beantragt Verteidiger Nettis etwas überraschend ein verkürztes Verfahren. Der Grund dafür liegt in den Vorgaben der Strafprozessordnung – und dem Fehlen formellen einer Einvernahme des mutmaßlichen Opfers. Nachdem das Gericht in einem verkürzten Verfahren auf der Grundlage der derzeit vorliegenden Prozessakten entscheiden muss, müsste es dies im Anlassfall allein aufgrund der dürftigen Angaben der 14-Jährigen aus der Anzeige tun. Was speziell bei einem Fall von sexueller Gewalt widersinnig wäre.

Der Verteidiger will mit dem Antrag also erwirken, dass das Gericht unter Vorsitz von Walter Pelino (Beisitzer: Giulia Rossi und David Cognolato) auf der nächsten Verhandlung am kommenden Montag eine Einvernahme des mutmaßlichen Opfers anordnet.

Verteidiger Nettis arbeitet derweil an einer anderen Front. Er hat den Bozner Psychologen Claudio Fabricci angeheuert, der den Tatverdächtigen bereits im Gefängnis besucht hat. Dort stellte er fest, dass der 41-Jährige wegen eines schweren Verkehrsunfalles in Pakistan psychisch beeinträchtigt ist und offenbar Gedächtnisstörungen hat. An den Vorfall in Kaiserau erinnert er sich laut eigenen Angaben nicht. Um etwaige neurologische Defekte feststellen, soll der Beschuldigte diese Woche einer Computertomografie unterzogen werden. Der Verteidiger behält es sich vor, ein psychiatrisches Gutachten zur Klärung der Zurechnungsfähigkeit seines Mandanten zu stellen.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (3)

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  • carlotta

    Gibt’s die Lügendetektoren nimmer? Oder wir sell olm lai in die Filme?

    • heracleummantegazziani

      Der Einsatz von Polygraphen ist auch in der amerikanischen Rechtsprechung grundsätzlich nicht erlaubt, da die Vertrauenswürdigkeit der Resultate gegen Null tendiert. Nur wenn Anklage und Verteidigung zustimmen, kann ein Angeklagter einem solchen Test unterzogen werden. Absurd, aber USA eben.
      In Italien, aber eigentlich auch in ganz Europa, ist der Einsatz jedenfalls nicht erlaubt.

  • brutus

    …wegen eines schweren Verkehrsunfalles in Pakistan psychisch beeinträchtigt ist und offenbar Gedächtnisstörungen hat!

    …deshalb wird man zum Sexualstraftäter???
    …wieviel potenziel gefährliche Individuen müssten dann nach dieser Argumentation herumlaufen???

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