Stress & Überforderung
Die mentale Gesundheit wird auch in der Landwirtschaft immer mehr ein Thema, denn sie ist das Fundament für ein gutes Leben und ein erfolgreiches Arbeiten.
Wie die mentale Gesundheit gefördert werden kann und wie man gut durch schwierige Zeiten kommt, war unlängst Thema einer Fachtagung der bäuerlichen Organisationen in Partnerschaft mit der Landwirtschaftlichen Hauptgenossenschaft auf der Haselburg in Bozen.
Eine Mehrfachbelastung durch die Arbeit in der Landwirtschaft und im Nebenerwerb, dazu die Familie und Ehrenämter, Zeitdruck und oft eine nicht einfache, finanzielle Situation: Bäuerinnen und Bauern sind nicht selten mit Stress und Überforderung konfrontiert. Um dennoch seelisch gesund zu bleiben und schwierige Situationen gut zu meistern, sollte jede und jeder mehr auf sich achten.
„Dazu gehört, Prioritäten bei der Arbeit zu setzen und immer wieder Auszeiten einzuplanen, auch und gerade, wenn es viel Arbeit gibt“, riet die Psychologin Lisa Gamper, die selbst von einem Bergbauernhof in Ulten stammt und die Landwirtschaft daher gut kennt.
Ein weit verbreiteter Irrglaube ist, dass man an der eigenen Situation nichts ändern könne und Stress einfach zur Arbeit in der Landwirtschaft dazugehöre.
„Die Wahrheit ist, dass wir selbst sehr viel bewirken können. Oft sind es schon kleine Veränderungen in unserem Alltag, die große Veränderungen bewirken können, wie z. B. den Kopf freizubekommen und wieder Energie für die nächsten Aufgaben zu generieren.“
Diese Selbstfürsorge sei eines der besten Mittel für einen gesunden Geist. Ebenso wichtig sei es, Vertrauen in andere Menschen zu haben und Aufgaben auch mal abzugeben.
Über die Kraft der Gedanken sprach der Mentalcoach Valentin Piffrader und machte dies anhand einer Wanderung von Bruneck bis zur Ahrquelle deutlich. Um psychisch stark und widerstandsfähig zu sein, ist mentale Flexibilität wichtig, d. h. Gedanken, Gefühle und Verhalten wahrzunehmen, sich diese bewusst zu machen, um dann die richtigen Entscheidungen zu treffen. Wichtig ist dabei, achtsam zu sein. Mit einigen einfachen Übungen lässt sich die mentale Stärke trainieren. „Wir sollten mindestens einmal am Tag auf ein positives Erlebnis achten und diesen Moment genießen. Wer möchte, kann dieses Erlebnis auch aufschreiben oder jemandem erzählen.“
Wissenschaftliche Studien hätten zudem gezeigt, dass ein Dankbarkeits-Tagebuch, wo täglich aufgeschrieben wird, was am Tag gut war, ähnlich wirkt wie ein Medikament gegen eine psychische Störung. „Zur mentalen Gesundheit trägt auch bei, sich auf die Stärken zu konzentrieren und nicht auf die Schwächen.“
Hilfreich für die mentale Gesundheit ist zudem eine gute Organisation der Arbeit. „Wichtig ist, sich Ziele zu setzen, diese gut vorzubereiten und mit Begeisterung in Angriff zu nehmen. Dabei muss auch beachtet werden, dass nicht alles in unserem Einflussbereich liegt. Projekte können auch mal schiefgehen. Wir müssen lernen, das zu akzeptieren.“
Wenn die Belastung trotz allem zu hoch wird oder es Konflikte zwischen den Generationen am Hof oder in der Partnerschaft gibt, hilft die Lebensberatung für die bäuerliche Familie. „Gemeinsam mit freiwilligen Lebensberaterinnen und Lebensberatern werden Wege aus einem Konflikt gesucht“, erklärte Nicole Irsara, die Koordinatorin der Bäuerlichen Lebensberatung.
„Reden hilft, den Kopf frei zu bekommen, positiver auf eine schwierige Situation zu schauen und wieder Zuversicht zu gewinnen.“
Klar müsse sein, dass es am Hof nur dann gutgeht, wenn es der Bäuerin bzw. dem Bauern gutgeht. Das Angebot der Bäuerlichen Lebensberatung ist kostenlos.
Erste Hilfe für die Seele bei schweren Unfällen, plötzlichen Todesfällen oder weiteren akuten, schwierigen Situationen bietet die Notfallseelsorge des Weißen Kreuzes.
„Wir begleiten Menschen und zeigen ihnen den Weg in die neue Normalität“, berichtete Notfallseelsorgerin Alexandra Silvestri. Vor allem aber helfe die Notfallseelsorge, für sich einen Weg zu finden, um mit einer schwierigen Situation umzugehen. Fünf Elemente der Trauma-Intervention seien wichtig: „Wir fördern Sicherheit, Ruhe, Verbundenheit, Selbstwirksamkeit und kollektive Wirksamkeit und schenken wieder Hoffnung.“
Landesrat Luis Walcher dankte den bäuerlichen Organisationen und der Landwirtschaftlichen Hauptgenossenschaft für die Fachtagung. „Die mentale Gesundheit ist wichtig, denn seelische Störungen machen auch vor der Landwirtschaft nicht Halt. Bitte schaut auf euch, denn wenn es euch gutgeht, sind viele Probleme leichter zu bewältigen.“
Heidi Margesin, die Bezirksbäuerin des Burggrafenamtes, unterstrich, dass die mentale Gesundheit seit vielen Jahren ein wichtiges Thema der Südtiroler Bäuerinnenorganisation sei. Sie appellierte, gegenseitig auf sich zu schauen. Zudem gebe es in der bäuerlichen Welt ein starkes Netzwerk, auf das jeder bauen könne.
SBB-Landesobmann Daniel Gasser erinnerte, dass es neben der Bäuerlichen Lebensberatung auch den Bäuerlichen Notstandsfonds gebe, der ebenfalls in schwierigen Situationen helfend zur Seite stehe.
Auch Gasser appellierte, „auf die mentale Gesundheit zu achten, denn sie ist das Fundament für alles andere.“ Raffael Peer und Anna Knottner, Landesobmann und Landesleiterin der Südtiroler Bauernjugend, erinnerten, dass der Geist genauso wichtig sei wie der Körper. Gut gehe es Menschen nur dann, wenn beide gesund seien.
Die Landespräsidentin der Seniorenvereinigung im SBB, Theresia Agreiter Larcher, dankte allen bäuerlichen Organisationen für die Fachtagung. Es sei wichtig, dieses Thema gemeinsam stärker in den Mittelpunkt zu stellen.
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