„Es ist ein Rückschritt“
Walter Huber gilt als Vater der Wasserstoff-Initiative in Südtirol. Er kritisiert das Landesvorhaben, ein weiteres Wasserstoffzentrum in Bozen zu errichten, und findet, dass eine völlig falsche Richtung eingeschlagen wird.
von Christian Frank
20 Millionen Euro. Dieser Betrag soll laut dem Direktor der Landesabteilung Mobilität, Martin Vallazza, aus staatlichen Fördergeldern genommen werden, um in Bozen ein zweites Wasserstoffzentrum zu errichten. Das in aquamarinblau gehaltene Wasserstoffzentrum, das vor gut zehn Jahren an der Autobahnausfahrt in Bozen Süd in Betrieb ging, soll damit einen moderneren Ableger bekommen. Das bestehende sei, so heißt es, technologisch zu veraltet. Das führe zu Kosten, welche die Wettbewerbsfähigkeit nicht mehr gewährleisten. Tatsächlich kauft das Bauunternehmen Sasa bereits seit Jahren nicht mehr den heimischen Wasserstoff aus Bozen, sondern bezieht ihn aus Mantua. Dort soll er rund 11 Euro pro Kilogramm kosten, gegenüber den gut 20 Euro, die ein Kilogramm Wasserstoff hierzulande kostet.
„Es geht in die falsche Richtung“, urteilt Walter Huber jedoch harsch. Huber kann als Vater der Südtiroler Wasserstoffinitiative gesehen werden. Er war viele Jahre Präsident des Verwaltungsrats des Instituts für Innovative Technologien und damit federführend für den Aufbau der Wasserstoffkompetenz und der ersten Produktionsstätte in Bozen zuständig. Auch heute ist er als Mitgründer des Start-ups Hydrocell weiterhin um den Fortschritt der Wasserstofftechnologie bemüht. Huber sieht im Wasserstoff in erster Linie den von Anfang an beigemessenen Nutzen: eine ökologisch nachhaltige Alternative zu fossilen Treibstoffen zu sein. Deshalb widerstrebt ihm die Errichtung dieses neuen Wasserstoffzentrums.
„Es ist ein Rückschritt. Wir wollen nachhaltigen Fortschritt, leisten aber das Gegenteil“, so Huber. Der Grund dafür, so Huber, liege in der notwendigen Differenzierung zwischen den Wasserstofftypen. Während der sogenannte grüne Wasserstoff völlig klimaneutral aus nachhaltigen Energiequellen hergestellt werden kann, wird grauer Wasserstoff aus fossilen Brennstoffen wie Erdgas, Kohle oder Öl erzeugt und stößt somit CO2 aus. Dieser Umstand liegt laut Huber auch dem Preisunterschied zwischen der Produktionsstätte in Bozen und anderswo zugrunde.
„Natürlich ist grauer Wasserstoff günstiger, doch er ist nicht klimaneutral. In Bozen wird grüner Wasserstoff hergestellt“, erklärt Huber. Mit der neuen Produktionsstätte wolle man dem ökonomischen Druck nachgeben und ebenfalls grauen Wasserstoff produzieren – aus ökologischer und langfristiger Sicht für Huber ein Fehlschluss.
„Es ist eine Gretchenfrage. Will man mit dem umweltfreundlichen grünen Wasserstoff weiterfahren oder sich für den umweltschädlichen, aber wesentlich günstigeren grauen Wasserstoff entscheiden?“, so Huber und vergegenwärtigt die Situation Südtirols, „Wir haben in Südtirol haufenweise erneuerbare Energien, größtenteils Wasserkraft.“
Nun in ein Denkmuster zu verfallen, das nur darauf bedacht ist, den günstigsten Wasserstoff zu bekommen, um wirtschaftlich wettbewerbsfähig zu sein, ist falsch, findet Huber: „Dieses Vorgehen entspricht nicht der Richtung, die man einst einschlagen wollte. Wir sollten unserer Vorreiterrolle gerecht werden und den wahrhaft nachhaltigen Weg beschreiten.“
Die Signale vonseiten des Landes scheinen jedoch Hubers gewünschte Ambitionen zu konterkarieren. Neben der neuen Produktionsstätte wurde auch das Vorhaben, 150 der 400 Busse im Fuhrpark der Sasa von Diesel auf Wasserstoff umzurüsten, auf Eis gelegt. Dies geht aus der Antwort einer Landtagsanfrage des Team K an Mobilitätslandesrat Daniel Alfreider hervor.
Wasserstoff scheint nicht attraktiv genug. Kostenfaktoren und technische Belange schmälern den Anreiz. Huber will diesen Umstand nicht beschönigen, doch anstatt ökonomisch bedingte Schulterschlüsse einzugehen und nach Alternativen zu suchen, fordert er Investitionen: „Wenn wir uns den Haushalt anschauen, können wir behaupten, dass wir wahrlich kein armes Land sind. Deshalb stellt sich die Frage, ob man nicht mehr in die Forschung von Wasserstoff investieren sollte, um diese Technologie nachhaltig zukunftstauglich zu machen.“
Huber findet, dass in diesem Sinne auch nicht alle Kosten dem Endverbraucher angelastet werden sollten, sondern das Land einen Teil der Kostenlast übernehmen sollte, bis die Technologie ausgereifter und damit rentabler wird.
„In Brüssel gibt es zurzeit Bestrebungen, dass man Wasserstoff an der Tankstelle für acht Euro pro Kilo kaufen können sollte. Um diesen Preis für den Endverbraucher zu ermöglichen, müsste sich das Land finanziell beteiligen. Was hat denn das Land schon alles in Fotovoltaik investiert, um die Technologie erschwinglich zu machen? Warum nicht auch beim Wasserstoff?“, fragt sich Huber. Es ist ihm schleierhaft, warum man nicht den Mut fasst, diesen Weg zu bestreiten und führt diesen Umstand auf mangelnde Weitsicht zurück.
„Wenn man in die Zukunft denkt, muss man weiterdenken als nur bis zum nächsten Wochenende. Man muss jetzt anfangen, die Grundsteine für eine zukunftsfähige Nachhaltigkeit zu setzen“, moniert Huber. Ihm fehlen klare Maßnahmen für eine nachhaltige Zukunft, die doch angeblich von allen Seiten angestrebt wird, „Wir wollen in den nächsten 15 bis 25 Jahren nur noch mit erneuerbaren Energien fahren. Davon sind wir jedoch meilenweit entfernt und gehen mit solchen Entscheidungen sogar in die entgegengesetzte Richtung.“
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