Gegen Tabus
Mit „Lichter im Chaos“ und „(K)einen Ton sagen“ regt das Kino derzeit zu Gesprächen an, im Kinosaal und draußen.
Von Renate Mumelter
Depression
Das mutigste Projekt ist jenes von Fabian Zöggeler, der im Film „Lichter im Chaos. Junge Menschen, Depression und Wege zur Hoffnung“ vielstimmig davon erzählt, wie Depression sich anfühlt, wie es sich damit leben lässt und was für Wege heraus es geben kann.
Fabian Zöggeler weiß, wovon er spricht, und das merkt man dem Film an. Er schaut nicht nur zu sondern es ist ihm eine Herzenssache, das Thema mehr in die Öffentlichkeit zu bringen, weil es immer noch stark tabubesetzt ist – vor allem, wenn die Depression sich bei jungen Menschen zeigt. Aufforderungen wie „reiss dich zusammen“ sind noch an der Tagesordnung. Aber auch bei Erwachsenen stehen die wenigsten zu ihren Depressionen, depressiven Verstimmungen oder psychischen Störungen, weil die Zeit der Kommentare hinter vorgehaltener Hand immer noch nicht vorbei ist. Nur das Schlüsselwort Burnout ist gesellschaftsfähig, weil es offensichtlich besser zur Leistungsgesellschaft passt.
Fabian Zöggeler lässt junge Männer und Frauen und sich selbst über ihre Krankheit sprechen, und sie tun das alle mit bewundernswerter Offenheit.
Für „Lichter im Chaos. Junge Menschen, Depression und Wege zur Hoffnung“ gab es bei der Premiere in Bozen Standing Ovations. In Brixen, Meran und Bruneck war der Film bereits, am 5.11. Neumarkt, am 8.11. Sterzing, am 13.11. Schlanders. Im Anschluss wird mit den Betroffenen und mit Fachleuten gesprochen.
Sexueller Missbrauch
Tabuisiert ist auch das Thema sexueller Missbrauch. Seit #MeToo ist zwar in Zeitungsspalten, Büchern, Filmen davon die Rede, aber doch scheint alles weit weg.
2022 veröffentlichte die Psychotherapeutin Veronika Oberbichler gemeinsam mit Georg Lembergh das Buch „Wir brechen das Schweigen. Betroffene sprechen über sexuellen Missbrauch“, wo sie Betroffene anonymisiert zu Wort kommen lässt. Sie bietet auch nützliche Informationen zu Anlaufstellen, Therapiemöglichkeiten, gesetzlichen Bestimmungen.
Jetzt hat Georg Lembergh mit dem Film „(K)einen Ton sagen – Missbrauch in Nord- und Südtirol“ einen Film zum Thema gemacht. Er lässt Betroffene zu Wort kommen und versucht, gemeinsam mit ihnen über die Spätfolgen nachzudenken. Mit dabei ist auch Nicola Werdenigg, die ehemalige Skirennfahrerin, die in Misskredit geriet, weil sie erzählte, was ihr (und wohl nicht nur ihr) im österreichischen Skikader widerfahren ist. „Persona non Grata“ erzählt übrigens als Spielfilm davon.
Lemberghs Film schaut zu und er geht weit, wenn er beispielsweise erzählt, was der bis zuletzt geschützte Pfarrer von Telfs, Josef Patscheider, mit den Kindern aufgeführt hat. Das geht so ins Detail, dass das große Kotzen nur schwerlich zurückgehalten werden kann. Ob die detaillierten Beschreibungen sinnvoll sind, weiß ich nicht.
Lemberghs Film ist ein wichtiger Beitrag zu einer offeneren Gesellschaft, die sich nicht hinter Tabus versteckt. Premiere ist am 6. November im Filmclub Bozen. Dann: Brixen (25.11.), Neumarkt (26.11.), Schlanders (4.12.), Bruneck (5.12.), Sterzing (6.12.).
Bei jeder Vorstellung werden Regisseur und Betroffene dabei sein.
Der Film hat italienische Untertitel
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