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Beschränkte Affektkontrolle?

Bahnhof Kaiserau

Der 40-jährige Pakistaner, der für die Grapsch-Attacke in Kaiserau verantwortlich sein soll, spricht von einer affektiven Störung wegen eines Autounfalls.

von Thomas Vikoler

Er wurde infolge einer Falschmeldung in verschiedenen Medien als eine Art Sex-Monster dargestellt, der sich an einer 14-Jährigen eine Viertelstunde lang in den Büschen von Kaiserau verging. Dank einer Klarstellung seitens der Staatsanwaltschaft ist inzwischen bekannt, dass ihm zwar ein sexueller Übergriff (sexuelle Gewalt leichten Ausmaßes), nicht aber eine Vergewaltigung im eigentlichen Sinne vorgehalten wird.

Am Donnerstag erhielt der 40-jährige Pakistaner, der er kürzlich nach Bozen gezogen war – er lebte zuvor in Varese und Verona – im Gefängnis von Trient Besuch von seinem frisch ernannten Vertrauensanwalt Nicola Nettis.

Dieser wollte mit seinem Mandanten über den Vorfall am Freitag vergangener Woche in der Nähe des Bahnhofs Kaiserau sprechen, doch dies, so der Anwalt, sei nicht möglich gewesen.

Der U-Häftling habe vornehmlich über die Folgen eines schweren Verkehrsunfalls im Jahre 2008 in Pakistan berichtet: Ein Frontalzusammenstoß zweier Fahrzeuge, bei dem er schwer verletzt worden sei (mit zurückgebliebenen tiefen Narben im Gesicht). Er habe mehrere Monate im Koma verbracht, rund ein Jahr im Spital gelegen und seitdem Schwierigkeiten, sich an Dinge zu erinnern oder sie zu erfassen, aber auch Probleme mit der Affektkontrolle. Er begehe zuweilen, etwa bei der Arbeit, Handlungen, die er eigentlich nicht beabsichtigte.

Seit dem Unfall vor 16 Jahren sei er, so erklärte der Mann, schwer kognitiv beeinträchtigt.

Ein Wink für den Anwalt, der nun näher überprüfen lassen will, ob der 40-Jährige beim ihm zur Last gelegten sexuellen Übergriff überhaupt willens- und einsichtsfähig war. Theoretisch ein Fall für ein psychiatrisches Gutachten.

Über den Vorfall in Kaiserau selbst wurde beim Erstgespräch zwischen Auftraggeber und Anwalt laut Letzterem nicht gesprochen. Strafverteidiger Nettis sagt, dass er bisher keine Kenntnis über den Inhalt der Anklageakten habe und auch die Anklageschrift nicht kenne, welche die Staatsanwaltschaft in das Schnellverfahren einbrachte.

Der Vorwurf lautet auf erschwerte sexuelle Gewalt gegen eine Minderjährige. Bei der ersten Verhandlung vor einer Woche war der Festgenommene von einer Pflichtverteidigerin vertreten worden, in dieser Woche hat er Nettis zu seinem Vertrauensanwalt ernannt.

Die nächste Verhandlung im Schnellverfahren vor einem Senat unter Vorsitz von Richter Walter Pelino ist für den 18. November angesetzt. Am Landesgericht gab es Stimmen der Verwunderung über die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, den Fall von sexueller Gewalt in einem Schnellverfahren abzuhandeln, was für Verfahren zum Strafrechtsartikel 609bis tatsächlich unüblich ist.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (6)

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  • brutus

    …und wieder sucht man nach Ausreden!

  • robby

    Schlaues Bürschchen. Anstatt einer Verurteilung möchte er wohl eine Pension auf Staatskosten.

  • wm

    ich weiss wo das alles hinführt, aber ich hab schon lange den Glauben an die Jusitz verloren. Bestraft werden immer nur die ehrlichen

  • speedfire100

    Mich überrascht immer wieder mit welchen fadenscheinigen Argumente versucht wird, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen! Dazu braucht es wirklich sehr viel Fantasie…..

  • andreas1234567

    Hallo zum Abend,

    der Anwalt macht halt seine Arbeit.
    Ob aber ein Autounfall in Pakistan vor 16 Jahren dafür herhalten kann damit der Traumatisierte eine Minderjährige 15 Minuten in die Büsche zerren und begrabschen darf halte ich für eine gewagte These für einen Freispruch.
    Weil dann kannst du praktisch generell jeden Lustmolch von der Strafe freistellen, irgendeinen Seelenknick wird es immer geben, was weiss ich, eine Nacht als Achtjähriger ohne Teddybär, der Lieblingshund wurde überfahren oder der letzte Schokopudding hat nicht geschmeckt.

    Ist komplett albern, der hat das Mädchen in die Büsche gezogen und dann nicht gekonnt was er wollte.
    Das ist als versuchte Vergewaltigung abzuurteilen und nicht als „huch, da war er aber schockiert/traumatisiert und paralysiert, braucht er wohl eine Therapie und einen Schutzraum in einem heilpädagogischem Zentrum“

    Alles andere als „versuchte Vergewaltigung einer Minderjährigen“ ist Opferverarsche

    Besser kein Wiedersehen an dunklen Bahnsteigen wenn sich andere Meinungen durchsetzen

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