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„Es gibt auch Sorgen“

Foto: Lpa

Den Interessierten die Tätigkeit näherbringen: Dies ist das Ziel am Landeshubertustag in Brixen. Benedikt Terzer, Geschäftsführer im Jagdverband, über die Sorgen der Jäger.

Tageszeitung: Herr Terzer, am Samstag findet in Brixen erstmals der Landeshubertustag statt…

Benedikt Terzer: Es ist eine Premiere. Wir wollten sozusagen einen Tag der offenen Tür organisieren und den Interessierten die Tätigkeit der Jäger näherbringen. Der organisatorische Aufwand ist enorm. Es geht aber nichts über den persönlichen Kontakt zu den Menschen. Die Jagd ist ja nur ein Teil unserer Tätigkeit: Der Jäger ist ganzjährig im Einsatz: Am Anfang des Jahres konzentrieren wir uns auf die Verbesserung des Lebensraumes und auf Sensibilisierungsmaßnahmen für das Wild im Winter. Im Frühsommer erfolgt die Kitzrettung. Auch die Erfüllung der behördlich vorgeschriebenen Abschusspläne ist eine wichtige Aufgabe. Außerdem muss die Jägerschaft bei Wildunfällen ausrücken. Auch die Jagdaufsicht ist ein Thema. Zum großen Unterschied zum restlichen Mitteleuropa darf in Südtirol jeder Jäger in seiner Heimatgemeinde zur Jagd gehen, andernorts entscheidet die Dicke der Brieftasche.

Ist den Jägern ausschließlich zum Feiern zumute?

Sicher gibt es auch Sorgen: Grundsätzlich findet immer mehr eine Entfremdung der Gesellschaft von der Natur statt. Das Verständnis für die Natur, die Wildtiere, aber auch für die Realität der Landbevölkerung nimmt ab. Laut Studien werden im Jahr 2050 über 70 Prozent der Menschen weltweit in Städten leben. Dies wird sicher eine große Herausforderung. Je weiter weg die Menschen vom Leben auf dem Land sind, umso weniger identifizieren sie sich mit den Gegebenheiten und Bedürfnissen der ländlichen Bevölkerung. Ein weiteres Thema: der Klimawandel. Er bereitet auch der Jägerschaft Sorgen. Er begünstigt verschiedene Parasiten. Die Zecken beispielsweise kommen mittlerweile auch in hohen Lagen vor und auch die Waldgrenze verschiebt sich immer weiter nach oben. Es gibt viele Tierarten, die sich mit den steigenden Temperaturen schwertun: Gamswild und Steinwild zum Beispiel bevorzugen kühlere Verhältnisse. Auch das geschützte Auerhuhn muss immer weiter nach oben rücken, um geeignete Lebensräume zu finden, aber irgendwann ist auch der Berg zu Ende. Daher gibt es Entwicklungen, die wir mit einer gewissen Sorge zur Kenntnis nehmen.

Das Problem, dass die Jäger die Abschusspläne nicht einhalten können…

Eine Herausforderung, die sich jedes Jahr aufs Neue stellt. Laut Landesgesetz müssen wir ein Gleichgewicht schaffen zwischen Wildtierbeständen und Lebensraum. Jedes Jahr sind aber die Bedingungen anders. Die Abschusspläne wurden in den letzten Jahren auch etwas angepasst, je nach Wildart sind sie unterschiedlich umzusetzen. Das Rotwild zum Beispiel ist hochintelligent, es passt sich dem zunehmenden Jagddruck an und ändert sein Verhalten. Darauf muss mit entsprechenden Jagdstrategien reagiert werden und wir haben uns auch schon professionelle Hilfe von einem Schweizer Experten geholt.

Wie sieht es mit dem Konflikt mit dem Amt für Jagd und Fischerei und den Gerichtsverfahren aus?

Drei der vier Verfahren sind abgeschlossen, eines ist noch am Landesgericht anhängig. Wie gesagt: Die ganze Geschichte hat gezeigt, dass Strafen nicht der geeignete Weg sind, um das Problem in den Griff zu bekommen. Im Gegenteil: Es geht nur, wenn alle gemeinsam – die Jägerschaft, die Landwirtschaft, die Forstwirtschaft – an einem Strang ziehen. Mittlerweile haben wir auch neue Akteure, die einen Einfluss ausüben: Der Wolf beispielsweise macht alles nicht leichter. Mit der Anwesenheit des Wolfes ändern auch Reh und Hirsch ihr Verhalten – und das sind neue Herausforderungen, die wir angehen müssen.

Apropos Wolf: Welchen Druck spürt die Jägerschaft?

Die Jägerschaft kann laut aktueller gesetzlicher Lage keine Abhilfe leisten, wenn das Problem auch noch so akut und gefühlt ist. In Italien haben wir ein Spezifikum – es sind die extremsten Bewegungen am Werk. In Österreich, Italien, Frankreich, Slowenien usw. ist die Lage entspannter, dort sind kaum solche radikalen Bewegungen und Stimmungen wahrnehmbar. Diese Gruppierungen schaffen es immer wieder, die Maßnahmen der Politik außer Kraft zu setzen. Daher ist es schwierig, hier weiterzukommen, wobei zu sagen ist, dass bei uns die Angehörigen des Forstkorps mit der Entnahme des Wolfes betraut werden, sofern es irgendwann soweit kommen sollte.

Spüren die Jäger den Druck?

Unterschiedlich: Wir sind an das Gesetz gebunden und nur bei einem minimalen Fehltritt ist der Jagdwaffenpass weg. Aber die Jäger saßen immer schon zwischen den Stühlen: Es gab immer schon die einen, die sagen, die Jäger tun zu wenig, und die anderen, laut derer die Jagd ganz abgeschafft werden soll.

Wie viele Jäger:innen gibt es in Südtirol?

Rund 6.000. Die Anzahl der Jägerinnen ist stark im Steigen. Wir sind in Italien die einzige Provinz, die seit 20 Jahren konstante Jägerzahlen hat. In Italien indes ist die Jagd stark im Rückgang begriffen. 1980 gab es noch über zwei Millionen Jäger in Italien, heute sind es noch 600.000. In Deutschland ist die Jägerschaft hingegen stark im Steigen begriffen, wobei sie dort nicht sozial gerecht ist.

Wie vielen Jägern wird jährlich die Jagderlaubnis von der Quästur entzogen?

Sehr wenigen, die man in der Regel an einer Hand abzählen kann.

Interview: Erna Egger

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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