Du befindest dich hier: Home » News » Schlechtes Zeugnis

Schlechtes Zeugnis

Die neue Landesregierung hat nach nur einem Jahr ihren Kredit bei den Wählern verspielt. Die STF ist dank Ausländerpolitik, TikTok und „Volks-LH“ Sven Knoll auf der Überholspur.

von Matthias Kofler

In der Landesregierung versucht man, die prekäre Lage mit Galgenhumor zu nehmen: „Von den Werten der Ampel-Koalition in Deutschland sind wir zum Glück weit entfernt“, scherzt ein SVP-Vertreter. Im Vergleich zu Olaf Scholz’ Kabinett, mit dem nur noch 20 Prozent der Wähler zufrieden sind, scheinen die Werte des Teams Kompatscher 3 noch moderat. Dennoch sind die Rückmeldungen aus der Bevölkerung alarmierend. Nach weniger als einem Jahr im Amt hat die neue Regierung den Rückhalt bei den Bürgern stark verloren. Nur fünf Prozent der Südtiroler sind mit der Arbeit der Exekutive sehr zufrieden, während 39 Prozent immerhin „eher zufrieden“ sind. Enttäuschende 52 Prozent – also mehr als die Hälfte – bewerten die Regierungsarbeit hingegen als schlecht bis sehr schlecht. Diese Zahlen sind vergleichbar mit den Werten am Ende der Vorgängerregierung, die von den Wählern nach den Landtagswahlen vor einem Jahr in den Ruhestand geschickt wurde, und übertreffen sogar die Unzufriedenheit während der Hochphase der Corona-Pandemie.

Tatsache ist: Die Landesregierung hat sich bislang weder mit großen Erfolgen noch mit schwerwiegenden Fehlern hervorgetan, obwohl bereits 20 Prozent der Amtsperiode verstrichen sind. Nach einer langwierigen Regierungsbildung von Oktober bis Februar brauchte es zusätzliche Zeit, bis sich die neuen Landesrätinnen und -räte eingearbeitet hatten. Kaum angelaufen, wurde die Arbeit jedoch durch die Sommerpause wieder ausgebremst. Die kommenden Monate werden zeigen, ob die Regierung nun mit konkreten Ergebnissen überzeugen kann, etwa beim Wohnpaket, den Lohnerhöhungen im öffentlichen Dienst und dem Autonomie-Ausbau. Letztere wird vor allem mit Landeshauptmann Arno Kompatscher assoziiert, dessen Beliebtheit ebenfalls empfindlich gesunken ist. Nur 56 Prozent der Befragten sind „sehr oder mäßig“ zufrieden mit seiner Arbeit. Bei den früheren SWZ-Politbarometern lag dieser Wert konstant zwischen 62 und 70 Prozent.

Apollis-Chef Hermann Atz führt die schlechten Werte des LH darauf zurück, dass Kompatscher bei der Regierungsbildung nicht als durchsetzungsstark wahrgenommen wurde und sich selbst als „Opfer der Umstände“ dargestellt habe. „Das kommt nicht gut an“, erklärt der Meinungsforscher. Die größten Kritiker kommen jedoch aus dem Lager der Selbständigen, von denen nur 33 Prozent die Arbeit der Regierung positiv bewerten. Ein Blick auf die aktuellen Werte der einzelnen Parteien zeigt: Die SVP liegt in der Sonntagsfrage bei 34 Prozent – ein kaum nennenswerter Rückgang gegenüber den 34,5 Prozent der Landtagswahlen 2023. Tatsächlich haben die großen Hoffnungsträger der SVP – Hubert Messner, Luis Walcher, Peter Brunner und Rosmarie Pamer – den Schwung aus den Wahlen nicht in die alltägliche Regierungsarbeit mitnehmen können. Oppositionspolitikerin Maria Elisabeth Rieder ist wenig überrascht: Auch die „Erneuerer“ blieben in dem engen Korsett gefangen, das schon der SVP-Lega-Regierung zu schaffen gemacht hat. „Von Rosmarie Pamer kamen bislang nur Ankündigungen und schöne Worte, aber keine konkreten Taten: Sie macht da weiter, wo Waltraud Deeg aufgehört hat.“

Während die Landesregierung unter den schlechten Umfragewerten leidet, kann vor allem eine Partei davon profitieren: die Süd-Tiroler Freiheit. Die Bewegung von Sven Knoll, der sich selbst als „Landeshauptmann der Herzen“ bezeichnet, verzeichnet mit 14 Prozent einen klaren Aufwärtstrend und könnte ihre Sitze im Landtag von drei auf vier erhöhen. Besonders punkten kann die STF mit ihrer strikten Ausländerpolitik und dem scharfen Kurs gegen Kompatscher. Obwohl die Landesregierung versucht, nach rechts abzubiegen und einen härteren Kurs gegen gewaltbereite Ausländer einzulegen (Stichwort: Sheriff Ulli), ziehen es die Wähler vor, Knoll und seiner Bewegung zu folgen – nach dem Motto: „Wir gehen gleich zum Schmied und nicht zum Schmiedl.“ Die STF zelebriert an diesem Wochenende auf der Landesversammlung auf Schloss Maretsch sich selbst: Mit 5.560 Mitgliedern liegt sie nicht nur weit vor allen anderen Parteien, außer der SVP, sondern wird mittlerweile auch als zweitstärkste Kraft im Land angesehen. Knolls neuestes TikTok-Video, in dem er Kompatscher vorwirft, nur zu schweigen, während Alessandro Urzì, „der größte Feind der Südtirol-Autonomie“, in Rom am Verhandlungstisch sitzt, enthüllt das Erfolgsgeheimnis der STF. So stellt er provokant die Frage: „Würdet ihr einem Hund vertrauen, auf euer Schnitzel aufzupassen?“ Keine andere Partei in Südtirol ist so stark in den sozialen Netzwerken vertreten wie die STF, die damit auch ein jüngeres Publikum anspricht. Zudem zieht sie mit ihrer klaren Anti-Kompatscher-Linie vor allem jene an, die mit der SVP unzufrieden sind.

Werner Thaler, STF-Sprecher für Gemeindepolitik, betont: „Die erfreulichen Umfragewerte zeigen klar, dass unsere Linie bei den Wählern ankommt und motivieren uns weiter. Wir wollen bei den Gemeindewahlen 2025 eine Alternative zur SVP anbieten.“ Die Grünen hingegen können mit 12 Prozent einen Zuwachs von drei Punkten im Vergleich zu den Landtagswahlen verbuchen und sich somit einen zusätzlichen Sitz sichern. „Das zeigt, dass wir gute Arbeit leisten“, freut sich Fraktionschefin Brigitte Foppa. Der positive Trend, der sich bereits bei den Landtags- und den EU-Wahlen im Sommer abzeichnete, steht im Gegensatz zu den Entwicklungen in Deutschland und Österreich. Das Team K um Paul Köllensperger stagniert weiterhin bei 11 Prozent und kann aktuell nicht an frühere Erfolge anknüpfen. Die Freiheitlichen hingegen sinken gegenüber 2023 auf 4 Prozent und würden damit den zweiten Sitz im Landtag, derzeit von Ex-Obmann Andreas Leiter Reber besetzt, einbüßen. Die Liste Vita von Renate Holzeisen, die bei den Landtagswahlen auf 2,6 Prozent kam, baut auf 4 Prozent aus. Das Sex-Appeal von Jürgen Wirth Anderlan zieht dagegen nicht mehr so recht: Die Liste JWA sackt von 5,9 auf 3 Prozent ein, was Andreas Colli seinen Hut kosten würde. Alle anderen Parteien bleiben unverändert. Die aktuelle Fünfer-Koalition würde mit 18 Sitzen knapp die absolute Mehrheit im Hohen Haus verteidigen.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (2)

Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen

  • opa1950

    Wen wunderts, 1 Jahr und Null Leistung. Keine positiven Ergebnisse,aber dafür fleißig abkassiert.

  • ummagumma

    Die Südtiroler Politik ist tatsächlich unterirdisch und das liegt mit unter daran, dass eine nicht mehr glaubwürdige, extremst von Lobbyisten diktierte Partei sich nicht aus den Fängen der Macht befreien kann. ( Wer die Politik und speziell das Geschehen in Bruneck und um den Kronplatz beobachtet beobachtet, wie sich diverse Gesellschaften alles unter den Nagel reißen, sollte höchst alamiert sein!)

    Über Stauder, den „Alleszubetonierer“ Brunner, LH – Retter Messner oder gar Parmer braucht man wirklich keine Worte verlieren. Alle ticken sie gleich, alle schwingen sie dieselben Parolen, dabei schön die Hände zum Gebet gefaltet ums Volk zu einzuschwören, und alle sagen unheimlich viel und dann doch wieder nichts!

    Man kann tatsächlich nur hoffen dass die STF , von der ich in all den Jahen nie überzeugt war doch noch der große Coup gelingt und das Team K. wieder zur alten Stärke zurückfindet…………wenn nicht sogar mehr!

Kommentar abgeben

Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.

2024 ® © Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH/Srl Impressum | Privacy Policy | Netiquette & Nutzerbedingungen | AGB | Privacy-Einstellungen

Nach oben scrollen