Wenig Menge, hohe Qualität
Die Traubenernte in Südtirol ist weitgehend eingebracht. Die Aussichten sind trotz des herausfordernden Jahrs und niedrigeren Erntemengen durchaus positiv.
So vielversprechend der Blick nach vorn auch ist: Der Blick zurück auf das Weinbaujahr fällt in allen Südtiroler Weinbaugebieten mehr als verhalten aus. „2024 war im Weinbau durchwegs ein sehr schwieriges Jahr“, sagt etwa Michael Dezini, Kellermeister von Weinkellerei & Weingüter Josef Brigl in Eppan.
Sorgen habe etwa ein sehr feuchter Frühling und Frühsommer mit viel Regen zu Vegetationsbeginn und vor allem in der Blüte bereitet. „Es war ein sehr intensives Jahr, das viel Aufmerksamkeit und engmaschige Kontrollen sowie genaueste Arbeit im Weinberg erforderte“, so Elisabeth Gottardi vom gleichnamigen Weingut in Mazon/Neumarkt. Zusätzliche Arbeit bescherte auch die Hitze im Juli und August. Diese habe die Winzer vor die Herausforderung gestellt, die Reben ausreichend mit Wasser zu versorgen und zugleich die Qualität des Leseguts zu sichern, erklärt Stefan Doná, Kellermeister der Kellerei Eisacktal. „Besonders in steileren Lagen des Eisacktals war die Trockenheit spürbar, dennoch konnten die Reben aufgrund tiefer Wurzelsysteme größtenteils gut mit den Bedingungen umgehen“, so Doná.
Auch Erwin Carli, Kellermeister der Kellerei Kurtatsch, weist auf die Mehrarbeit hin, die durch die Feuchtigkeit zuerst und Hitze und Trockenheit danach in den Weinbergen angefallen sei: „Durch das stärkere Wachstum gab es einen größeren Aufwand bei der Laubarbeit und gegen Ende hin musste man aufpassen, dass die Trauben durch die Hitze nicht verbrannt wurden“, so Carli.
2024 hat den Weinbäuerinnen und -bauern also alles abverlangt. „Die Arbeit im Weinberg war intensiv, die Aufmerksamkeit für Details entscheidend“, so Stefan Doná. „Vor allem der Umgang mit den Wetterextremen, die Lenkung des Reifeprozesses und der richtige Zeitpunkt der Lese verlangten Fingerspitzengefühl.“ Letzterer lag in diesem Jahr im langfristigen Durchschnitt, in den einzelnen Anbaugebieten wich er meist nur wenige Tage von anderen, „normalen“ Jahren ab.
Was die Lese 2024 trotzdem zu einer besonderen gemacht hat, war die Tatsache, dass viele Sorten – früh- wie spätreifende, in höheren wie in niedrigeren Lagen – in diesem Jahr ihre optimale Reife nahezu zeitgleich erreichten und damit parallel geerntet werden mussten, was die Winzer in vielen Anbaugebieten vor logistische Herausforderungen stellte.
Auch wenn die Bedingungen das Weinbaujahr demnach zu einem überaus schwierigen gemacht haben, lässt die Qualität der geernteten Trauben doch hoffen. „Die physiologische Reife wurde perfekt erreicht, die pH-, Säure und Zuckerwerte stimmten und die Trauben waren sehr gesund“, sagt etwa Elisabeth Gottardi. Ihr Kollege Michael Dezini hebt dabei vor allem die Qualität der weißen Rebsorten hervor: „Sie haben sich sehr gut präsentiert, vor allem Weißburgunder, Pinot Grigio und Sauvignon.“
Auch Erwin Carli spricht von „einem guten Jahr“ für die Weißweinsorten. Dieses hängt – so kurios es klingt – auch mit den schwierigen Witterungsbedingungen zusammen, wie Stefan Doná erklärt: „Die Trauben zeigten sich in diesem Jahr kleiner, aber hochkonzentriert, wir erwarten eine geringere Menge, aber exzellente Qualitäten.“
Die von Doná angesprochenen geringeren Erntemengen ziehen sich durch alle Anbaugebiete und Rebsorten. Gründe dafür gibt es mehrere. So verweist Elisabeth Gottardi darauf, dass die Blüte zum Teil verrieselt sei, also mehr Blüten abgestoßen wurden (und damit nicht zu Beeren werden konnten) als in anderen Jahren. Der Ertrag – vor allem bei den Burgundersorten – ist dadurch niedriger ausgefallen, wie Erwin Carli erklärt.
Besonders bei Pinot Grigio, Sauvignon und Gewürztraminer habe es starke Ertragseinbußen gegeben, so Michael Dezini, der ergänzt: „Quantitativ hatten wir auch bei allen Rotweinsorten Einbußen, vor allem aber bei Lagrein und Blauburgunder.“ In der renommierten Blauburgunder-Lage von Mazon beziffert Elisabeth Gottardi das Minus mit rund einem Viertel im Vergleich zu den beiden Vorjahren.
Trotz eines schwierigen Weinbaujahrs und geringeren Erntemengen sind sich die vier jungen Kellermeister aus allen Südtiroler Anbaugebieten beim Blick voraus auf den Jahrgang 2024 doch einig: Es ist, so ihr Fazit, ein vielversprechender. „Bei den Weißweinen deutet alles darauf hin, dass es ein klassischer Jahrgang mit fruchtigen und sortentypischen Weinen sein wird“, sagt dazu etwa Erwin Carli, Kellermeister der Kellerei Kurtatsch, der allerdings auch anführt: „Für eine detaillierte Einschätzung ist es noch zu früh.“
Stefan Doná erwartet für sein Eisacktal aufgrund von Aromatik und Säurestruktur der Weißweine einen „außergewöhnlichen Jahrgang, der durch Frische, Mineralität und intensive Aromen überzeugt“. Dabei hätten besonders Sylvaner, Kerner und Sauvignon Blanc von den kühleren Nachttemperaturen im Herbst profitiert, die den Weinen eine feine Säure und klare Frucht verliehen hätten.
Auch Michael Dezini kann dem Weißweinjahrgang bereits jetzt einiges abgewinnen: „Die Weißweine 2024 charakterisieren sich durch eine schöne Frische und eine ausgeprägte Frucht“, so Dezini. Sein Fazit zum Rotwein fällt zwiespältiger aus, auch wenn es noch zu früh sei, ein abschließendes Urteil abzugeben. Der Vernatsch sei „eher schwierig“ gewesen, der Lagrein mache schon jetzt eine tolle Figur, am besten abgeschnitten habe aber der Blauburgunder. Letzteres bestätigt auch Elisabeth Gottardi, die den Blauburgunder 2024 als „sehr balanciert“ beschreibt und ihm „Frische, Eleganz mit Tiefgang und ein langes Lagerpotenzial“ zuschreibt.
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