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„Nackte Angst“

Die Goethe-Schule in Bozen (Foto: Goethe-Schule)

Die Stimmung im Südtiroler Bildungsbereich ist leider nicht gut – wie ein verzweifelter Hilferuf einer Südtiroler Lehrerin belegt.

von Artur Oberhofer

Nennen wir sie Vera.

Vera ist eine in Südtirol tätige Lehrperson, die ihren Unmut gerne öffentlich artikulieren möchte. Sich aber nicht traut. Traurig, aber wahr: In Südtirol haben LehrerInnen, die ihren Schülern (unter anderem auch) Zivilcourage beibringen oder/und vorleben sollten, Angst, öffentlich aufzutreten.

Also wirft man den Stein – und versteckt die Hand.

Schade.

Vera hat der TAGESZEITUNG einen Meinungsbeitrag zukommen lassen, den wir gerne veröffentlichen. Weil interessant. Und weil wir finden, dass es wichtig ist, dass Schulthemen nicht wahltaktisch oder politisch ausgeschlachtet werden, sondern dass die „Adetti ai lavori“, wie man so schön auf Deutsch sagt, zu Wort kommen.

Wir haben Vera gefragt, warum sie ihren Beitrag nicht zeichnen will.

Sie begründet dies so:

„Die Lehrpersonen in Südtirol sehen sich leider dazu genötigt, die aktuellen vom Schulamt herbeigeführten und befürworteten Zustände unter dem Deckmantel der Anonymität zu kritisieren, um uns nicht hilflos den destruktiven Repressalien und die Lage verkennenden Disziplinarmaßnahmen der Schulamtsträger auszusetzen. Nackte Angst motiviert uns dazu, unsere Meinung nicht offen kundzutun, Vertrauen zum Schulamt ist bedauerlicherweise gar keines mehr gegeben! Daher fordern wir, was uns unausweichlich scheint: Rücktritte und ein Neuanfang. Dieser Artikel spricht einer Vielzahl von Lehrpersonen aus der Seele!“

Und das ist der Meinungsbeitrag dieser Südtiroler Lehrerin, deren Namen der Redaktion natürlich bekannt ist:

„Nicht wenige Menschen in unserem Land scheinen die Schulamtsträger satt zu haben, weil sie bezweifeln, dass diese noch den Anforderungen ihres Amtes genügen.
Offenbar vom Wunsch nach einem funktionalen und zielführenden Betrieb veranlasst, lenken sie den Blick im Bildungsdiskurs auf die Frage, ob der ungünstige Fall eingetreten sein könnte, dass die Schulamtsträger selbst Teil des Problems ,Schule‘ geworden sind: Könnten bestimmte Netzwerkverhältnisse sowie bildungspolitische Interessen eine Institutionalisierung dessen bedingen, dass ausschließlich die Meinung der Schulamtsträger zählt, die sich ob des Wegfalls konstruktiv-kritischer Gegenstimmen in ihrer verzerrten Perspektive maßlos selbst überschätzen? Welcher ist der Grund dafür, dass die Schulamtsträger auf keine anderen Mittel zurückgreifen, um ,Schule’ innovativ zu gestalten, als harsch empfundene Kritik an Lehrpersonen und Direktoren, die nicht in ihrem Sinne handeln, Disziplinarmaßnahmen, verhängte Supervisionen und Förderung von Mobbing?
Dass ,Schule und Kultur‘ in Südtirol, d.h. tragende Säulen unserer Gesellschaft, vom Schulamt offenbar zum Scheitern verurteilt werden, suggeriert das folgende Beispiel: Jede Lehrperson kann auf Basis ihrer Erfahrung sagen, dass einer Schulklasse nicht mehr als ca. 30% Migrantenanteil zuträglich ist, sofern man von ,Inklusion‘ sprechen möchte. Doch diese Expertenmeinung wird von einem Schulamt, dessen Kompetenzen fraglich scheinen, aus bestimmten Gründen nicht anerkannt.
Das Schulamt scheint zu befürworten, dass deutschsprachige Schüler und Schülerinnen unter zu hohem Migrantenanteil in dem Sinne, dass sie in ihrer ,Muttersprache Deutsch‘ ausgebremst werden, leiden sollen.

Warum?

Das Schulamt hat offenbar kein Problem mit der von den Lehrpersonen des Landes bezeugbaren Tatsache, dass das Leistungsniveau in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken ist, und zwar in der Grund-, Mittel- und Oberstufe.

Warum?

Die mögliche Situation eines institutionalisierten Meinungsmonopols der Schulamtsträger sowie das unbestreitbar existente Bestreben, andere Stimmen im Bildungsdiskurs zum Schweigen zu bringen, legen die Dringlichkeit nahe, die Schulamtsträger zur Reflexion des eigenen Handelns anzuregen sowie die Qualität ihrer eigenen professionellen Arbeit zu überprüfen. Hier könnte eventuell eine berufliche Beratung hilfreich sein, denn es hat bedauerlicherweise den Anschein, dass die Schulamtsträger unzureichende Kompetenzen für ein Amt mitbringen, dessen Wichtigkeit jedem klar sein dürfte. In anderen Ländern führt ein solcher Befund für gewöhnlich zum freiwilligen Rücktritt des inkompetenten Personals. Dort scheint man die Konsequenzen ziehen zu können bzw. das Feld räumen zu wollen, ehe der Peinlichkeitspegel für die Verantwortlichen zu hoch steigt.
Sehr geehrter Herr Landeshauptmann Kompatscher, greifen Sie doch bitte endlich ein! Lange schon hat es zwölf Uhr geschlagen! Bitte befürworten und beaufsichtigen Sie zum Wohle der Kinder – künftiger Wähler und Wählerinnen! – die Berufung fähiger Schulamtsträger, die dem Ansinnen ,Schule‘ und ihrer Verantwortung auch gerecht werden können! Bitte helfen Sie den im Bildungsdiskurs Marginalisierten, denen auch unabhängig von den persönlichen Interessen an unseren Schulen gelegen ist, ihre
Stimme ertönen zu lassen!“

 

 

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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