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„Ein wertvolles Angebot“

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Die Tiroler Landesregierung hat die Sexualassistenz für Menschen mit Behinderung legalisiert. Warum es das Modell auch in Südtirol braucht, es aber nicht möglich ist.

von Markus Rufin

In vielen Bereichen wird heute offen über Sex gesprochen. Das ist natürlich ein großer Fortschritt, doch in anderen Bereichen handelt es sich nach wie vor um ein großes Tabuthema. So auch bei Menschen mit Behinderung. Häufig wird um die Sexualität von Behinderten ein großer Bogen gemacht, dabei ist es klar, dass auch sie ein Bedürfnis nach körperlicher Nähe haben. Aufgrund ihrer körperlichen oder geistigen Beeinträchtigung ist es ihnen aber häufig schlicht nicht möglich dieses Bedürfnis zu erfüllen.

In einigen Ländern gibt es aber Modelle, die es Menschen mit Behinderung ermöglichen, Erotik und sexuelle Nähe zu erleben: die aktive Sexualassistenz beziehungsweise Sexualbegleitung. Es handelt sich zumeist um speziell ausgebildete Fachkräfte, die – gegen Bezahlung – Menschen mit Behinderung körperliche Nähe schenken. Gesetzlich gesehen handelt es sich hierbei um Prostitution.

Aus diesem Grund ist die Sexualassistenz in Südtirol derzeit auch verboten, weiß die Sexualpädagogin Silvia Clignon: „Die Lage in Südtirol ist dieselbe wie in Italien. Jegliche Unterstützung der Prostitution ist illegal, dementsprechend ist auch die Sexualassistenz unter den aktuellen gesetzlichen Bestimmungen nicht möglich.“

Doch nicht in allen Ländern sind die Gesetze so streng wie in Italien. In Österreich liegt die Zuständigkeit in diesem Bereich bei den Bundesländern. In einigen Bundesländern ist die Sexualassistenz bereits möglich, nun wurde sie auch in Tirol legalisiert. Bis dato war es Menschen mit Behinderung nur in Bordellen möglich, straffrei sexuelle Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Mit der nun erfolgten Änderung des Landespolizeigesetzes dürfen die Sexualbegleiter und -begleiterinnen auch in privaten Räumen oder in Pflegeeinrichtungen arbeiten, vorausgesetzt es handelt sich um Menschen mit Behinderung. Um sicherzustellen, dass mit den neuen Bestimmungen nicht insgeheim Prostitution gefördert wird, müssen sich die Sexualbegleiter in ihrer Heimatgemeinde registrieren.

Die Forderung nach der Legalisierung des Modells stellten sowohl Politiker als auch diverse Organisationen des Öfteren, weshalb letztendlich auch die Änderung erfolgte.

In Südtirol wird das Thema hingegen weitestgehend nicht behandelt. Einige öffentliche Forderungen gab es aber doch. So erstellten mehrere Fachleute 2017 unter Koordination der Lebenshilfe das Positionspapier „Sexualität und Beeinträchtigung“. An diesem Papier hat auch Clignon mitgearbeitet.

Sie bestätigt, dass es auch in Italien Versuche gibt, die Sexualassistenz zu legalisieren. Einfach sei dies allerdings nicht: „In Bologna gibt es zum Beispiel Menschen, die sich Lovegiver nennen und versucht haben, eine Ausbildung für Sexualassistenz zu starten.“ Zwar erlanget das Komitee nationale Bekanntheit, gesetzlich hat sich an der Lage aber nach wie vor noch nichts verändert. Die einzige Möglichkeit bleibt also die illegale Prostitution, mit der man sich allerdings strafbar macht.

Dabei hält Clignon die Legalisierung der Sexualassistenz für „wertvoll“: „Vor allem im Alter sind Menschen mit Behinderung häufig alleine. Sie haben keine Möglichkeit mehr, Körperlichkeit und Nähe mit anderen Menschen zu erleben. Für sie ist das Thema demnach natürlich sehr wichtig.“

Allerdings sei es nicht nur für die Menschen mit Behinderung, sondern auch für die Menschen im Pflegebereich wichtig. Laut Clignon erleben Pflegekräfte immer wieder, dass es für betreute Menschen ein großes Loch gibt. Gleichzeitig betont die Sexualpädagogin aber, dass die Sexualassistenz nicht die alleinige Lösung dafür sei, dass sich Menschen mit Behinderung weniger allein fühlen.

Grundsätzlich hält Clignon die Einführung der Sexualassistenz aber für durchaus sinnvoll: „Wichtig ist, darauf hinzuschauen, dass das Angebot von den Menschen gut verstanden werden kann. Es muss klar sein, dass es ein Angebot ist, dass man einkauft und das an Regeln geknüpft ist, an die man sich halten muss. Es ist kein Partnerschaftsersatz. Gerade bei Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung muss das gut verstanden werden. In vielen Situationen wäre es für Menschen mit Behinderung aber eine tolle Möglichkeit.“

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (1)

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  • @alice.it

    Die „Assistenz“ in den Räumlichkeiten der Gemeinden einrichten. Da wären vielfach auch schon die sanitären Räumlichkeiten, Zeituhren, sowie Aufzüge für Behinderte vorhanden und eine strenge Kontrolle aus nächster Nähe gegeben. Abrechnen könnte man dann direkt am Gemeindeschalter.

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