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Der Matratzen-Bonus

Arnold Tribus mit Minister Antonio Tajani

Mittlerweile rufen die Damen und Herren Mandatare die Redakteure zu jeder Tages- und Nachtzeit an und drängen auf Veröffentlichung ihrer Kommuniqués, kritisiert TZ-Herausgeber Arnold Tribus.

Das hätte gerade noch gefehlt, dass die fetten und mageren Hoteliers des Landes von der Landesregierung bezuschusst werden, wenn sie die Matratzen ihrer noblen Gäste austauschen müssen, weil sie im Laufe der Jahre verdreckt, verpisst oder sonst wie verschlissen sind. Wir sind ja ein sauberes Land und unsere Gäste haben das Recht, in einem hygienisch einwandfreien Bett zu schlafen.

Es ist deshalb durchaus lobenswert, dass unser Fremdenverkehr auch mit der Hygiene punkten kann. Erstaunt war ich aber schon, als ich in der Tageszeitung las, dass es Bestrebungen innerhalb des Hotelier- und Gastwirteverbandes gebe, sich für die ausgewechselten Matratzen einen Bonus zahlen zu lassen. Ich habe mich kurz geärgert, wie dumm man nur sein kann, weil ich mir schon vorstellen konnte, wie nun wieder eine ungute Polemik gegen den Fremdenverkehr losgetreten werden wird.

Ich wollte es eigentlich nicht glauben, aber nachdem die Anfrage mit der schönen Überschrift „Gute Nacht und süße Träume“ von einem sonst recht seriösen Abgeordneten, Sandro Repetto, kam, habe ich kurz daran geglaubt, bis die entrüstete Richtigstellung von Landesrat Luis Walcher kam, der klarstellte, dass es keinerlei Absicht der Landesregierung gebe, eine neue Förderung zum Ankauf von Matratzen im Touristiksektor einzuführen. Eine gute Nachricht. Ich weiß nicht, wer dem PD-Abgeordneten die Nachricht suggeriert hat. Er sagte, es habe sich um eine seriöse Quelle gehandelt.

Es kann auch sein, dass nach der Veröffentlichung die kursierende Nachricht wieder fallengelassen wurde, wohl ahnend, was damit losgetreten worden wäre. Repetto ist ein kluger Mann mit langer Verwaltungserfahrung in der Bozner Gemeinde, eigentlich wollte er immer Bürgermeister werden und nicht Oppositionsabgeordneter – das ist nicht seine Rolle. Er fühlt sich darin auch sichtlich unwohl. Er ist ein ruhiger Abgeordneter, kein Exhibitionist, und hebt sich wohltuend von vielen anderen ab, die uns tagtäglich mit Pressemitteilungen überhäufen. Die meisten Abgeordneten der Opposition nehmen ihr Mandat als eigene Presseagentur wahr. Es ist ja nicht so, dass sie die Medien beliefern und hoffen, dass diese dann auch etwas veröffentlichen – weit gefehlt. Mittlerweile rufen die Damen und Herren Mandatare die Redakteure zu jeder Tages- und Nachtzeit an, schreiben ihnen, drängen auf Veröffentlichung ihrer Kommuniqués oder Redebeiträge bei der Landtagssitzung.

Wenn der Artikel dann zu kurz ausfällt, wird der Redakteur wieder angerufen oder via WhatsApp angeschrieben: „Zu kurz, nicht genau, der andere kommt öfter vor“, etc. Und dann werden die Lichtbilder gezählt, die Größen verglichen. Man tauscht Fotos aus, weil sie nicht schön genug sind oder nicht vorteilhaft ‚rüberkommen‘. Die Damen und Herren Redakteure müssen sich im Umgang mit Politikerinnen und Politikern in Geduld üben, sie müssen darauf achten, nicht übertölpelt zu werden. Viele Abgeordnete betrachten Journalisten als Befehlsempfänger. Ein Wunschkonzert: Sie wünschen, wir spielen.

Aber ich bin vom Thema abgewichen: Hätte es den Matratzenbonus tatsächlich gegeben, wäre eine wüste Anti-Tourismus-Debatte entfacht worden, die jetzt schon ungute Blüten treibt und unter dem Schlagwort „Overtourism“ läuft. Die intellektuelle Bourgeoisie möchte das Land wieder für sich haben, will sie draußen haben, die Fremden, damit die Indigenen wieder unter sich sind und im Kaffeehaus nicht gestört werden. Eine alte Debatte, die damals die Linke führte. Die „Piefke Saga“ hat die Tourismuskritik aufgearbeitet. Man stellt auch die Reisefreiheit, eine große europäische Errungenschaft, in Frage – ein Grundbedürfnis, das man niemandem absprechen darf. Ach, wie schön wäre Südtirol, wenn die lästigen Touristen wegblieben. Nur für ein Jahr – dann würde Heulen und Zähneknirschen einsetzen.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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