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Das entzweite Südtirol

Die Goethe-Schule in Bozen (Foto: Goethe-Schule)

Der Streit um die „Sonderklasse“ in der Bozner Goethe-Schule hat es jetzt sogar in die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ geschafft.

von Artur Oberhofer

Der Titel ist gehoben reißerisch: „Eine Deutsch-Förderklasse entzweit Südtirol.“ Just als man in Südtirol wieder zur Tagesordnung – sprich: zu Jannik Sinner und zum Start der Grippeimpfung – übergegangen ist, entdeckt das deutschsprachige Ausland das Streitthema Goethe-Schule. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) widmet dem ethnopolitischen Hickhack um den völlig missglückten Schulversuch der Goethe-Direktorin Christina Holzer eine halbe Seite („Eine Grundschule in Bozen darf Kinder ohne Deutschkenntnisse nicht separieren“, so der Vorspann des „FAZ“-Artikels).

Die „FAZ“ erklärt ihren LeserInnen, dass die Goethe-Schule einen „guten Ruf“ genieße. Sie liege in einer ruhigen Wohngegend mit viel Grün. „Das Jugendstilgebäude strahlt in historischem Glanz, innen ist alles renoviert, die Klassenzimmer sind hoch und hell.“

Als man 1908, als Südtirol noch zu Österreich gehörte, den Schulbetrieb aufnahm, sei die Volksschule nach dem Habsburger Kaiser Franz Joseph benannt worden.

Während der faschistischen Herrschaft trug die Schule den Namen von Adelaide Cairoli, einer Art Mutterfigur der italienischen Bildungsnation des 19. Jahrhunderts. Ihren jetzigen Namen, Goethe-Schule, habe die Struktur 1960 erhalten, nach dem Zweiten Weltkrieg habe die Schule einfach „Schule am Marienplatz“ geheißen.

Das Ausmaß des gegenwärtigen Streits um die Goethe-Schule müsse man, so FAZ-Korrespondent Matthias Rüb, vor dem geschichtlichen Hintergrund der „Unterjochung durch den italienischen Faschismus bis zum heutigen Autonomiestatus“betrachten. Goethe-Direktorin Christina Holzer habe die Einrichtung einer „gesonderten Einschulungsklasse“ für 16 Kinder geplant, die kein Deutsch sprechen. Diese sollten in ihrer Förderklasse beim Spracherwerb rasch vorankommen, während sich die deutschsprachigen Schüler in deren eigener Klasse auf andere Lerninhalte konzentrieren könnten.

Nach einem oder zwei Schuljahren hätten die Kinder aus der Sprachförderklasse mit guten Lernfortschritten in Deutsch zur „Normalklasse“ wechseln können.

Die Landesschuldirektorin Sigrun Falkensteiner und Südtirols „Bildungsminister“ Philipp Achammer hätten den Plänen allerdings einen Riegel vorgeschoben, weil sowohl das italienische als auch das Südtiroler Gesetz inklusiven Unterricht vorschreibt und nach Sprachgruppen oder sonst wie getrennte Klassen nicht zulässt.

Im Zug des Streits hätten sich, so die „FAZ“ weiter, in Südtirol „die üblichen weltanschaulichen und sozialen Gräben aufgetan“.

Matthias Rüb schreibt:

„Die rechte Oppositionspartei Süd-Tiroler Freiheit und die deutschsprachige Zeitung ,Dolomiten‘ stellten sich auf die Seite der Schulleiterin, auch der Schützenbund und der Südtiroler Heimatbund sind ihr zur Seite gesprungen. Sie fordern die Ablösung der Schulamtsleiterin Sigrun Falkensteiner, weil diese als Handlangerin von Bürokratie und hoher Politik eine Problemlösung nach Maßgabe und Alltagserfahrung und gesundem Menschenverstand verhindert habe. Aus dem akademischen Milieu ertönen Stimmen, wonach zahlreiche internationale Studien gezeigt hätten, dass ,Absonderungsstrategien‘ nicht zielführend seien, weil die Kinder in den Sonderklassen durch ,ungleichheitsrelevante Kategorien‘ stigmatisiert würden, wie es Simone Seitz, Direktorin des Kompetenzzentrums für Inklusion der Universität Bozen formuliert. Auch die linke Presse und die Kulturszene ergriffen Partei für die Schulamtsleiterin (…). Sie werfen der Rechten vor, den Fall aus politischem Kalkül aufgebauscht zu haben.“

Die SVP, so schreibt die FAZ, sei im Streit um die Goethe-Schule „wieder einmal gespalten“. Die Volkspartei halte „in einem eigentlich unmöglichen Spagat an ihrem längst verlorenen politischen Alleinvertretungsanspruch für die Sache der deutschsprachigen Südtiroler fest“ und sei zugleich „pragmatische Kraft der Mitte, die im Dialog steht, statt in der Konfrontation mit Rom nach Lösungen“ sucht.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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