„Das ist der falsche Ansatz“
Nach den starken Überschwemmungen in Italien verabschiedet die Regierung ein Dekret, das alle Unternehmen dazu verpflichtet, eine Unwetterversicherung abzuschließen. Das Südtiroler Unternehmertum protestiert und sieht sich in seinen Freiheiten beschränkt.
von Christian Frank
Die verheerenden Unwetter in den Regionen Marken und Emilia-Romagna liegen nicht nur den Betroffenen in den Knochen, sondern auch der Regierung. Allein im vergangenen Jahr entstanden in Italien durch Unwetter Schäden in Höhe von 6,3 Milliarden Euro.
Nun zieht die Regierung Meloni die Reißleine und verabschiedet ein Dekret, das vorsieht, dass alle Unternehmen in Italien ab dem 1. Januar dazu verpflichtet sind, eine Unwetterversicherung abzuschließen. Diese Verpflichtung betrifft somit über 4,5 Millionen Betriebe. Die landesweite Kritik vonseiten der Unternehmen ist erwartungsgemäß groß, schließlich stellen unternehmerischer Liberalismus und staatlicher Interventionismus einen kongenialen Dualismus dar.
Auch das Südtiroler Unternehmertum stimmt dem skeptischen Tenor mit ein.
„Es ist nicht erfreulich, dass der Staat seine Verantwortung weiter auf uns abwälzt. Wenn uns nichts anderes übrigbleibt, werden wir es aber natürlich wohl oder übel machen müssen“, moniert der Gründer und Präsident des Unternehmens Microtec, Federico Giudiceandrea. Er verurteilt die Pauschalisierung des Dekrets und wünscht sich eine größere geografische Differenzierung.
„Diese Situationen mit den Unwettern sind bekannt, und es ist ebenso bekannt, dass man in die Sicherung der Gelände investieren muss. Die Südtiroler haben hierbei ihre Hausaufgaben gemacht. Ich glaube aber, im Rest Italiens sieht es düster aus“, so Giudiceandrea. Auch der Präsident des Unternehmerverbands, Heiner Oberrauch, drückt sein Missfallen gegenüber dem Dekret aus und pflichtet seinem Amtsvorgänger Giudiceandrea bei: „Ich rate allen Unternehmen, sich zu versichern, aber verpflichtend ist immer schlecht, weil es die unternehmerische Freiheit einschränkt. Diese Lösung ist der falsche Ansatz.
Vor allem gibt es unterschiedliche Situationen. Wenn man als Unternehmer in einem gefährlichen Gebiet ist, muss man sich klarerweise besser versichern als in einem Gebiet mit geringem Risiko. Das weiß jedoch der hiesige Unternehmer besser als ein Dekret der Regierung. Hier sollte das Subsidiaritätsprinzip gelten.“
Für Giudiceandrea ist diese Lösung eine Gangart, um es sich als Regierung leicht zu machen und eigene Fehler nicht bei zukünftigen Katastrophenfällen ausbügeln zu müssen.
„Man muss sich auch die Frage stellen, warum Betriebe in gewissen bekannten Gefahrenzonen überhaupt gebaut werden dürfen. Warum dürfen beispielsweise Häuser auf einem Vulkan errichtet werden? So etwas zu erlauben, liegt auch im Verantwortungsbereich des Staates. Natürlich braucht es eine Lösung, doch das ist lediglich eine einfache Variante, da es in der Vergangenheit Versäumnisse gab“, postuliert der Unternehmer. Wie es sich für einen eingefleischten Unternehmer wie Giudiceandrea gehört, huldigt auch er der Unternehmermaxime des selbstregulierenden Marktes – ein Leitprinzip, das er durch eine solche verpflichtende Bürde bedroht sieht.
„Wenn es verpflichtend wird, dann geht die Marktfreiheit verloren, da der Markt sich nicht ordentlich regulieren kann. Die Versicherungsgesellschaften werden diesen Zwang der Betriebe, sich zu versichern, sicherlich ausnutzen, und die Preise werden in die Höhe schießen“, prognostiziert der Unternehmer.
Wenngleich das Dekret pauschal für alle Betriebe gelten soll, herrschen Ausnahmen. Landwirtschaftliche Betriebe sind nämlich nicht von dieser Versicherungspflicht betroffen.
„Dass die Landwirtschaft von diesem Dekret ausgenommen ist, ist schon skurril – Unwetterschäden kommen ja besonders in der Landwirtschaft häufig vor“, sinniert der Präsident des Unternehmerverbands.
Giudiceandrea mutmaßt witzelnd: „Werden die Landwirte wohl einen besseren Lobbyismus haben.“
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Kommentare (6)
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pingoballino1955
Der Staat stiehlt sich aus der Verantwortung,aber fleissig Steuern kassieren.
ultnerbaer
Ich frag mich eher was das für Unternehmer sind, die sich nicht gegen existenzbedrohende Ereignisse versichern. Das sollte eigentlich jeder von sich aus tun, genauso wie jeder Private eine Familienhaftpflicht haben sollte – freiwillig!
naja
Dafür wurde während der Pandemie reichlich Steuergeld kassiert…
netzexperte
Die Versicherungslobby ist halt nach wie vor gut aufgestellt. Ein Mega Business für die Versicherungen, da sie verlangen können was sie wollen. Sie werden sich untereinander auch nicht absprechen, das ist ja verboten (grins)
andreas
Und warum soll der Steuerzahler haften für Unternehmen, welche sich die Versicherungssumme sparen wollen, obwohl sie sich in einer äußerst gefährdeten Lage befinden?
Versicherungen sind kein Sozialvereine, die sind gewinnorientiert und das ist ihr gutes Recht.
Wenn sie stark gefährdete Lagen nur mit hohen Prämien oder es sogar ablehnen, sie zu versichern, ist das durchaus nachvollziehbar.
2xnachgedacht
@andreas
alle unternehmen, nicht nur in gefährdeten lagen….also evtl. auch ihre großmutter , die socken strickt u sie offiziell verkauft… oder leben sie u ihre großmutter in einer gefährdeten zone? dann sollten sie selber, auch *versuchen* eine versicherung abzuschließen-nicht sparen! sie obergescheiter.