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„… weil wir in Italien sind“

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In einem Fußballspiel der 2. Amateurliga zwischen dem SSV Mühlwald und der AVS Gossensass streckte ein Spieler einen Gegner mit einem Faustschlag nieder. Ein Fall fürs Sportgericht.

von Artur Oberhofer

Dass es auch auf Südtirols Fußballplätzen teilweise sehr rüde hergeht, ist ein offenes Geheimnis.

Nun hatte sich die lokale Sportsgerichtsbarkeit – sprich: das territoriale Verbandsgericht beim Autonomen Landeskomitee Bozen – mit einem brisanten Fall mit einer ethnischen Konnotation zu befassen.

Zugetragen hat sich der Fall bereits am 6. April dieses Jahres beim Meisterschaftsspiel der 2. Amateurliga, Kreis C, zwischen dem SSV Mühlwald und dem ASV Gossensass.

Die Staatsanwaltschaft beim Fußballverband hat den Spieler des SSV Mühlwald, Hannes Oberhollenzer, angeklagt, weil er – wie es in der Anklageschrift heißt – „in der 45. Spielminute der zweiten Spielhälfte (…) den gegnerischen Spieler Fatjon Thaqi mit einem Faustschlag im Gesicht getroffen und ihm eine Prellung am rechten Auge zugefügt hat, wie von der Ersten Hilfe des Krankenhauses Brixen attestiert wurde.“ Auch gegen den Verein Hannes Oberhollenzers, den SSV Mühlwald, erhob die Staatanwaltschaft Anklage – „wegen objektiver Verantwortlichkeit“.

Im Zuge eines monatelangen Beweisaufnahmeverfahrens wurden der Schiedsrichter der Partie, Daniel Zardini, sowie  mehrere Spieler beider Amateurliga-Vereine angehört. Und natürlich auch die beiden Protagonisten, Hannes Oberhollenzer, und Fatjon Thaqi.

Die Staatsanwaltschaft beantragte für den Übeltäter Hannes Oberhollenzer eine Sperre für acht Spieltage und für den Verein eine Geldbuße in Höhe von 600 Euro.

Die Verteidigung beantragte einen Freispruch für den Spieler und für dessen Verein.

Vor wenigen Tagen, am 16. September, erging das Urteil.

Der Spieler Hannes Oberhollenzer wurde für fünf Spieltage gesperrt. Und sein Verein, der SSV Mühlwald, wurde mit einer Geldbuße von 400 Euro bestraft.

Das Sportgericht sah es als erwiesen an, dass der Mühlwald-Kicker mit der Nr. 11, Hannes Oberhollenzer, dem gegnerischen Spieler mit der Nr. 9, Fatjon Thaqi, mit der Faust ins Gesicht geschlagen hat.

Daraufhin sei Thaqi zu Boden gefallen, habe nicht mehr weiterspielen können. In der Notaufnahme des Brixner Krankenhauses sei eine Prellung am rechten Auge diagnostiziert worden.

In den „Entscheidungsgründen“ schreibt das Sportgericht:

„In Anbetracht der durchgeführten Beweisaufnahme und der zu den Akten genommenen Unterlagen ist es unzweifelhaft (auch weil es nicht bestritten wurde), dass der Spieler Oberhollenzer den Gegner im Gesicht getroffen und ihm eine Prellung am Auge zugeführt hat, wie von der Ersten Hilfe attestiert und durch das Fotomaterial in den Akten hinreichend dokumentiert ist.

Hierzu ist anzumerken, dass Herr Oberhollenzer im Rahmen der Anhörung vor dem Staatsanwalt die körperliche Auseinandersetzung zugegeben hat, indem er angab: ,In der Nachspielzeit des oben angeführten Spiels hatte ich mit einem Gegenspieler eine Auseinandersetzung, und wir haben uns gegenseitig angerempelt, höchstwahrscheinlich habe ich ihn bei der nächsten Aktion, als wir versuchten, uns gegenseitig zu befreien, mit dem Ellbogen getroffen.‘ Er sagte, er habe ihn ,unabsichtlich im Gesicht getroffen‘.“

Für das Sportgericht stellte sich also die Frage, ob Hannes Oberhollenzer seinen Gegner absichtlich geschlagen hat – oder ob es sich, wie vom Beschuldigten behauptet, um eine unfreiwillige Handlung ohne disziplinarrechtliche Relevanz handelte.

Da der Schiedsrichter den Vorfall nicht beobachtet hat, weil er „weit entfernt vom Spielgeschehen erfolgte“, und weil die Zeugenaussagen der angehörten Spieler der beiden Vereine widersprüchlich waren, konnte das Sportgericht letztere nicht als Grundlage für eine Verurteilung hernehmen.

Am Ende kam das Sportgericht zu diesem Schluss:

Für die Feststellung der Absicht der vorgehaltenen Handlung ist das Ausmaß der vom Spieler erlittenen Verletzung nicht von Bedeutung, sondern der Umstand, dass sich der Vorfall weit vom Spielgeschehen entfernt ereignete. Dieser Umstand erlaubt es nämlich, mit hinreichender Sicherheit zu bejahen, dass Oberhollenzers Verhalten von Vorsatz getragen war, dass es nicht möglich ist, dass der gegnerische Spieler während eines Zusammenstoßes zufällig getroffen wurde.

Als der Ball weit weg war und der gegnerische Spieler sich vom Boden erhob und auf die gegenüberliegende Seite des Spielfelds lief, gab es nämlich keinen Grund, mit ihm zusammenzustoßen (…). Wenn es also tatsächlich zu einem körperlichen Zusammenstoß zwischen den beiden Spielern kam, kann man davon ausgehen, dass dies mit dem Wissen und der Absicht geschah, den Gegner zu treffen. Auch die Tatsache, dass der Vorfall unmittelbar nach einer Auseinandersetzung zwischen den beiden Spielern stattfand, spricht dafür, dass es sich um einen Vergeltungsschlag und somit um einen absichtlichen Schlag handelte.“

Das Sportgericht folgte am Ende doch nicht ganz den Anträgen des Staatsanwaltes und verhängte gegen den SSV-Mühlwald-Spieler Hannes Oberhollenzer eine Sperre von „nur“ fünf Spieltagen. Und sein Verein muss ein Bußgeld von 400 Euro (und nicht 600 Euro, wie vom Staatsanwalt beantragt) bezahlen.

Warum blieb das Gericht unter dem Strafausmaß, das der Ankläger beantragt hatte?

Das Sportgericht ließ den mildernden Umstand der Provokation gelten.

Der Gossensass-Stürmer Fatjon Thaqi soll nämlich zu seinem Gegner aus dem Tauferer Ahrntal „den provokativen Satz“ (so das Gericht in der Urteilsbegründung) geäußert haben: „Rede mit mir auf Italienisch, weil wir in Italien sind.“

Sagte dies – und bekam eine gschnöllt.

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