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Killer in weißen Kitteln?

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Abtreibungsärzte als „Auftragsmörder“? Die jüngsten Äußerungen von Papst Franziskus zur Abtreibungsfrage sorgen für Polemik. Wie sich diese Debatte in Südtirol entfaltet und warum Ärzte in bestimmten Fällen ihren medizinischen Dienst verweigern können.

von Sylvie Debelyak

Ärzte, die Abtreibungen durchführen, sind „Auftragskiller“. Diese Worte wählte Papst Franziskus am vergangenen Wochenende bei einer Pressekonferenz während seines Rückflugs nach Rom. Bereits in der Vergangenheit hatte der Pontifex seine Haltung zu diesem kontroversen Thema des Öfteren klar zum Ausdruck gebracht. Mit seinen jüngsten Äußerungen hat er die Polemik rund um die Abtreibungsfrage neu entfacht. Auch in Südtirol spalten sich die Meinungen. „Grundsätzlich glaube ich, geht es beim Thema Schwangerschaftsabbruch nicht um Verbote und deshalb sind bestimmte Äußerungen der Wichtigkeit des Themas nicht angemessen“, so Dr. Herbert Heidegger, pensionierter Gynäkologe und Präsident des Landesethikkomitees.

Nach wie vor besteht eine große Kluft zwischen den Befürwortern und Kritikern von Abtreibungen. Maria Luisa Gnecchi von der Familienberatungsstelle AIED beklagt allerdings diese Unterteilung in schwarz-weiß und betont, dass es wichtig ist, jeden Fall einzeln zu bewerten: „Leider gibt es immer noch viele ungewollte Schwangerschaften, manchmal infolge einer Vergewaltigung. Das Thema Abtreibung – und ich meine wirklich ‚Abtreibung‘ und nicht Mord – darf also nicht nur als Schwangerschaftsabbruch selbst angesehen werden. Jede Frau muss in der Lage sein, sich bewusst für eine Wunschschwangerschaft zu entscheiden, mit dem Wissen, was alles auf sie zukommt.“

Mit dem Gesetz 194 von 1978 wurden Abtreibungen in Italien offiziell legalisiert. Sie garantieren den betroffenen Frauen die Möglichkeit, Schwangerschaftsabbrüche unter gesundheitlich sicheren Bedingungen durchzuführen und verringern zugleich die Risiken von heimlichen Abtreibungen.

Wie eine kürzlich veröffentlichte ASTAT-Studie zeigt, wurden im Jahr 2023 in den Gesundheitseinrichtungen Südtirols 547 freiwillige Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt. Das entspricht einer Zunahme von ganzen 5,0 Prozent gegenüber dem Vorjahr, wobei die meisten Frauen, die sich für eine Abtreibung entscheiden, zwischen 18 und 29 Jahre alt sind (45 Prozent).

Die Entscheidung, eine Schwangerschaft vorzeitig abzubrechen, erfordert von Betroffenen viel Mut und kann schwerwiegende psychologische Auswirkungen haben. Hinzu kommt die Angst, nicht den gesellschaftlichen Erwartungen zu entsprechen oder vorverurteilt zu werden. Sowohl Gnecchi als auch Heidegger betonen daher, wie wichtig es ist, präventive Maßnahmen in Form von Verhütungsmitteln zu ergreifen sowie die nötige Aufklärungsarbeit zu leisten, um ungewollte Schwangerschaften von vornherein zu vermeiden. Wenn es dennoch zu einer Schwangerschaft kommen sollte, müsse den betroffen Frauen die bestmögliche Hilfe angeboten werden, sind sich die beiden Fachleute einig. „Bei einem Schwangerschaftsabbruch geht es zunächst um den Schutz des Lebens des Ungeborenen. Aber es geht auch um das Selbstbestimmungsrecht der Frau. Und bis zu einem gewissen Punkt geht es um den Partner. Am Ende bringt diese Entscheidung eine große Verantwortung mit sich“, führt Heidegger aus.

Weiters hat die ASTAT-Studie gezeigt, dass im letzten Jahr 59,5 Prozent der Gynäkologinnen und Gynäkologen es aus Gewissensgründen verweigerten, den Schwangerschaftsabbruch bei ihrer Patientin durchzuführen. Tatsächlich sieht das Gesetz die Möglichkeit der Verweigerung dieses medizinischen Dienstes für das Gesundheitspersonal vor. Dies kann zu einer verringerten Verfügbarkeit von Personal für diese Dienste und einer erheblichen Überlastung des Gesundheitspersonals, das sich zur Verfügung stellt, führen. Aus diesem Grund müssen nicht selten Ärzte aus anderen Gebieten angefordert werden, beispielsweise aus Trient. Eine Entscheidung, die die Frauenrechtlerin Luisa Gnecchi trotz ihrer gegensätzlichen Meinung akzeptiert, sofern die Behandlung der entsprechenden Patientinnen nicht in Mitleidenschaft gezogen wird: „Ich denke, dass es jeder Person freisteht, eine Verweigerung aus Gewissensgründen einzureichen, aber der Dienst muss gewährleistet sein.“ Darüber hinaus würde es niemanden etwas bringen, die Ärzte, welche Abtreibungen durchführen, anzuklagen, so der Präsident des Landesethikkomitees: „Unsere Aufgabe als Arzt ist es, ob katholisch oder nicht, Frauen bei dieser schwierigen Entscheidung zu unterstützen. In einer solchen Situation gilt es, die beste Lösung für die Frau zu finden.“

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