Du befindest dich hier: Home » News » „Die Truppen hinschicken“

„Die Truppen hinschicken“

Mit seiner Bemerkung über „zu viele italienische Kinder“ an den deutschen Schulen hat SVP-Fraktionschef Harald Stauder nicht nur einen Shitstorm im Netz ausgelöst, sondern auch alte nationale Wunden aufgerissen.

von Matthias Kofler

„Österreich sollte sich ein Beispiel an Putin nehmen und mit seinen Truppen in Südtirol einmarschieren“, „Südtirol ist Italien“ und „Wandert doch nach Österreich aus, die Grenze ist nur zwei Schritte entfernt“ – diese und ähnliche Kommentare füllen die sozialen Netzwerke, seit SVP-Fraktionschef Harald Stauder in einem Interview mit dem „Corriere della Sera“ seine Bedenken über den Anteil italienischer Kinder an deutschen Schulen geäußert hat. Über 800 wütende Reaktionen wie „Unser italienisches Geld nehmen die da oben aber gerne“ oder „Haben die immer noch nicht kapiert, dass sie in der Schule mit uns sind – und nicht umgekehrt?“ zeigen, wie explosiv das Thema ist. Eine unbedachte Äußerung genügte, um alte nationale Ressentiments wieder aufleben zu lassen.

Der Shitstorm ist so heftig, dass sich mittlerweile sogar die italienische Regierung eingeschaltet und bei Vize-LH Marco Galateo nachgefragt hat, was sie in dieser Angelegenheit tun solle. Dieser hat jedoch darum gebeten, vorerst still zu bleiben, um nicht weiter Öl ins Feuer zu gießen. Doch der Reihe nach. Am Freitag trat erstmals die interne SVP-Arbeitsgruppe zusammen, um die Probleme an Südtirols deutschen Schulen zu diskutieren.

Der Tenor: Nicht die ausländischen Kinder seien das Problem, sondern italienische Schüler ohne ausreichende Deutschkenntnisse, die dennoch an deutschen Schulen eingeschrieben werden – und so unnötigen Druck auf das Schulsystem ausüben. Trotz des vereinbarten Stillschweigens konnte sich Stauder nicht zurückhalten und plauderte munter mit dem „Corriere“ – was ihn direkt ins Zentrum des Shitstorms katapultierte. „Er hat dem ohnehin fragilen Zusammenleben der Sprachgruppen einen Bärendienst erwiesen“, kritisiert ein Mitglied der Landesregierung hinter vorgehaltener Hand. Seitdem klingeln bei den Landesräten die Telefone Sturm, da nationale Medien Interviewanfragen stellen. Die Devise lautet: Schadensbegrenzung. Kein Spitzenpolitiker will sich zur „Italiener-Problematik“ an den deutschen Schulen öffentlich äußern – außer Stauder selbst, der sich bei „RAI News 24“ zu verteidigen versuchte. Es gehe nicht um die Anzahl italienischer Kinder, sondern um das Recht auf Muttersprachenunterricht, erklärte der Ex-Bürgermeister von Lana, der früher selbst an einer Oberschule unterrichtet hatte. Doch die Journalistin entgegnete, dass es in der Debatte um den Schutz der italienischen Minderheit in Südtirol gehe. Der SVP-Fraktionschef konterte, dass in Italien die Deutschen, die 0,5 Prozent der Bevölkerung stellen, die eigentliche Minderheit seien.

Stauder gehört dem konservativen Flügel der SVP an, der die Wiedereinsetzung der sogenannten paritätischen Kommission fordert. Diese soll entscheiden, ob Kinder, die nicht ausreichend Deutsch sprechen, an den deutschen Schulen bleiben dürfen. Eine alte Regelung, die jedoch selten angewandt wurde. Die Kommission hätte die Macht, gegen den Willen der Eltern zu entscheiden, in welche Schule das Kind gehört. Besonders brisant: Die SVP-Koalitionspartner Fratelli d’Italia und Lega wehren sich vehement gegen die Entsendung italienischer Vertreter in diese Kommission, was die Umsetzung weiter erschwert.

Auch Bildungslandesrat Philipp Achammer lehnt diese Idee entschieden ab. In der Sitzung der Arbeitsgruppe argumentierte er, dass es unlogisch sei, warum ein pakistanisches Kind, das weder Deutsch noch Italienisch spricht, nicht „hin- und hergeschoben“ werde, ein italienisches Kind hingegen schon. „Es kann nicht sein, dass wir ein Kind mitten im Schuljahr aus der Klasse nehmen, nur weil es noch nicht gut genug Deutsch spricht“, stellte Achammer klar. Parteiintern wird Stauder vorgeworfen, mit seinen Aussagen das konservative Profil der SVP schärfen zu wollen, ohne die Auswirkungen auf das Zusammenleben der Sprachgruppen in Südtirol zu bedenken. Seine unbedachte Äußerung habe mehr als nur eine politische Debatte entfacht – sie habe alte Wunden aufgerissen und den ethnischen Frieden aufs Spiel gesetzt. In der nächsten Sitzung der Arbeitsgruppe wird der italienische Bildungslandesrat Galateo (FdI) angehört, um zu klären, warum viele italienische Eltern ihre Kinder nicht in die italienische Schule schicken – ein weiterer Konfliktpunkt, der die Debatte anheizt.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (4)

Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen

  • brutus

    „Unser italienisches Geld nehmen die da oben aber gerne“

    Falsch!
    Südtirol ist Nettozahler!
    …die Italiener Restitaliens sind der Propaganda der Melonipartei aufgesessen.

  • erich

    Da hat sich der gute Stauder doch etwas verrant. Ist doch zu begrüßen wenn italienische Kinder in deutsche Schulen wollen. Dies gab es auch umgekehrt.

    • schwarzesschaf

      Ja nur sollten sie dann die grundkenntnisse der sprache können, man sieht es ja beinden ersten klassen der corona zeit, wenn man die erste klasse nicht richtig machte und die grundsprache lernte dann schleift es sich durch und da wäre schon gut das die kinder deutsch können und nichtberstbin der ersten klasse dann hallo guten morgen usw erst lernen müssen

  • tirol

    „Es gibt nur eins was auf Dauer teurer ist als Bildung: keine Bildung.“ John F. Kennedy

Kommentar abgeben

Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.

2024 ® © Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH/Srl Impressum | Privacy Policy | Netiquette & Nutzerbedingungen | AGB | Privacy-Einstellungen

Nach oben scrollen