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Der 3-S-Code

Der in Radein aufgefundene Wolf (Foto: lpa)

In Südtirol ist die Zahl der Wolfsrisse drastisch gesunken. Weil Landwirte und Jäger offenbar zur Selbstjustiz übergegangen sind.

von Artur Oberhofer

Das Codewort, das in Südtiroler Landwirtschafts- und Jägerkreisen zirkuliert, lautet: „SSS.“

Die drei Buchstaben stehen für: Schießen. Schaufeln. Schweigen.

Die Indizien, dass in Südtirol Bauern und/oder Jäger in Sachen Wolf zur Selbstjustiz übergegangen sind, weil sie von der Politik enttäuscht sind, verdichten sich. Und das nicht erst seit dem 4. September dieses Jahres, als in Radein, einer Fraktion der Gemeinde Aldein, eine tote und höchstwahrscheinlich vergiftete Wölfin aufgefunden worden ist. „Auch mir sind diese Gerüchte zum Thema Selbstjustiz zu Ohren gekommen“, räumt der stellvertretende Amtstierarzt in Südtirol, Franz Hintner ein. Er selbst habe zwar „keinen Beweis“ für die Selbstjustiz-These, aber er könne sich „durchaus vorstellen, dass es so etwas bei uns gibt“.

Auch Franz Hintner hat von der 3-S-Formel gehört: „Schießen. Schaufeln. Schweigen.“ Also: Den Wolf schießen. Ihn vergraben. Und die Sache ist erledigt.

Die Zahlen sprechen in jedem Fall eine klare Sprache.

Obwohl bislang in Südtirol keine Wölfe entnommen werden konnten und die Zahl durch Südtirol streifenden Wölfe laut Südtiroler Bauernbund „exponentiell steigt“ (laut SBB streifen derzeit über 100 Wölfe durch die Südtiroler Wälder), ist die Zahl der Wolfsrisse von Nutztieren in Südtirol in den letzten beiden Jahren drastisch gesunken.

Die Fakten: Im Jahr 2020 wurden in Südtirol 99 Nutztiere von Wölfen gerissen. Im Jahr 2021 waren es 283 Risse. Im Jahr 2022 schnellte die Zahl der durch Wölfe gerissenen Nutztiere auf 517 hoch, im Jahr 2023 sank die Zahl auf 375 Tiere. Und heuer, bis einschließlich September, wurden „erst“ 116 Risse von Schafen, Ziegen oder Rindern registriert (siehe dazu auch die Info-Grafik).

Franz Hintner

Aus verschiedenen und absolut vertrauenswürdigen Quellen wurde der TAGESZEITUNG die Selbstjustizthese bestätigt.

Demnach sei aber nicht das Abschießen von Wölfen das große Thema. Jäger müssen nämlich über die Verwendung ihrer Munition genau Buch führen, daher wäre das Abschießen eines Wolfes mit einem gewissen Risiko verbunden (zwar könnte man einen Fehlschuss melden, aber mit dem Schießen ginge ein Jäger dennoch ein bestimmtes Risiko ein, entdeckt zu werden).

Die bevorzugte Selbstjustiz-Methode in Südtirol ist laut TAGESZEITUNG-Recherchen das Vergiften.

So werden, beispielsweise, mit Frostschutzmittel („Antigelo“) versetzte Köder ausgelegt. Der Hauptinhaltsstoff von Frostschutzmitteln ist Ethylenglykol. Dieser Stoff, der süß schmeckt, ist für Mensch und Tier giftig. Eine andere Methode: Es werden Rattenköder ausgebracht. Das darin enthaltene Fraßgift wird vom Wolf aufgenommen, dadurch wird die Blutgerinnung gehemmt. Und der Wolf stirbt an inneren Blutungen.

Franz Hintner sagt dazu: „Dass es in diese Richtung geht, schließe ich nicht aus.“

Innere Blutungen sollen auch bei der in Radein tot aufgefundenen Wölfin festgestellt worden sein. Nur ist noch nicht bekannt, durch welche Substanz diese inneren Blutungen verursacht worden sind.

Der Tierarzt Franz Hintner erklärt, dass es gar nicht so einfach sei, festzustellen, an welchem Gift ein Tier gestorben ist. „Hier gilt das Schlüssel-zum-Schloss-Prinzip, das heißt, man muss ganz gezielt eine Substanz suchen, und das ist nicht immer leicht, man muss also wissen, was man sucht bzw. suchen soll.“

De facto gebe es im Falle eines Wolf-Todes nur drei Möglichkeiten, erklärt der stellvertretende Amtstierarzt: „Entweder wurde ein Tier erlegt, dann weist es eine Schussverletzung auf, wenn nicht, dann muss es eine Substanz gefressen haben, die zum Tod geführt hat, und wenn auch eine Vergiftung nicht die Todesursache war und man einen Unfall ausschließen kann, ist ein Tier gestorben, weil es schwer krank war.“

Die Radeiner Wölfin dürfte also nach dem 3-S-Prinzip eliminiert worden sein.

 

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (7)

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  • segadigon

    gift auslegen dann kommt die jagd mit hunden die hunde fressen das gift und sterben so habe ich einen hund verloren es war schrecklich

  • placeboeffekt

    Ironie der ganzen Geschichte:
    Durch ihr militantes Handeln erreichen die Tierschützer genau das Gegenteil was sie beabsichtigten.

    Andere Tiere wie Hunde und Füchse fallen diesen Ködern genauso zu Opfer.

    War ja abzusehen, und wurde vielerorts vorhergesagt, aber die Tierschützer handeln wohl nach dem Ceteris paribus Prinzip : „es werden keine Wölfe abgeschossen, ergo leben sie alle glücklich weiter bis zu ihrem natürlichen Lebensende „

  • sukram

    Das ist sehr schade, dass die Politik keine normale Lösung zulässt. Ich glaube in den meisten Fällen eher an das Vergiften, weil das Schießen unter diesen Umständen sehr schwierig erscheint. Leider müssen beim Vergiften auch andere Tiere darunter leiden. Ich hoffe man kann dabei eine optimierte Methode finden, wo unschuldige Hunde, Katzen, Füchse etc nicht betroffen werden.

  • andreas

    Ist doch logisch, dass viele nicht tatenlos rumstehen und darauf warten, dass ein Wolf ihre Tiere reißt.
    Es iat ihr gutes Recht, ihre Tiere zu schützen, auch wenn Politiker und Tierschützer es anders sehen.

  • sougeatsnet

    Sich bei Großraubtieren auf Politik und Justiz zu verlassen ist wohl eine totale Fehleinschätzung. Zudem liebäugeln manche Forstbeamten und Richter mit den Naturschützern, da sie ja nicht die Leidtragenden sind. Dass in ganz Restitalien keine besonderen Probleme mit Wölfen und Bären bestehen, da sie da schon lange nicht mehr auf den offiziellen Weg setzen, hat auch die Südtiroler dazu gebracht endlich einen gangbaren Weg zu beschreiten. Abschussverfügung, dann Aussetzung durch einen Richter, dann bla bla bla. Unsere Politiker sollten sich endlich wichtigeren Dingen zuwenden, aber auch dort ist St. Bürokratius ein Bremsklotz, fast immer zum Nachteil der „normalen“ Bevölkerung. Übrigens wurde die wichtigste Methode oben nicht erwähnt, warum wohl?

  • drrobotto

    Ist in Südtirol gang und gebe, nicht nur beim Wolf. Gefällt mir Nachbars Gockel, Katze oder auch Hecke und Baum nicht, greift man zum Gift.

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