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„Das ist Qualzucht“

Der Tierarzt Franz Hintner tritt für ein Verbot von Katzenausstellungen ein, weil die züchterische Schönheit für die Tiere mit Schmerzen und lebenslangem Leiden verbunden sei.

von Artur Oberhofer

Franz Hintner wählt den 4. Oktober, also den Welttierschutztag, um auf ein Phänomen aufmerksam zu machen, das Tierschützer seit jeher beschäftigt: Katzenausstellungen.

Der Präsident der Südtiroler Tierärztekammer nimmt sich dabei kein Blatt vor den Mund. Franz Hintner spricht von „Qualzuchten“. Aus diesem Grund seien die vielen Katzenausstellungen, auf denen die „schönsten Katzen der Welt“ präsentiert werden, abzulehnen.

TAGESZEITUNG: Herr Dr. Hintner, was stört Sie an diesen Katzenausstellungen?

Franz Hintner: Schicken wir einmal voraus: Die Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Jede/r empfindet Schönheit anders. Aber aus der Sicht des Tierschutzes sind Veranstaltungen dieser Art ganz klar abzulehnen. 

Warum?

Abgesehen vom unnötigen Stress und Lärm, dem die Tiere beim Transport und während der Ausstellung ausgesetzt sind, werden viele Qualzuchten präsentiert und ausgestellt, die bereits weltweit angeprangert werden.

Was versteht man unter Qualzucht?

Man spricht von einer Qualzucht immer dann, wenn bewusst angezüchtete optische Merkmale mit Qualen, Leiden oder Schmerzen für ein Tier verbunden sind.

Eine Qualzucht ist eine Zucht, die ein bestimmtes gewünschtes optisches Erscheinungsbild hervorbringt, aber gleichzeitig ein gesundheitliches Problem für das Tier in Kauf nimmt.

Wie entstehen diese äußerlichen Merkmale?

Diese äußerlichen Merkmale entstehen durch eine spontan entstandene oder gezüchtete Genveränderung. Es sind Gendefekte, die von Generation zu Generation weitervererbt werden und ein bestimmtes Erscheinungsbild vererben, das als Rassenmerkmal anerkannt wird.

Das heißt, dass mit der – wie Sie sie nennen – Qualzucht nicht nur Tiere gequält werden, sondern dass mit ihnen auch noch ein Geschäft gemacht wird?

Richtig. Bei den gezüchteten Tieren dieser Rassen ist bekannt, dass sie Träger von krankheits- bzw. schadensverursachenden Erbanlagen sind und trotzdem wird mit ihnen weiter gezüchtet. Zudem werden sie von den Dachverbänden weiterhin als Rassen anerkannt und weiterhin der Öffentlichkeit in Form von Ausstellungen präsentiert und können käuflich erworben werden.

Diese Art von Qualzucht müsste abgestellt werden?

Die selektive Züchtung auf spezielle Rassemerkmale, Formen, Farbtypen, Gesichtszüge und Eigenschaften der Tiere sind begründeterweise von der Natur nicht vorgesehen, da sie in der freien Wildbahn die Überlebenschance der Tiere herabsetzen oder ihnen nur ein kurzes Leben bevorstehen würde.

Es ist wissenschaftlich begründet, dass bestimmte von Menschenhand gezüchtet Merkmale gleichzeitig in unterschiedlichem Ausmaß Krankheiten und Gesundheitsprobleme mitvererben.

Welche Krankheiten oder Defekte sind das?

Einige dieser bekannten Erbkrankheiten sind: Taubheit, Blindheit, Stimmlosigkeit, Herzerkrankungen, Augenerkrankungen, Nieren- Nebennierenerkrankungen, Hautproblematiken, Atemprobleme, Zahnproblematiken, Gelenks- und Knochenerkrankungen, die bei bestimmten Rassen oder Farbvarianten genetisch verankert sind.

Können Sie einige konkrete Beispiele von Qualzucht-Rassen nennen?

Einige Beispiele von Qualzucht-Rassen bei Katzen sind die Munchkin-Katze oder Dackelkatze, Stummelschwanz-Katzen wie Manx, Cymric, Japanese Bobtail und Kurilen Bobtail, Scottish-Fold-Katze, also die Schottische Faltohrkatze, die Pudelkatze, die Perserkatze oder die Exotic Shorthair, also die Exotische Kurzhaarkatze. Weiters Nacktkatzen wie die Sphinx-Katze, Peterbald, Kohana, Rex-Katzen wie Ural Rex, Devon Rex, Cornish Rex, German Rex und die Lykoi-Katze. Und nach weiße Katzen, besonders bei Perser, Türkisch Angora, Maine Coon, Devon Rex, Norwegische Waldkatze, Foreign White, Chinchilla White Cat usw.

Ein Beispiel von Vielen ist die bekannte Perserkatze, die die ewig Atemlose …

Was hat es mit dieser Perserkatze auf sich? 

Eine Katze, die permanent röchelt, ein hörbares Atmen aufweist, ist nicht normal. Das Rassemerkmal der Perserkatze ist der runde Kurzkopf (Brachyzephalie), eine Verkürzung der Nase, ein eingedrücktes Gesicht, kleine Ohren. Diese Katzen leiden an Atemproblemen aufgrund der verkürzten Nasengänge, der nicht vorhandenen Nasennebenhöhlen und aufgrund von Problemen der Nasenscheidewand, sie leiden an Augenerkrankungen durch vorstehende Augen, nicht ausgebildeten Tränennasengängen, eingerollten Augenlidern und an Kiefer- und Zahnfehlstellungen mit all den Folgen.

Was kann man dagegen tun?

Leider gibt es aktuell keine gesetzlichen Regelungen, welche die Zucht dieser Rassen verbieten. Auf Kosten der züchterischen Schönheit werden Defizite und lebenslanges Leiden und Schmerzen von den Züchtern bewusst in Kauf genommen und auch als Business benutzt.

Zuchtziele sollten …

Zuchtziele sollten immer auf die Zucht eines gesunden und langlebigen Tieres ausgerichtet sein und nicht zum Ziel haben, ein schönes, aber krankes und damit „armes“ Tier hervorzubringen.

Sie raten damit auch vom Kauf solcher Tiere ab?

Selbstverständlich. Jeder Kauf dieser Tiere und jede weitere Ausstellung unterstützt wirtschaftlich diese Züchtungen, welche nicht mehr zeitgemäß und aus Gründen des Tierschutzes gesetzlich unterbunden werden sollten.

 

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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