Du befindest dich hier: Home » News » „Die Folgen werden gravierender“

„Die Folgen werden gravierender“

Starke Unwetter, wie sie die Regionen Emilia Romagna und den Marken heimsuchten,
werden stetig häufiger und intensiver. Katastrophenforscher Massimiliano Pittore über die
Ursachen und welcher besondere Risikofaktor in Südtirol besteht.

von Christian Frank

Das trübe Wasser zieht langsam aus den Straßen, aus dem Schlammpfuhl ragen Trümmerteile
von Häusern hervor, in denen noch vor kurzem Leben herrschte. Zuerst trafen die Regenfälle
Österreich und Polen, ehe sie sich über Italien hermachten und eine morastige Spur der
Verwüstung hinterließen. 2.500 Menschen mussten in Italien im Zuge der
Überschwemmungen evakuiert werden. Besonders leidtragend waren einmal mehr die Bürger
der Regionen Marken und Emilia-Romagna. In Turnhallen oder im Obdach von Verwandten
und Freunden mussten sie zusehen, wie ihr Heim von den Wassermassen geflutet oder gar
demontiert wurde. Die Szenen erinnern an die Bilder des vergangenen Jahres, als 17
Menschen in den Unwettern ihr Leben ließen und die Schäden in den Milliardenbereich
langten.
Während sich die Politik an situativen Querelen aufhängt und sich linke und rechte Parteien
gegenseitig Schuldzuweisungen zuspielen, stellt sich zusehends die Frage, ob diese
Phänomene allmählich Alltag werden.
Der Einschätzung von Massimiliano Pittore zufolge kann dies mit einem knappen „Ja“
beantwortet werden. Der promovierte Physiker forscht am Zentrum für Klimawandel am
Forschungsinstitut Eurac. Zudem ist er federführend an der dort arbeitenden
Forschungsgruppe für Klima- und Katastrophenrisiko beteiligt.
„Da die Temperatur weltweit und insbesondere im Mittelmeerraum weiter ansteigt, wird sich
dieser Trend in den kommenden Jahren fortsetzen, sodass wir in naher Zukunft mit mehr
Extremereignissen dieser Art und mit größerer Intensität rechnen müssen. Die Folgen für die
betroffene Bevölkerung werden noch gravierender“, lautet Pittores harsche Prognose.
Der September ist berüchtigt als Starkregenmonat, und Überschwemmungen sind dem
Katastrophenexperten zufolge nicht ungewöhnlich – das Ausmaß jedoch sehr wohl.
„Die jüngsten Starkregenereignisse sind in dieser Jahreszeit nicht ungewöhnlich, können aber
durch den globalen Temperaturanstieg erheblich verstärkt werden. Dieser Sommer hat alle
Temperaturrekorde gebrochen, und im Mittelmeerraum ist dieser Temperaturanstieg noch
ausgeprägter“, so Pittore und erläutert, wie es zu einem klimatischen Zusammenspiel mit
einer solchen Verwüstungskraft kommen kann: „Der Temperaturanstieg begünstigt die
Verdunstung großer Wassermengen, die sich beim Zusammentreffen mit kalten Luftmassen
aus dem Norden in sehr starke Regenfälle verwandeln, wie wir in den letzten Tagen gesehen
haben.“
Die Frequenz der Umweltkatastrophen bereitet dem Klimaforscher die größten Sorgen, denn
sie nimmt den Hilfsstrukturen die Luft zum Durchatmen.
„Ein besonders problematischer Aspekt ist jedoch die Zunahme der Häufigkeit solcher
Phänomene, die das Schutz- und Reaktionssystem in eine Krise stürzen können. In der
Emilia-Romagna kam es in zwei aufeinanderfolgenden Jahren zu katastrophalen
Überschwemmungen. Auch dies stellt die Widerstandsfähigkeit der Gebiete auf die Probe
und kann langfristig schwerwiegende Folgen haben“, so Pittore. Für ihn steht fest, dass wir
auf die Herausforderungen nicht ausreichend vorbereitet sind und rasche Anstrengungen
präventiver Natur vonnöten sind.
„Wir müssen unsere Bemühungen um eine Anpassung unseres Systems zur Risikoprävention
und zum Risikomanagement unbedingt beschleunigen“, mahnt Pittore. Darunter versteht er

einerseits die Aufklärung der Bürger, sodass sie mehr Verantwortung in solchen Krisenzeiten
übernehmen können und in der Lage sind, bei solchen Katastrophenereignissen proaktiv mit
den Behörden zu kollaborieren. Andererseits sieht er eine Verbesserung der Kapazitäten zur
Risikoprävention und -minderung als unumgänglich, sodass das Schadensausmaß und die
langfristigen Folgen verringert werden können.
Regionen wie Emilia-Romagna sind mittlerweile gezeichnet und berüchtigt dafür, von
verheerenden Unwettern heimgesucht zu werden. Doch auch Südtirol läuft zunehmend
Gefahr, den Naturgewalten zum Opfer zu fallen, findet der Klimaforscher.
„Südtirol ist mit Sicherheit zunehmend den Folgen des Klimawandels ausgesetzt. Als
Gebirgsregion sind viele Prozesse von steigenden Temperaturen betroffen“, erklärt Pittore. Er
fürchtet die Gefahr, die aus sich intensivierenden Stürmen und Regenfällen ausgeht und die
für Südtirol kennzeichnenden Berge zu einem unberechenbaren Risikofaktor verwandeln
könnte.
„Die Intensität der Niederschläge in den Bergen kann den Sedimenttransport in den Flüssen
erhöhen und zu Überschwemmungen führen. Darüber hinaus können Phänomene wie das
fortschreitende Auftauen des Permafrosts in großen Höhen das Risiko von Einstürzen,
Felsstürzen und Erdrutschen erhöhen.“
Während Pittore die auf empirischen Forschungen basierenden Ausmaße des Klimawandels
beschreibt, steuern politische Bewegungen nah und fern in eine Richtung, in der selbst die
Apodiktik dieses Wandels nicht gegeben ist.
Die in Deutschland stark an Zuwachs gewinnende AfD will alle geltenden
Klimavereinbarungen aufkündigen, sieht den Klimawandel nicht mehr als Kampfbegriff. Der
ehemalige und erneut für das Amt aufgestellte US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump
sieht darin nicht mehr als ein Ammenmärchen.
„Die Leugnung oder Unterschätzung des Ausmaßes der Klimakrise ist ein ernstes Problem,
das die Sicherheit und wirtschaftliche Stabilität unseres Landes und vieler anderer Länder in
Europa und der Welt jetzt und in den kommenden Jahren bedroht“, bangt der Klimaforscher.
Er sieht in der Verringerung der klimaschädlichen Gasemissionen die entscheidende
Maßnahme, um eine Verlangsamung des globalen Erwärmungsprozesses zu ermöglichen.
„Es ist eine Herausforderung, die innovative, mutige und nachhaltige Entscheidungen
erfordert – Eigenschaften, die in der derzeitigen politischen Landschaft eher fehlen“,
appelliert der Klimaforscher.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (6)

Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen

  • gulli

    Dann wird es halt ein bisschen wärmer, ist egal, Hauptsache wir können weitermachen wie bisher. Die Wirtschaft muss wachsen, die Party muss steigen, der Rubel muss rollen, mehr ist mehr!

    • brutus

      Die Grünen in Deutschland wollten mit Zwang der Klimakrise begegnen! Heizungsgesetz und Deindustrialisierung lassen grüßen!
      …erreicht haben sie das Gegenteil!
      …soziale Unzufriedenheit ist der größere Sprengstoff für die Zukunft als es das Klima je sein wird!

  • steve

    Jeder der Lösungen präsentiert und etwas verändern will, auch im Sinne der Wirtschaft, wird als Depp hingestellt.
    Die Politik der angeblichen Mitte schafft es nur noch den politischen demokratischen Mitstreiter zu diskreditieren und verächtlich zu machen.
    Besonders ein Bayer sticht hervor!

    Über Lösungen zu reden, die es wirklich gäbe, Fehlanzeige!

  • placeboeffekt

    Jein, Herr Klimaforscher

    Eine Ursache ist der Klimawandel, aber eine zweite, global gesehen, wird hier nicht angesprochen.

    Die unglaubliche Verbauung und zubetonierung ganzer Landschaftsstriche.

    Wer vor 25 Jahren die Küste Floridas abfuhr, der konnte meilenweit unberührte Küstenstreifen bewundern
    Inzwischen wurden Hütten ohne Ende dort gebaut

    Was genau jetzt, durch den Hurrikan Helene, zu immensen Schäden führte.

    Immer nur den Klimawandel für die Dummheiten und Versäumnisse der Politik als Ursache zu benennen ist natürlich sehr bequem.

  • andreas

    Das Klima lässt sich kaum und schon gar nicht mittelfristig, ändern, auch wenn manche meinen, mit ihrem Elektroauto die Welt zu retten.
    Was man tun kann ist in gefährdeten Zonen bauliche Maßnahmen zu treffen, um die Gefahr abzumildern, komplett eliminieren kann man sie auch nicht.

    Wie sehr der Mensch zum Klimawandel beigetragen hat, keine Ahnung, jedenfalls ist die Schuldzuweisung an Rechts und Links Unsinn.
    Ud diese heuchlerischen Klimaretter wie v.d. Leyen, welche mit einem Verbrenner von Audi durch die Gegend kutschiert wird oder eine Baerböck, welche sinnlos durch die Weltgeschichte fliegt, kann man nicht wirklich ernst nehmen.

Kommentar abgeben

Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.

2024 ® © Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH/Srl Impressum | Privacy Policy | Netiquette & Nutzerbedingungen | AGB | Privacy-Einstellungen

Nach oben scrollen