„Angriff auf die Autonomie“
Der Südtiroler Schützenbund warnt vor einer zunehmenden Aushöhlung der Autonomie Südtirols und der damit verbundenen sprachlichen Gleichstellung. Anlass ist eine kürzlich auf den Weg gebrachte Durchführungsbestimmung, die eine erhebliche Aufweichung des Proporzes für Staatsstellen vorsieht.
Der Landeskommandant des Südtiroler Schützenbundes, Major Roland Seppi, äußert sich dazu deutlich: „Diese Entscheidung würde einen massiven Eingriff in die sprachlichen Rechte der deutschsprachigen Bevölkerung darstellen und widerspräche den Grundprinzipien unserer Autonomie.“
Der Vorschlag zu dieser umstrittenen Bestimmung erfolgte unter der Leitung der Fratelli d’Italia, welche derzeit die Sechserkommission führt, die für die Weiterentwicklung der Südtiroler Autonomie zuständig ist. Mit Zustimmung der Südtiroler Volkspartei (SVP) und unter dem Deckmantel „Flexibilisierung des Proporzes“ soll angeblich der Personalnotstand in den Bereichen wie Justiz, Post und der Agentur der Einnahmen Einhalt geboten werden, heißt es in der SSB-Aussendung.
Diese Regelung würde es erlauben, Mitarbeiter einzustellen, ohne die vorgeschriebenen Deutschkenntnisse zu verlangen – eine klare Missachtung der bestehenden Autonomiebestimmungen, die die Gleichstellung der deutschen, ladinischen und italienischen Sprachgruppen im öffentlichen Dienst sichern sollen, so Seppi.
Schwerwiegender Präzedenzfall für die Zukunft
„Mit dieser Entscheidung würde ein gefährlicher Präzedenzfall geschaffen, der den Weg für weitere Aufweichungen des Proporzes ebnet und langfristig die Rechte der deutschsprachigen Bevölkerung Südtirols bedroht“, betont Seppi. Besonders kritisch sieht der Landeskommandant des Südtiroler Schützenbundes, dass Senator Meinhard Durnwalder die Maßnahme mit dem Argument verteidigt, dass aufgrund eines Mangels an deutschsprachigem Personal diese Praxis bereits in der Vergangenheit angewandt wurde – auch wenn bislang die rechtliche Grundlage dafür fehlte. „Warum es an deutschsprachigem Personal mangelt und welche politischen Versäumnisse dazu geführt haben, wird dabei nicht genannt“, kritisiert Seppi.
Deutsch als Fremdsprache im eigenen Land?
Die geplante Regelung, welche ausschließlich befristete Arbeitsverträge umfasst, soll laut SVP-Senator Meinhard Durnwalder dazu dienen, die Funktionsfähigkeit der betroffenen Dienste zu gewährleisten. Doch der Südtiroler Schützenbund sieht darin einen fundamentalen Angriff auf die Autonomie. „Fakt ist, dass unsere Muttersprache, trotz der weltweit als vorbildlich gepriesenen Autonomie und trotz aller Lippenbekenntnisse, immer mehr zur Fremdsprache im eigenen Land verkommt. „Diese Regelung schafft einen gefährlichen Präzedenzfall und öffnet künftigen Eingriffen in den Proporz Tür und Tor“, warnt Seppi nachdrücklich.
Appell an die politischen Entscheidungsträger
Der Südtiroler Schützenbund fordert die politischen Vertreter in Rom und Bozen auf, diese Fehlentwicklung umgehend zu stoppen. „Wir verlangen von unseren politischen Repräsentanten, dass sie den Proporz verteidigen und die sprachliche Gleichstellung im öffentlichen Dienst konsequent sicherstellen“, erklärt der Landeskommandant. Es sei inakzeptabel, dass Südtiroler Bürger in ihrem eigenen Land immer häufiger auf italienischsprachige Ansprechpartner treffen, wenn sie mit staatlichen Einrichtungen in Kontakt treten.
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Kommentare (7)
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rowa
Solange nicht genügend Mitarbeiter befunden werden wird es wohl oder übel die einzige Lösung sein, Proporz hin oder her. Ansonsten sollen sich alle bemühen, genügend Bewerber der richtigen Sprachgruppe zu finden … weil andererseits spart man auch nicht mit Kritik wenn Dienste schlecht oder gar nicht funktionieren.
artimar
Leben wir etwa einem Untertanenstaat?
Moderne Verwaltung ist jedenfalls Service und nicht Diskriminierung und Ungleichwertigkeit der Bürgerschaft.
heracleummantegazziani
Da haben Sie aber tief in der Schublade der plakativen Rhetorik gekramt. Was die Schützen und alle, die ihnen beipflichten, einfach nicht verstehen wollen ist, dass es Menschen braucht, damit Verwaltung funktionieren kann. Wenn nun jene, die das Anrecht auf einen Platz in der Verwaltung hätten, kein Interesse daran haben gibt es – will man verhindern dass Dienstleistungen nicht erbracht werden – nur drei Lösungen: Es werden Menschen zum Dienst verpflichtet (wie in Diktaturen), oder man verzichtet auf Dienstleistungen (wie in der 3. Welt) oder man stellt Menschen ein, die bereits sind, die Arbeit zu übernehmen.
Würde man Dienstleistungen nicht oder nur schwer erbringen, würden die Schützen und ihre Geistesgenossen wieder „Skandal“ schreien, würde man Beamte überdurchschnittlich entlohnen, um die Posten schmackhaft zu machen, würden sie ebenfalls „Skandal“ schreien. Rechte müssen auch umsetzbar sein.
Kurzum, die eierlegende Wollmilchsau, die die Schützen und ihre Geistesgenossen herbeireden wollen, gibt es nicht. Wichtiger als die proportionale Verteilung der Arbeitsplätze in der ÖV ist die Beherrschung beider (bzw. der drei) Landessprachen. Da kann es im Prinzip egal sein, ob Anton oder Giovanni eine Genehmigung oder ein Zertifikat ausstellt.
heracleummantegazziani
*bereit sind*
markp.
@heracleummantegazziani
Ihre Rethorik ist ja jetzt auch nicht gerade defensiv. Aber zum Thema: in der Theorie stimmt alles,das ja was Sie schreiben, und bestimmt gibt es keine Patentlösung.
Aber auch Sie schreiben: „Wichtiger als die proportionale Verteilung der Arbeitsplätze in der ÖV ist die Beherrschung beider (bzw. der drei) Landessprachen. “
Aber genau da sehen die Schützen und Gleichgesinnten (ich bin kein Fan der Schützen, aber bei diesem Thema sehe ich es ähnlich) die Gefahr, dass das Recht auf die Muttersprache immer weiter unterwandert wird. Mit der Aufweichung des Proporzes ist die Gefahr gegeben, – Fratelli d’Italia lässt grüßen – dass die Beherrschung der zwei bzw. drei Landessprachen in den Hintergrund rückt.
Es ist ja aktuell schon so, daß man – speziell in Bozen – für sein eigentlich verbrieftes Recht, jeden Tag kämpfen muß. Mit Aufweichung des Proporzes, dürfte es wohl kaum besser werden.
Natürlich kann man sich jetzt fragen, was ist wichtiger: kompetentes Personal oder dem nicht so kompetenten Personal mit dem patentino Vorrang geben. Aber das ist wiederum ein anderes Thema.
heracleummantegazziani
Was hat „plakativ“ mit „defensiv“ zu tun? Plakativ ist doch kein Synonym für aggressiv.
heracleummantegazziani
Nein, denn den Sprachnachweis zu erbringen ist immer noch eine Voraussetzung in der ÖV. Man kann über das sprachliche Niveau diskutieren oder wie es manche geschafft haben einen Sprachnachweis zu besitzen. Aber das ist ein anders gelagertes Problem.
Der Kompetenz würde ich beispielsweise im mediziischen Bereich auf jeden Fall den Vorrang geben.