„Lege die Hand ins Feuer“
Nach dem Fall der zwei Spitzenbeamten des Landes, von denen der Rechnungshof 600.000 Euro zurückverlangt, geht in der Landesbeamtenschaft die Angst um.
von Artur Oberhofer
Die Stimmung in den Landespalästen ist mies bis miserabel. „Das, was mit unseren beiden Kollegen passiert ist“, sagt ein hoher Landesbeamter im Hintergrundgespräch mit der TAGESZEITUNG, „war für viele leitende Beamte ein regelrechter Schock.“
Der Hintergrund: Am vergangenen Freitag hat die Finanzpolizei in einer Presseaussendung bekanntgegeben, dass die Staatsanwaltschaft am Bozner Rechnungshof zwei Spitzenbeamten des Landes einen Bescheid über den Abschluss der Ermittlungen zugestellt und sie eingeladen hat, zu den Vorhaltungen Stellungen zu beziehen.
Den beiden Top-Beamten wird von der Staatsanwaltschaft am Rechnungshof vorgeworfen, eine Fläche zur Erweiterung der Santnerpass-Hütte weit unter dem effektiven Wert an einen Privaten (Stefan Perathoner) verscherbelt zu heben.
Es geht um eine Fläche von 900 Quadratmetern, deren Wert von den nun unter Ermittlung stehenden Landesbeamten auf 27.450 Euro geschätzt worden war. Laut Staatsanwaltschaft am Rechnungshof bzw. des von ihr beauftragten Gutachters wäre die verkaufte Fläche aber 640.000 Euro wert gewesen. Also fordert die Staatanwaltschaft von den Beamten jetzt die Differenz von rund 600.000 Euro zurück.
Dieser Fall ist in mehrerlei Hinsicht brisant und möglichweise sogar exemplarisch.
Erfahrene Juristen beim Land wundern sich jedenfalls, warum die Finanzpolizei in einer Phase an die Öffentlichkeit gegangen ist, in der die unter Ermittlung stehenden Spitzenbeamten noch gar nicht angehört worden sind bzw. noch nicht ihre Widerrede zu den Vorhaltungen deponiert haben. Man habe es mit einem Fall von Vorverurteilung zu tun, heißt es beim Land.
Die Bescheide über den Abschluss der Ermittlungen wurden den beiden Top-Beamten am Freitagmorgen zugestellt, am Nachmittag ging die Pressemitteilung der Finanzpolizei bereits an die Medien.
Böse Zungen behaupten, dass dieser spektakuläre Schritt deswegen gesetzt worden sei, um die fünfjährige Verjährungsfrist zu stoppen. Was für diese These spricht: In dieser laufenden Woche wäre der Fall tatsächlich verjährt.
Zwar haben die beiden Spitzenbeamten, deren Namen die TAGESZEITUNG in dieser delikaten Phase nicht nennt, viel Solidarität von KollegInnen und von der Politik erhalten (Ex-Landesrat Massimo Bessone erklärte beispielsweise, er lege für die beiden Landesbeamten „die Hand ins Feuer“), aber mit dem Damoklesschwert einer 600.000-Euro-Forderung über dem Kopf muss ein Landesbeamter, auch wenn er ein Spitzenamt einnimmt, erst einmal fertig werden.
Einer der beiden Beamten ist denn auch am Boden zerstört. Aus dem direkten Umfeld des Amtsdirektors heißt es: „Der Betroffene ist sich überhaupt keiner Schuld bewusst, aber er weiß, dass Recht haben und Recht bekommen zwei verschiedene Dinge sind, sprich: man weiß in einem Gerichtsverfahren nie, wie es ausgeht, daher ist die Situation außerordentlich belastend.“
Ein enger Freund des betroffenen Amtsdirektors sagt, dass Fälle wie diese dazu beitragen, dass Spitzenjobs in der Landesverwaltung nicht mehr attraktiv seien. In den Landespalästen gehe die Angst um, wer wohl der oder die nächste sein werde.
Gerade in Bereichen wie dem Schätzwesen, das keine Wissenschaft, sondern eine Disziplin ist, in der zwangsläufig auch das Subjektive mitschwingt, werden sich künftig nur mehr wenige Beamte finden, die bereit sind, mit ihrer Unterschrift geradezustehen.
Auch der betroffene Top-Beamte, so heißt es aus dessen engster Umgebung, habe sich die Frage gestellt, warum er für 3.000 oder 4.000 Euro im Monat hunderte Schätzungen pro Jahr machen und dafür auch noch persönlich haften soll. „Es kommt noch so weit, dass das Land heikle Sachen an externe Experten und/oderFreiberufler ausgeben muss, weil die eigenen Beamten unter diesen Voraussetzungen nicht mehr bereit sind, Verantwortung zu übernehmen“, so der Tenor.
Zwar haben fast alle Spitzenbeamten des Landes eine Rechtsschutzversicherung (die rund 1.500 Euro im Jahr kostet und von den Beamten aus eigener Tasche bezahlt wird). Aber eine Ermittlung, sagt ein hoher Landesbeamter, sei auch mit einem „enormen psychischen Druck verbunden“. Im konkreten Fall hat einer der beiden unter Ermittlung stehenden Beamten das minderjährige Kind beruhigen und schwören müssen, dass er gewiss nicht eingesperrt werde.
Und es gibt auch das finanzielle Risiko. Die Beamten müssen sich im Fall einer gerichtlichen Ermittlung einen Anwalt nehmen. Bis 2018 war es so, dass Landesbeamte nur im Falle eines Freispruchs, nicht aber im Fall einer Archivierung (und schon gar nicht im Fall einer Verurteilung) die Rechtsspesen vom Land ersetzt bekommen haben. Diese Bestimmung wurde abgeändert. Jetzt bekommen sowohl Landesbeamte, die freigesprochen werden als auch jene, deren Causa archiviert wird, die Anwaltskosten rückerstattet. Die Beamten müssen allerdings bei ihren Anwälten in Vorleistung gehen.
Meritorisch ist der Fall Santnerpasshütte ziemlich komplex. Und sogar Paul Köllensperger, der die Ermittlung mit einer Eingabe losgetreten hat, bedauert im Nachhinein, „dass die Bürokraten zahlen und nicht die SVP, die das Ganze verschuldet“ habe.
Für Paul Köllensperger war der Fall Santnerpasshütte ein gefundenes Fressen im Wahlkampf. Der Chef der größten Oppositionspartei konnte dem Landeshauptmann und dessen Partei vorwerfen, diese verscherbelten sogar den Rosengarten. Köllensperger wollte den Landeshauptmann und die Volkspartei treffen, hängengeblieben ist der Fall am Ende bei zwei Landesbeamten.
Zwei Juristen, die die TAGESZEITUNG befragt hat, sind überzeugt, dass der Fall wie das Hornberger Schießen enden werde. Die Stoßrichtung der Verteidigung dürfte sein: Gründe, auf denen Schutzhütten stehen bzw. erweitert werden, haben de facto keinen Marktwert, da dort nur der bauen kann, der bereits eine Hütte hat.
Die Art von Schätzmethode, die im konkreten Fall angewandt worden sei, trage auch den erhöhten Baukosten, die in solch hohen Lagen entstehen, Rechnung und werde seit 30 Jahren genauso angewandt wie im Fall der Santnerpasshütte.
Kommentare (61)
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