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Delpero goes Oscars

Hochzeit in „Vermiglio“

Vermiglio ist ein Dorf in der Val di Sole, seit Maura Delperos Film ist „Vermiglio“ aber auch in den Kinos. Zum Silbernen Löwen gesellt sich jetzt eine erste Oscar-Nominierung.

 von Renate Mumelter

Sagen wir so: ich bin mit gründlichen Vorurteilen in Delperos „Vermiglio“ gegangen. Das hat damit zu tun, dass ich nach zahllosen Kino- und Literatur-Sujets mit Bergdörfern, Landbevölkerung und Kriegszeiten keine Lust mehr auf solche Geschichten habe.

Der Große Preis der Jury in Venedig, warf dann aber doch Fragen auf. Es konnte ja nicht sein, dass Isabelle Huppert, James Gray, Andrew Haigh, Agnieszka Holland, Kleber Mendonça Filho, Abderrahmane Sissako, Giuseppe Tornatore, Julia von Heinz, Zhang Ziyi nur dem exotischen Alpendorfambiente erlegen sind. Nach einem Kinobesuch, musste ich ein paar Dinge revidieren.

„Vermiglio“ erzählt eine Frauengeschichte aus den Bergen wie ich sie so noch nicht gesehen habe

Konsequente Delpero

„Vermiglio“ zeigt, dass Delpero mit ihren Filmen ganz unaufdringlich eine sehr konsequente Linie fährt. Immer stehen Frauen im Mittelpunkt, immer geht’s ums Leben und um das Weitergeben von Leben, und immer geht es um’s Aufbrechen von starren Mustern, um Lebensentwürfe.

„Vermiglio“ erzählt eine Frauengeschichte aus den Bergen wie ich sie so noch nicht gesehen habe.

Im Mittelpunkt steht die Lehrerfamilie des Dorfes. Der Lehrer sei ihrem Großvater nachempfunden, sagt Delpero. Auch er war Lehrer, etwas despotisch, gütig und wissensdurstig. Der Lehrer hat mehrere Kinder und es werden noch mehr.

Die älteste Tochter ist im heiratsfähigen Alter, und als im Dorf ein junger Soldat auftaucht, scheut sie nicht davor zurück, ihm seine Zuneigung zu zeigen – mit allen Folgen. Daraus entwickelt sich die vordergründige Geschichte.

Daneben geht es aber auch um das Leben der Geschwister und Lebensentwürfe, an die sie sich halten sollten.

Genauer betrachtet geht es auch um Sexualität, die eigentlich eh dazugehört – wie sonst könnte die Lehrerfamilie ständig wachsen. Hier werden aber um geheime Schubladen erzählt oder ganz normale Dinge, die zwar gelebt werden aber als schwere Sünde gelten und das Essen von Hühnerkacke erfordern können.

Formvollendet

Diese inhaltlich besonderen Perspektiven sind einer der Vorzüge von Vermiglio. Es gibt aber auch formale Vorzüge wie die Besetzung der Rollen oder die sehr konsequente Bildsprache, die mit kühlen Farben spielt. Der Verzicht auf überflüssiges musikalisches Verzieren ist genauso angenehm wie der bedächtige Schnitt und das Fehlen von Gequatsche. Das Wortkarge wirkt bei „Vermiglio“ selbstverständlich, nicht gewollt und gequält wie sonst oft.

„Maternal“

„Vermiglio“ hat mich trotz der Thematik im Kino behalten.

Maura Delpero ist zu wünschen, dass ihr Film die nächsten Auswahlstufen zur Oscar-Nacht auch noch schafft, vor allem aber ist ihr eine gute Finanzierung für das nächste Projekt zu wünschen.

P.S.

Dass Maura Delpero in Bozen geboren ist, muss hier nicht extra nachgereicht werden, wohl aber, dass sie bereits früher sehenswerte Filme machte, in denen Frauen eine wichtige Rolle spielen, den Dokumentarfilm „Nadea e Sveta“ (2012) oder den Spielfilm „Maternal“ (2019).

Filmtreff Kaltern

Im Filmtreff Kaltern ist am Sonntag Antonin Svobodas „Persona non grata“ mit Gerti Drassl in der Hauptrolle zu sehen.

 

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