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Der Faktor Kamerad

Symbolbild

Der Anteil der Überlebenden bei Lawinenunfällen ist in den vergangenen 40 Jahren um zehn Prozent gestiegen. Doch die Phase, in der die Überlebenswahrscheinlichkeit am höchsten ist, muss von 18 auf 10 Minuten nach unten korrigiert werden.

Der Anteil der Überlebenden bei Lawinenunfällen ist in den vergangenen vierzig Jahren um zehn Prozent gestiegen, wobei sich die Verschüttungsdauer deutlich verkürzt hat.

Eine neue Studie mit Daten aus der Schweiz zeigt jedoch, dass die Zeitspanne, in der die Überlebenswahrscheinlichkeit am höchsten ist, sich von 18 auf zehn Minuten verringert hat – vermutlich wegen Veränderungen in der Schneedichte.

Dies unterstreicht die entscheidende Rolle der Kameradenrettung.

Die Ergebnisse der Studie von Eurac Research und dem Schweizer WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF wurden gestern im renommierten JAMA Network Open veröffentlicht, das von der American Medical Association monatlich herausgegeben wird.

Moderne Lawinenverschütteten-Suchgeräte, Schaufeln und Sonden, die mittlerweile Standard bei Skitouren sind, sowie vielbesuchte Lawinenkurse und immer effizienter organisierte Rettungsteams: All dies hat dazu beigetragen, dass Verschüttete schneller gefunden und gerettet werden.

Entsprechend hat sich die Überlebensrate bei Lawinenverschüttungen im Verlauf der vergangenen vierzig Jahre erhöht.

„Bis 1990 haben 43,5 Prozent der Verschütteten überlebt, jetzt sind es 53,5 Prozent“, erklärt Simon Rauch, Erstautor der Studie und Notfallmediziner von Eurac Research.

„Wir haben Daten von 1981 bis 2020 analysiert und mit der „Nature“ Studie von 1994 verglichen, die einen Zeitraum von zehn Jahren abdeckte.“

Weitere Ergebnisse der Neuauswertung zeigen, dass auch die Überlebenswahrscheinlichkeit bei Langzeitverschütteten (über 130 Minuten) von 2,6 auf 7,3 Prozent gestiegen ist.

Die durchschnittliche Rettungsdauer hat sich insgesamt von 45 Minuten auf 25 Minuten verkürzt, wobei sich die Bergungsdauer bei Kameradenhilfe von 15 auf zehn Minuten und die Bergungsdauer bei organisierter Rettung von 153 auf 90 Minuten verkürzt haben.

Die Lawine in Schnals, Hermann Brugger (Foto: FB/Sandy Gurschler)

Allerdings hat sich die Phase, in der die Überlebenswahrscheinlichkeit bei über 90 Prozent liegt, von 18 auf zehn Minuten verkürzt.

„1994 haben wir die Überlebenskurve in verschiedene Phasen eingeteilt und zum ersten Mal festgestellt, dass die erste Phase, in der die Überlebensrate sehr hoch ist, bis zu 18 Minuten dauert. Dies ist mittlerweile weltweit ein Referenzwert in der Bergrettung, der nun nach unten korrigiert werden muss“, erklärt Hermann Brugger von Eurac Research, Autor der ersten Studie von 1994 und Mitautor der aktuellen Studie.

Zur Ursache der drastischen Verkürzung dieser Zeit gibt es bisher nur Hypothesen. „Es könnte sein, dass durch den Klimawandel und andere Faktoren die Schneedichte zugenommen hat. Je dichter der Schnee, desto weniger Luft enthält er und desto schwieriger ist das Atmen unter dem Schnee“, sagt Rauch.

Diese Vermutung sei jedoch noch nicht durch Daten belegt.

„Die Zeit ist der entscheidende Faktor, zehn Minuten sind extrem kurz. Deshalb muss allen bewusst sein, dass die Überlebenschance bei einer Lawinenverschüttung dreimal so hoch ist, wenn Kameradinnen und Kameraden die Verschütteten ausgraben, als wenn dies erst durch organisierte Rettungsteams geschieht“, betont Rauch.

Allerdings zeigt die Studie auch, dass die präventiven Maßnahmen wie Lawinenwarndienste, Schulung der Tourengeherinnen und Tourengeher, sowie die Techniken zur Ortung und Bergung von Verschütteten und notfallmedizinischen Maßnahmen die Mortalität von Lawinenverschütteten in den letzten Jahrzehnten deutlich verringert haben.

Das Schweizer WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF stellte die Daten für die Studie zur Verfügung. Der Biostatistiker Markus Falk steuerte eine Analyse der Daten mithilfe eines komplexen statistischen Modells bei.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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