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„Wir sind Allrounder“

Theodor von Fellenberg ist Chefarzt im Gesundheitszentrum Val Müstair gleich hinter der Schweizer Grenze. Seit zwei Jahren werden dort auch Patienten aus dem Vinschgau betreut.

Tageszeitung: Herr Dr. von Fellenberg, das Spital Val Müstair verfügt über nur vier Patientenzimmer und schreibt trotzdem schwarze Zahlen. Das war der Neuen Züricher Zeitung neulich einen langen Artikel wert. Wie schaffen Sie das?

Theodor von Fellenberg: Da muss man etwas differenzieren. Wir sind kein Spital im herkömmlichen Sinne, sondern ein Gesundheitszentrum. Das heißt, dass mehrere Dienste unter einem Dach untergebracht sind: Arztpraxen, Notfallstation, Rettungsdienst, Akutspital, Pflegeheim, Hauspflege. Dadurch können wir die Mitarbeitenden dort einsetzen, wo sie gerade gebraucht werden und das macht die Führung unserer Einrichtung effizienter. Außerdem besteht unser Ärzteteam aus Generalisten.

Was verstehen Sie darunter?

Unsere Ärzte und Ärztinnen sind Allrounder. Sie sind in der Lage, die meisten medizinischen Fälle zu behandeln und abzuschließen. Das hat den Vorteil, dass unsere Patienten alle erforderlichen Untersuchungen bei uns unter einem Dach und ohne lange Wege und Wartezeiten machen können – vom Röntgen und Ultraschall bis zur Laboruntersuchung. Sie bekommen ihre Diagnose und können mit der Therapie nach Hause gehen. Schwere Fälle sind natürlich ausgenommen – diese werden von uns an die Spezialisten und an die größeren Spitäler weitergeleitet.

Finden Sie ausreichend solcher „Alleskönner“, zumal Santa Maria sehr peripher liegt?

Es ist nicht einfach. Derzeit beschäftigen wir fünf breit ausgebildete Fachärzte mit mehreren Facharzttiteln und diversen Fähigkeitsausweisen in Teilzeit plus zwei Assistenzärzte. Weil das Team so klein ist, bedeutet dies viele Wochenenddienste und das schreckt viele neue Bewerber ab. Dazu kommt, dass der Trend schon länger weg vom Generalisten und hin zum Spezialisten geht. Die Ausbildung ist deshalb anders ausgerichtet. Das ist schade. Ich bin nämlich überzeugt, dass es ohne Generalisten keine medizinische Versorgung in der Peripherie mehr geben wird. Das wiederum hat zur Folge, dass die Menschen abwandern.

Die höheren Löhne in der Schweiz ziehen viele Pflegekräfte aus dem Vinschgau ab. Ist der finanzielle Aspekt der einzige Anreiz?

Auch im Gesundheitszentrum Val Müstair arbeiten zum großen Teil Pflegekräfte aus Südtirol. Der höhere Lohn ist sicher ein Grund dafür, obwohl man erst schauen muss, wie sich das neue Doppelbesteuerungssystem auswirken wird. Viele Pflegekräfte kommen jedoch auch wegen der flacheren Hierarchien, der abwechslungsreichen Arbeit und weil sie einen Bezug zu den Patienten aufgebaut haben. Ein bisschen sind wir hier wie eine große Familie.

Auch in der Schweiz gab es Tendenzen, die kleinen Spitäler zu schießen. Sie haben sich vor 20 Jahren erfolgreich dagegen gewehrt. Ist die Gefahr definitiv gebannt?

Das ist immer eine politische Entscheidung. Im Augenblick schaut es danach aus, als ob die kleinen Spitäler erhalten bleiben.

Seit zwei Jahren läuft ein grenzüberschreitendes Pilotprojekt mit Südtirol: Die Bewohner von Taufers im Münstertal können sich im Notfall in Santa Maria behandeln lassen. Abgerechnet wird über den Sanitätsbetrieb. Wie ist Ihre bisherige Bilanz?

Im Durchschnitt kommen etwa zwei bis vier Patienten täglich aus Taufers zu uns. Sie generieren etwa 10 Prozent des Umsatzes der Notfallstation. Laut einer internen Umfrage sind sie sehr zufrieden mit unseren Diensten. Geschätzt wird die geografische Nähe und der Vorteil, dass sie bei uns alle wichtigen Untersuchungen unter einem Dach machen können.

Das Pilotprojekt läuft mit Jahresende aus. Wird es verlängert?

Das muss die Südtiroler Politik entscheiden. Wir sind jedenfalls bereit dazu und auch zuversichtlich, dass die Zusammenarbeit weitergeht.

Gibt es Bestrebungen, das Pilotprojekt auf andere Vinschger Gemeinden auszudehnen?

Dazu gibt es noch keine konkreten Pläne. Sofern es gewünscht sein sollte, wären wir grundsätzlich bereit ein oder zwei zusätzliche Gemeinde mit zu betreuen.

Interview: Karin Gamper

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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