Du befindest dich hier: Home » News » Elektroautos auf Talfahrt

Elektroautos auf Talfahrt

In Deutschland und Italien brechen die Zahlen für neuzugelassene Elektroautos deutlich ein. Green Mobility-Leiter Harald Reiterer sieht die Schuld bei reformbedürftigen Förderprogrammen. Ausgerechnet Südtirol bildet letzthin jedoch eine positive Ausnahme.

von Christian Frank

In etwas über zehn Jahren dürfen in Europa nur noch Fahrzeuge zugelassen werden, die CO2-emissionsfrei laufen. Die Langzeit-Prognose für die Automobilindustrie lautet Nachhaltigkeit, und dabei richtet die Entwicklung ihr Hauptaugenmerk auf Elektroautos. „Das ist die Richtung, in die sich die Zukunft bewegen wird“, proklamierte einst der exzentrische Multi-Milliardär und Tesla-Chef Elon Musk. Die derzeitigen Entwicklungen lassen jedoch an einer geschmeidigen Elektro-Fahrt in Richtung Zukunft zweifeln.

Jüngsten Daten des ADAC zufolge brach der Markt für Elektroautos in Deutschland bedenklich ein. Im Vergleich zum Vorjahr kam es zu 69 Prozent weniger Neuzulassungen für Elektroautos. Auch in Italien wurde ein Minus von 19 Prozent verzeichnet. Erst kürzlich verkündete der VW-Konzern zum Missfallen tausender Mitarbeiter, dass in Brüssel ein Audi-Werk aufgrund geringer Käufernachfrage von der Schließung bedroht sei. Hauptexportgut aus diesem Werk ist der Elektro-SUV Q8-etron. Auch hierzulande, im traditionsträchtigen Autowerk Mirafiori in Turin, in dem das Elektromodell des Fiat 500 hergestellt wird, kam es vor einigen Tagen zur zweiten Zwangspause des Jahres. Aufgrund der mangelnden Nachfrage nach dem Modell soll das Werk nun satte vier Wochen ruhen. Bereits letztes Jahr gab es dort drei Zwangspausen. Betrachtet man die Situation der Elektroautos in Italien in Zahlen, stellt sich schnell heraus, dass der Stiefelstaat mit bloß 4,2 Prozent an Neuzulassungen von E-Autos als eines der Schlusslichter unter den europäischen Ländern fungiert. Ist die Zeit für die große Elektrowende immer noch nicht reif, oder sind ihre Tage gar schon gezählt?

„Schauen Sie, grundsätzlich glaube ich, dass es früher oder später eindeutig in Richtung Elektromobilität gehen wird. In manchen Ländern schneller, in anderen weniger schnell. Unabhängig von den Förderungen werden die Elektroautos fortlaufend günstiger und ihre Preise passen sich allmählich jenen der Verbrenner-Autos an“, beschwichtigt Harald Reiterer, der Bereichsleiter von Green Mobility. Die Talfahrt der Neuzulassungen will er nicht leugnen, weiß aber auch, woher diese Entwicklung rührt:

„Die Zulassungszahlen für Elektroautos sind eng mit den Förderungen in den jeweiligen Staaten verbunden. In Deutschland wurden die Förderungen fast über Nacht abgeschafft. In Italien wiederum gibt es auf staatlicher Ebene keine stabilen Förderungen. Zuerst werden großzügige Förderungen weit im Voraus angekündigt, was zu einer Marktblockade führt, danach sind die Förderungen bereits nach einem Tag aufgebraucht. Das führt zu Unsicherheit und zu entsprechender Zurückhaltung bei den Käufern. Wenn die Förderungen dann weg sind, gehen die Zulassungszahlen stark zurück.“

Für den Green-Mobility-Leiter steht fest, dass das derzeitige italienische Fördersystem alles andere als ideal und dringend reformbedürftig ist, denn was der Markt vor allem braucht, ist Stabilität: „Anstatt kurzzeitiger hoher Förderungen wäre ein längerfristig stabiles Fördersystem ideal. Dabei können die Förderbeiträge auch durchaus niedriger sein als bei den letzten Förderungen. Wichtig wären Stabilität und Investitionssicherheit für die Autokäufer, dann kommt der Rest von allein.“

Für Reiterer sprechen die Vorteile von Elektroautos eine klare Sprache, die bei besser organisierten Förderprogrammen auf mehr Gehör stoßen könnte.

„Elektroautos sind leise, mit ihrer stufenlosen und starken Beschleunigung super zu fahren, und zugleich blasen sie hinten keine krebserregenden Schadstoffe raus, die uns Menschen krank machen. Sie sind viel energieeffizienter als Verbrennungsmotoren, bei denen ein Großteil der Ausgangsenergie in Wärme verloren geht. Das heißt, wenn wir als Menschheit das Klima einigermaßen retten wollen, müssen wir auf solch effiziente Technologien umsteigen und weg von den fossilen Brennstoffen kommen“, so Reiterer.

Speziell Südtirol, so der Green-Mobility-Leiter, bestreite einen stabilen Trend. Trugen im vergangenen Jahr die Neuzulassungen von E-Autos auch lediglich magere vier Prozent bei, vernimmt Reiterer einen klaren Anstieg im ersten Halbjahr 2024. Dort übertrafen die Neuzulassungen in Südtirol jene aus dem Rest Italiens um ein Vielfaches und überholten zeitweise auch Deutschlands Neuzulassungen. Im Juni betrug der prozentuale Anteil in Südtirol 25,3 Prozent, während es in Italien lediglich 8,3 und in Deutschland 14,6 Prozent waren. Warum ausgerechnet Südtirol den neuesten Zahlen zufolge einen positiven Ausreißer darstellt, erklärt sich Reiterer mit einer „recht hohen Umweltsensibilität“ der Südtiroler und zugleich einem lokalen Fördersystem, das gegenüber dem staatlichen stabiler gestaltet ist.

Wenn man die Herausforderungen des Elektroautomarktes betrachtet, darf der Blick jedoch nicht allein auf das eigene Land ruhen. Die E-Autoindustrie in China boomt nämlich und kann den Modellen des Westens allemal das Wasser reichen und sie in vielen Fällen preislich unterbieten. Chinesische E-Auto-Hersteller wie BYD brillieren mit fortschrittlichen Batterien und Software-Technologie. Bislang noch werden chinesische E-Fahrzeuge sowohl in Europa als auch in den USA mit hohen Zöllen belegt, um westlichen Herstellern einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Lediglich ein Aufschub, prognostiziert Reiterer: „Chinesische Automarken werden sich mit Sicherheit einen bestimmten Marktanteil in Europa erobern.“

Reiterer sieht deutliche Versäumnisse der europäischen Autobauer und hofft auf einen Sinneswandel.
„Ich wünsche mir, dass sich die europäischen Autobauer ihrer Stärken besinnen und mit Hochdruck ihre Angebote und Technologien im Bereich der Elektromobilität verbessern. Leider haben sie in diesem Bereich zu lange geschlafen und krampfhaft an der Verbrenner-Technologie festgehalten. Nun müssen sie einen Rückstand aufholen“, kritisiert Reiterer.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (46)

Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen

Du musst dich EINLOGGEN um die Kommentare zu lesen.

2025 ® © Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH/Srl Impressum | Privacy Policy | Netiquette & Nutzerbedingungen | AGB | Privacy-Einstellungen

Nach oben scrollen