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„Wir sind die Schneidigen“

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Die Geschichte rund um die Abschussermächtigung für die zwei Wölfe im Obervinschgau wird immer peinlicher. Haben der LH und der sein Agrar-Landesrat nur eine Show abgezogen?

von Artur Oberhofer

Andreas Leiter Reber spart nicht mit Kritik: „Die strammen Saltner zu spielen, in der Hoffnung, damit die bergbäuerliche Wählerschaft zu beeindrucken, beleidigt die Intelligenz jedes vernunftbegabten Südtirolers.“

In der Tat entwickelt sich die Geschichte rund um die Abschussermächtigung des Landeshauptmannes für zwei Problemwölfe im Obervinschgau immer mehr zur Posse.

Vieles deutet darauf hin, dass die Ermächtigung ein billiger Polit-PR-Gag war. Oder, wie der Landtagsabgeordnete der Freien Fraktion, Andreas Leiter Reber, es knackiger formuliert: „Eine reine Show.“

Auf der Grundlage der Antworten von Landwirtschafts-Landesrat Luis Walcher auf eine Leiter Reber-Anfrage im Landtag lässt sich die peinliche Geschichte im Detail rekonstruieren.

Andreas Leiter Reber

Die Fakten: Am Freitag, den 9. August dieses Jahres, hat Landeshauptmann Arno Kompatscher eine Ermächtigung zur Entnahme zweier Wölfe im Obervinschgau unterzeichnet. Drei Tage verstrichen, ehe das Landespresseamt am 12. August, Montag, die Nachricht publik machte.

Anders als die Trentiner, die im Juli dieses Jahres – nur wenige Stunden, nachdem LH Maurizio Fugatti die Ermächtigung unterzeichnet hatte und noch bevor öffentlich bekannt wurde, dass das Abschussdekret erteilt wurde – die Problembärin KJ1 einfach abgeknallt hatten, geschah in Vinschgau nichts.

Am Dienstag, einen Tag nach Bekanntwerden der Kompatscher-Abschussverordnung, erwirkten die Tierschützer am Verwaltungsgericht bereits eine Aussetzung derselben.

Andreas Leiter Reber fragt jetzt spöttisch: „Ja, wie kann es sein, dass die eigens dafür eingerichtete Einsatzgruppe in fünf Tagen es nicht fertiggebracht hat, die beiden Tiere zu erlegen?“

Kleinlaut muss Landesrat Luis Walcher nun erklären: „Ab dem Zeitpunkt der Unterzeichnung des Entnahmedekretes durch den Landeshauptmann am Freitag (…) waren die Mitglieder der Einsatzgruppe rund um die Uhr nach einem vorher festgelegten Zeitplan im betreffenden Gebiet im Einsatz.“

Leider ohne Erfolg.

Die Frage Leiter Rebers, aus wie vielen Personen dieses Sondereinsatzkommando Wolf, das im Vinschgau unterwegs war, beantwortete der Landesrat nicht („Anzahl oder gar Namen der Mitglieder werden nicht genannt, um höchste Diskretion zu wahren und die Mitglieder vor persönlichen Anfeindungen zu schützen“.)

Andreas Leiter Reber stößt sich auch an der Vorgangsweise. „Es war ja vorauszusehen, dass die Tierschützer sofort zu Gericht rennen, sobald die Unterzeichnung der Abschussermächtigung publik wird“, sagt der Abgeordnete und fragt vor diesem Hintergrund, ob es nicht gescheiter gewesen wäre, die Nachricht von der Unterzeichnung des Dekretes nicht über das Landespresseamt hinauszuposaunen. Leiter Reber: „Liegt für den Landeshauptmann das öffentliche Interesse darin, dass die Wölfe entnommen werden, oder ist es wichtige, die geplante Entnahme öffentlich anzukündigen?“

Brisant ist ein weiterer Hintergrund: Wie Landesrat Luis Walcher im Nachhinein einräumt, habe der LH vor der Unterzeichnung der Abschussermächtigung bei der Wildbeobachtungsstelle des Landes ein Gutachten eingeholt. Diese Wildbeobachtungsstelle hat zwei Mal dringlich getagt: am 1. und am 5. August.

Bislang hatte es immer geheißen, das Gutachten der Wildbeobachtungsstelle sei positiv gewesen. Stimmt nicht, wie sich jetzt herausstellt.

Denn im Gutachten, das Landesrat Luis Walcher nun in Auszügen veröffentlicht hat, steht:

„Die Wildbeobachtungsstelle gibt ein positives Gutachten ab, vorbehaltlich, dass nachgewiesen und dokumentiert werden kann, dass die getroffenen Herdenschutzmaßnahmen den allgemein geltenden Standards entsprechen (…) und zum Zeitpunkt der Anfrage funktionsfähig waren.“

Das Zauberwort ist: Vorbehaltlich.

Was heißt das?

LH Arno Kompatscher hätte die Abschussermächtigung nicht unterzeichnen dürfen, weil es im konkreten Fall keine Herdenschutzmaßnahmen gab – bzw. weil der LH offenbar von seinen Ämtern, Wildbeobachtungsstelle inklusive, nicht vorher hat überprüfen lassen, ob die Herdenschutzmaßnahmen getroffen wurden und auch funktionsfähig waren.

Obendrein: Wissend, dass die Herdenschutzmaßnahmen nicht getroffen wurden, war von vornherein klar, dass die Ispra niemals grünes Licht für den Abschuss der Vinschger Wölfe erteilt hätte.

Zwar steht im Landesgesetz „Weideschutzgebiete und Maßnahme zur Entnahme von Wölfen“, dass der Direktor der Landesabteilung Forstwirtschaft im konkreten Anlassfall bzw. von Fall zu Fall festlegen kann, ob es sich beim Gebiet, in dem die Wölfe geschossen werden sollen – im konkreten Fall in Mals-Graun –, um ein Weideschutzgebiet handelt. Andreas Leiter Reber fragt jetzt nach, mit welchem Verwaltungsakt dies festgelegt wurde – und ob ein Lokalaugenschein gemacht worden sei.

Hinzu komme, sagt Andreas Leiter Reber, dass der Landeshauptmann hätte wissen müssen, dass spätestens nach dem EuGH-Urteil vom 11. Juli dieses Jahres eine Abschussverfügung, so wie er sie verfasst habe, rechtswidrig ist

Der Oppositionspolitiker Leiter Reber lässt denn auch kein gutes Haar am LH: „Der Landeshauptmann wollte wohl zeigen: Seht her, ich bin der Schneidige, ich und der Walcher, wir hätten schon tun wollen, aber wegen den blöden Tierschützern und wegen den bösen Richtern haben wir leider nicht dürfen.“

Andreas Leiter Reber will nun in einer weiteren Anfrage wissen, ob sich die Mitglieder von Luis Walchers Wolf-SEK in den fraglichen Tagen mit den Jagdaufsehern vor Ort getroffen und sich mit ihnen abgesprochen haben. Denn diese wüssten genau, wo die Streifgebiete der Wölfe sind. Oder, so fragt Leiter Reber, war es so, dass die Vinschger Wölfe „einfach nur schneller waren als Walchers schnelle Eingreiftruppe“?

 

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