Rund um den Globus
Matura in Italien, Bachelor in Österreich oder Deutschland – viele Südtiroler Medizinstudenten zieht es ins Ausland. Doch nicht alle kehren nach Abschluss ihres Studiums in die Heimat zurück.
von Nadia Tinkhauser
Immer mehr junge Südtiroler setzen ihre akademische Laufbahn im Ausland fort und entscheiden sich dann dafür, dort auch beruflich zu verbleiben. Der medizinische Bereich bildet dabei keine Ausnahme. Auch dort nimmt der „Brain-Drain“ – die Abwanderung hochqualifizierter Fachkräfte – in alarmierendem Maße zu. Doch was bewegt diese jungen Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen und nicht mehr zurückzukehren? Zwei Südtiroler Medizinstudenten äußern sich.
Jonas (voller Name der Redaktion bekannt) studiert bereits seit vier Jahren Medizin in Innsbruck. Ein Studium in Italien wollte er vermeiden, da das dortige Medizinstudium seiner Meinung nach noch theoretischer ausgerichtet ist als in Österreich. Für den Studenten steht fest, dass er in naher Zukunft nicht nach Südtirol zurückkehren wird. „Ich strebe eine Karriere an einer Universitätsklinik im Ausland an, wo ich neben meiner Arbeit als Arzt auch forschen kann“, erklärt er. Die Kombination von klinischer Praxis und Forschung biete ihm bessere Karrierechancen, und er plane, im Rahmen eines Forschungsprojekts einen PhD zu erwerben.
In Innsbruck hat Jonas zahlreiche Südtiroler Kommilitonen kennengelernt, die ebenfalls im Ausland bleiben möchten. Die Gründe dafür sind vielfältig: „Manche zieht es aus finanziellen Gründen in die Schweiz, während andere wegen ihrer Partner oder Familie in Österreich bleiben. Wieder andere finden das Leben nach dem Studium im Ausland so angenehm, dass sie nicht zurückkehren möchten. Hinzu kommen negative Erfahrungen mit der Organisation des Südtiroler Sanitätsbetriebs, die ebenfalls eine Rolle spielen“, berichtet er.
Die Auslandserfahrungen haben Jonas‘ Blick auf seine berufliche Zukunft stark beeinflusst. Er beschreibt das akademische Umfeld in Innsbruck als kollegialer und integrativer, was den Studierenden ermöglicht, mehr praktische Erfahrungen zu sammeln. „Das Engagement der Lehrkräfte in Innsbruck ist oft größer, und wir Studierenden werden nicht als Last betrachtet, wie es in manchen Stationen in Bozen der Fall ist“, bemerkt Jonas kritisch, fügt jedoch hinzu, dass negative Erfahrungen nicht immer die Regel sind und stark von der jeweiligen Abteilung abhängen.
Jonas sieht seine berufliche Zukunft im Ausland als vielversprechend an, zumal die Nachfrage nach Ärzten hoch ist. „Ich bin bereit, eine neue Sprache zu lernen, um in einem anderen Land leben und arbeiten zu können. Dieses Wintersemester verbringe ich in Löwen, im flämischen Teil Belgiens, und ich könnte mir vorstellen, dort langfristig zu bleiben, falls es mir gefällt“, erläutert er.
Gleichzeitig sieht Jonas Möglichkeiten, wie die Politik Südtiroler Medizinstudenten zur Rückkehr bewegen könnte. „Niedrigere Mietpreise würden das Leben insgesamt attraktiver machen. Zudem sollten die Strukturen im Sanitätsbetrieb besser vernetzt und modernisiert werden, und es müsste mehr Wert auf die Ausbildung von Studierenden gelegt werden, anstatt sie, wie es derzeit oft der Fall ist, zu ignorieren“, fordert er. Er betont zudem die Notwendigkeit, Hausärzten mehr Kompetenzen zu geben und einen Facharzt für Allgemeinmedizin einzuführen – Maßnahmen, die jedoch nur auf nationaler Ebene umgesetzt werden könnten.
Dennoch erkennt der Student auch positive Aspekte des Arbeitsklimas in Südtirol, insbesondere in chirurgischen Abteilungen, wo das Verhältnis zu den Vorgesetzten weniger hierarchisch als in Deutschland und das Arbeitsklima dadurch besser sei. „Auch die Bezahlung und die Arbeitszeiten sind vergleichsweise gut, was einige dazu bewegen könnte, nach Südtirol zurückzukehren“, findet Jonas.
Simon Gasser, Medizinstudent in Hamburg, reflektiert über seine Entscheidung, Medizin zu studieren, die maßgeblich vor zwei Jahren durch ein Stipendium des Landes Südtirol beeinflusst wurde. „Dies hat mir die Möglichkeit eröffnet, relativ unkompliziert im Ausland Medizin zu studieren, was in Deutschland aufgrund des strengen Numerus Clausus an staatlichen Universitäten sehr schwierig ist. Das Stipendium hat vielen fähigen, aber schulisch weniger erfolgreichen Schülern den Weg in die Medizin geebnet, was ich als eine sehr wertvolle Initiative betrachte“, berichtet Simon.
Nach seinem Abschluss wird der Student verpflichtet sein, vier Jahre in Südtirol zu arbeiten, was er mittlerweile als wertvolle Chance sieht. „Während meiner Sommerpraktika in Schlanders und Meran habe ich ein sehr gutes Arbeitsklima erlebt und wurde von den Fachärzten herzlich aufgenommen. Diese Erfahrungen haben mir gezeigt, wie sinnvoll es ist, bereits während des Studiums ein Arbeitsumfeld aufzubauen, in dem ich später tätig sein könnte“, erklärt er.
Simon ist der Ansicht, dass die lange Studiendauer im Ausland dazu führt, dass viele Medizinstudenten nicht nach Südtirol zurückkehren, weil sie sich ein neues Leben aufgebaut haben. „Viele Arbeitgeber im Ausland umwerben die Studierenden bereits während des Studiums, was es für Südtirol schwieriger macht, mit diesen Angeboten zu konkurrieren“, bemerkt er. Für ihn persönlich ist die Rückkehr jedoch weniger problematisch. „Das Stipendium ist so organisiert, dass ich während des Studiums regelmäßig Praktika in Südtirol absolviere. Dadurch bleibe ich in engem Kontakt mit meiner Heimat und habe nicht das Gefühl, vollständig im Ausland zu leben“, erklärt Simon.
Der Student bedauert, dass das Stipendium in Hamburg abgeschafft wurde, sieht jedoch in ähnlichen Programmen in Salzburg und Bozen positive Entwicklungen. „Es ist wichtig, mehr Studienplätze für Medizinstudenten zu schaffen, da die Nachfrage groß ist, die verfügbaren Plätze jedoch begrenzt sind“, betont er.
Ähnliche Artikel
Kommentare (9)
Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen
Kommentar abgeben
Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.
brutus
…junge Südtiroler werden zu Wirtschaftsmigranten!
…einfach nur traurig!
leser
brutus
is anderle sagt
wenn sie draussen bleiben sollen sie das machen spielt eh keine rolle
dafür kriegt düdtirol ja die albaner pakistani usw
die fernsehsender zeigen ja wöchentlich teportagen über die wichtigen und wrtvollen arbeitskräfte die das land retten weils due strammen tiroler nicht mehr hinkriegen
andreas
2 Studenten, welche widersprüchliche Aussagen tätigen, wobei der, welcher in Hamburg studiert, die Arbeitsbedingungen in Südtirol, aus eigener Erfahrung, lobt und der, welcher in IBK studiert, offensichtlich nur vom Hörensagen, eigentlich alles kritisiert.
Und wenn ein angehender Arzt sich über die Mietpreise beschwert, scheint er nicht sonderlich überzeugt von sich zu sein, denn üblicherweise sind Ärzte nicht so schlecht bezahlt.
Wobei die Mietpreise in IBK oder anderen beliebten Städten nicht wirklich niedriger sind, auch im Verhältnis zum Einkommen.
Man findet immer etwas Negatives, wenn man danach sucht, also was solls, jammern gehört zum täglich Brot eines anständigen Südtirolers….
opa1950
Und doch heißt es immer, wir sind du Besten. Die Besten in was ?????
leser
opa
hast nicht verstanden was anderle gesagt hat
im jammern
und natürlich im betteln
sogsr ärzte wollen ihr dach pbern kopf subventioniert
artimar
Simon Gasser veranschaulicht es doch sehr deutlich, dass bereits die Änderung der Stipendienpraxis helfen kann. Wieso dieses Modell also nicht auch allgemein umsetzen. Das Land unterstützt dich finanziell oder mit anderen Leistungen bei deinem beruflichen Werdegang, also gilt es auch was zurückzugeben.
Es gilt zudem gewiss noch weitere treffsichere Maßnahmen seitens des Landes bzw. der landeseigenen sog. Coworkings zu setzen, welche die Rückkehr Südtiroler Studierenden fördert.
tirol
Genau wegen diesen Stipendienregelungen kommen die meisten Südtiroler Mediziner nicht zurück
leser
tirol
das stimmt dich gar nicht
erklär doch mal warum?
tirol
Richtig, diejenigen, die die Voraussetzungen erfüllen, absolvieren entweder die Aufnahmeprüfungen oder die Ergänzungsprüfungen in Deutschland. Falls das nicht gelingt, gehen manche sogar nach Estland, um dort zu studieren. Für einige ist ein Stipendium die letzte Option oder eine Chance für diejenigen, die es sich nicht anders leisten können. Teilweise werden die Bewerbungen sogar von den Eltern verfasst. Interessanterweise möchten 90 % der Studierenden unabhängig sein. Wissen Sie eigentlich, wie viele Südtiroler Medizin im Ausland studieren? Es sind sehr viele! Nur ganz wenige nehmen jedoch ein Stipendium in Anspruch und möchten sich für die Zukunft binden, ich /wir hätten das nie getan….aja und die meisten Mediziner die aus dem Ausland zurückgekehrt sind, gehen wieder ins Ausland……Um gute Leute zu Binden braucht es andere Maßnahmen