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„Aus heiterem Himmel“

Davide erhält die Stammzellenspende (Fotos: Sabes/Privat)

Vor über 10 Jahren wurde bei Davide Baratta aus Bozen zufällig eine Erkrankung des Knochenmarks festgestellt. Sein Sohn rettete ihm das Leben.

Vor über 10 Jahren wurde bei dem damals 40-jährigen Davide Baratta aus Bozen zufällig eine Erkrankung des Knochenmarks festgestellt.

Dass er heute noch lebt, verdankt er seinem Sohn, der ihm seine Stammzellen spendete und dem Team der Hämatologie des Landeskrankenhauses Bozen, das bei ihm eine erfolgreiche Transplantation durchführte.

Eine schlimme Diagnose aus heiterem Himmel

Davide war beruflich auf der ganzen Welt unterwegs, in der Freizeit betrieb er gerne Sport und das Wichtigste in seinem Leben war für ihn schon immer die Familie. Mit seiner Frau und den drei Kindern verbrachte er so viel Zeit wie möglich. Es ging ihm gut, nie wäre er auf die Idee gekommen, dass eine gefährliche Krankheit sein Leben bedrohte.

„Ich fühlte mich eigentlich gesund und dass ich öfters unter Magenschmerzen litt, führte ich auf den Stress zurück. Mein Hausarzt verschrieb mir dennoch eine Blutuntersuchung. Dabei stellte sich heraus, dass mit meinen Blutwerten etwas nicht stimmte“, erzählt Davide.

Sohn Luca bei der Spende

Bei genaueren Untersuchungen in der Hämatologie des Krankenhauses Bozen wurde eine Erkrankung diagnostiziert, deren Namen er noch nie gehört hatte, nämlich Myelofibrose – eine chronische Knochenmarkserkrankung, bei der das Knochenmark mit der Zeit keine Blutzellen mehr bilden kann. Die einzige Chance auf Heilung bestünde in einer Stammzellentransplantation, die jedoch riskant und beschwerlich sei, wurde ihm erklärt.

„Es hat mir den Boden unter den Füssen weggezogen. Ich verstand zunächst gar nichts und konnte es nicht glauben, weil es mir eigentlich gut ging. Zum Glück begleitete mich immer meine Frau“, so Davide.

Mehr noch als an sich selbst, dachte er an seine Familie – der Gedanke, seine drei Kinder ohne Vater zurückzulassen, war unerträglich.

Zunächst einmal abwarten

Solange sich Davide gut fühlte, musste er nur regelmäßig zu Blutkontrollen ins Bozner Krankenhaus, wobei die Hämatologen das Fortschreiten der Krankheit überwachten.

„Die Tatsache, dass ich Myelofibrose in einem recht jungen Alter bekommen hatte, war ungewöhnlich. Andererseits erklärten mir die Ärzte, dass es bei jüngeren Patienten einfacher sei, eine Stammzellentransplantation durchzuführen.“ Davide wurde sofort in ein weltweites Register für die Suche nach einem geeigneten Spender eingetragen, was kein einfaches Unterfangen ist, denn die Wahrscheinlichkeit, einen sogenannten genetischen Zwilling zu finden, liegt bei 1:100.000.

„Wir versuchten, solange es ging, möglichst normal weiterzuleben. Den Kindern erzählten wir nicht das volle Ausmaß der Krankheit, um sie nicht unnötig zu beunruhigen. Wenn ich arbeitete, konnte ich mich gut ablenken, in der Freizeit fiel mir das schwerer. Ich konnte nicht glauben, dass all dies wirklich passierte. Gott sei Dank war und ist meine Frau ein Fels. Es gelang ihr immer, mir zu helfen und mich zu unterstützen.“

Entscheidung für die Transplantation

Mit der Zeit wurden die Blutwerte schlechter und die Milz versuchte die Fehlfunktion zu kompensieren und vergrößerte sich in der Folge. „Eine normale Milz misst etwa 10 bis 12 Zentimeter, meine war auf fast 30 Zentimeter angewachsen, was sehr gefährlich für mich war.“

Im Sommer 2020 wurde Davide auf der Hämatologie im Krankenhaus Bozen mit einer Chemotherapie behandelt, um die Milz zu verkleinern.

„Die Milz schrumpfte tatsächlich und endlich konnte ich mich wieder bücken. Trotzdem musste die Milz Ende des Jahres operativ entfernt werden. Ich war fünfeinhalb Stunden im Operationssaal, es war kein einfacher Eingriff,“ erzählt Davide. Da sich Davides Zustand weiter verschlechterte, wurde klar, dass die Transplantation möglichst rasch gemacht werden musste. „Ich hatte immer versucht, das zu verdrängen und gehofft, dieser Moment würde nie kommen. Andererseits wollte ich es hinter mich bringen und so sagte ich mir ‚da musst du durch, gehen wir die verdammte Transplantation an!‘“

„Plötzlich stand ich ohne Spender da“

Von der behandelnden Hämatologin im Südtiroler Sanitätsbetrieb Irene Cavattoni wusste Davide, dass für ihn drei potenzielle Stammzellenspender gefunden worden waren. Er sollte Anfang Dezember ins Krankenhaus kommen. Als der Termin näher rückte, wurde er um zehn Tage verschoben, danach um weitere zehn Tage und schließlich – Anfang Jänner – noch ein drittes Mal.

„Ich wurde mit den Worten ‚kommen Sie, wir müssen reden‘ angerufen. Bei dem Gespräch war neben Dr.in Cavattoni auch Primar Atto Billio anwesend, da wusste ich, dass die Lage sehr ernst war“, erinnert sich Davide. „Es schien, als ob aus verschiedenen Gründen keiner der Spender mehr verfügbar war. Ich stand also plötzlich ohne Spender da und die einzige Möglichkeit, die mir blieb, war, meinen Sohn zu fragen.“

Sohn Luca wird zum Stammzellenspender

Luca war mittlerweile 21 Jahre alt und als Sohn zu 50% kompatibel. Das war zwar nicht ganz ideal, denn die Hämatologen bevorzugen eine Stammzellenspende, die zu 100% übereinstimmt, aber es war unmöglich, jemand anderes zu finden. Für Luca war es keine Frage. Er erklärte sich sofort zu der für seinen Vater lebensrettenden Spende bereit. Es gibt zwei verschiedene Verfahren zur Gewinnung von Stammzellen. Die Stammzellenspende aus dem Blut ist für den Spender weniger invasiv, daher ist diese Methode heute üblicher als eine Knochenmarkspende. Die Blutstammzellen werden dabei aus dem peripheren Blut des Spenders oder der Spenderin entnommen.

Die Spende war für Luca eine große Aufregung, weil es um das Leben des eigenen Vaters ging und mitten in der Pandemie war es ein ziemliches Abenteuer. Luca, der zu dieser Zeit in Wien lebte, kam sofort nach Südtirol und isolierte sich in einer Wohnung, um nicht an Corona zu erkranken und die lebensrettende Transplantation für seinen Vater zu gefährden. Einige Tage lang musste er blutbildungsfördernde Substanzen spritzen. Da er es nicht schaffte, sich diese Spritzen allein zu verabreichen, kam Davides Frau jeden Tag und injizierte ihrem Sohn die Spritzen.

Für die Stammzellenspende wurden Luca an zwei Tagen im Krankenhaus Bozen Stammzellen aus seinem Blut entnommen, was jeweils etwa vier bis fünf Stunden dauerte. Danach wurden seine Blutwerte noch eine Zeit lang kontrolliert, insgesamt war die Spende für ihn jedoch nicht aufwändig gewesen und er hatte sie gut überstanden.

Die Transplantation

Sobald Davide auf der Hämatologie aufgenommen wurde, musste er die ganze Zeit in einem Isolierzimmer verbringen. Die Transplantation würde mehrere Wochen dauern. Zunächst bekam er einen Venenkatheter, damit die zahlreichen Medikamente, die er, benötigen würde, verabreicht werden konnten. In der ersten Phase wurde zunächst durch eine Chemotherapie sein eigenes Knochenmark zerstört und sein Immunsystem heruntergefahren, damit er die neuen Stammzellen nicht abstoßen würde. Die Transplantation bekam er – vergleichsweise unspektakulär – ähnlich einer Transfusion direkt in sein Blut verabreicht. Ohne die Stammzellen seines Sohnes wäre Davide jedoch nicht mehr am Leben. Er betrachtet den 18. Februar, den Tag der Transplantation, deshalb als seinen zweiten Geburtstag.

Nach der Transplantation wurde es für Davide richtig hart. „Es gab gefühlt 5000 Dinge, die nicht stimmten: Schmerzen, Schwäche, Erbrechen, Durchfall, Kribbeln in den Beinen… Ich hatte erwartet, dass ich schwach sein würde, aber nicht damit gerechnet, dass es mir so schlecht gehen würde.“ Wegen seines schwachen Immunsystems war Davide völlig isoliert, er hatte nur Kontakt zu den Ärztinnen und Ärzten und zum Pflegepersonal. „Alle waren wirklich ausgesprochen kompetent und kümmerten sich sehr gut um mich.“

Mit seiner Familie konnte Davide nur telefonisch in Kontakt treten. „Für meine Frau und die Kinder war es vermutlich noch schwieriger als für mich selbst, aber sie ließen sich nie etwas anmerken. Meinen Geburtstag verbrachte ich im Krankenhaus, an diesem Tag ging es mir besonders schlecht. Meine Frau und die Kinder wollten mich überraschen, sie standen hinter dem Krankenhaus mit Luftballons und ich konnte sie vom Fenster aus sehen. Ich fühlte mich so schwach, dass ich sie nicht einmal richtig grüßen konnte. Am Abend ließen die Hämatologen meine Frau ausnahmsweise kurz zu mir, denn ich war wirklich völlig am Boden.“

In dieser Phase hieß es warten, ob die Transplantation geglückt war und das neue Knochenmark wieder zu arbeiten beginnen würde. Endlich kam die gute Nachricht, dass Davide wieder eigene Blutzellen bildete, und er erholte sich langsam. Die künstliche Ernährung konnte abgesetzt werden und die zahlreichen Infusionen wurden nach und nach durch Medikamente ersetzt, die er schlucken konnte. Ende März 2021 durfte Davide endlich das Krankenhaus verlassen, er hatte gut zwölf Kilo verloren, war sehr schwach und hatte noch einen langen Weg bis zur vollständigen Genesung vor sich.

Unglaublich, wozu die Medizin in der Lage ist

„Es ist wirklich unglaublich, wozu die Medizin heutzutage in der Lage ist. Ich habe nach der geglückten Transplantation sogar die gleiche Blutgruppe wie mein Sohn“, so Davide. „Und es war für mich ein großes Glück, dass es in Südtirol eine hervorragende hämatologische Abteilung gibt.“ Für Davide war es ein großer Vorteil, den Eingriff in seinem Wohnort zu machen. „Wann immer ich etwas brauchte, wie zum Beispiel frische Wäsche, konnte es meine Frau für mich innerhalb weniger Minuten beim Pflegeteam abgeben.“

In der ersten Zeit nach der Entlassung musste Davide noch zwei Mal pro Woche in die Hämatologie des Krankenhauses Bozen zu Kontrollen gehen und sehr viele verschiedene Medikamente einnehmen. Nach einigen Monaten hatte er sich von den Strapazen erholt. Dank der Spende seines Sohnes ist er heute völlig gesund, braucht keine Medikamente mehr und geht nur noch einmal im Jahr zu einer Kontrolluntersuchung. Davide führt wieder das gleiche Leben wie vor dem Ausbruch der Krankheit. Den ersten Jahrestag der Transplantation verbrachte er beim Schifahren auf der Piste.

Wie kann ich Knochenmark oder Stammzellen spenden?

Die Registrierung ins Spendenregister geht ganz einfach und wer gerufen wird, hat die Möglichkeit, das Leben eines Menschen zu retten – eines Kindes, eines jungen Menschen, einer Mama oder eines dreifachen Familienvaters.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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