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Rote Laterne

Diego Nicolini

Der 5-Sterne-Chef Diego Nicolini übt scharfe Kritik an der hohen Schulabbrecher-Quote in Südtirol – und er bemängelt das Missmanagement der EU-Gelder.

Von Matthias Kofler

Die Schulabbrecherquote in Italien ist auf 9,4 % gesenkt worden, wie Bildungsminister Giuseppe Valditara stolz in einem Interview mit Il Messaggero verkündet. Dieses Ergebnis entspricht den Zielen des Nationalen Plans für Wiederaufbau und Resilienz (PNRR), der bis 2026 eine Reduktion auf 10,2 % anstrebt. Während Italien Fortschritte feiert, bleibt Südtirol mit alarmierenden Zahlen zurück. Diego Nicolini, Chef der Südtiroler 5-Sterne-Bewegung, übt scharfe Kritik und macht insbesondere das Missmanagement der EU-Fördermittel durch das lokale Bildungssystem verantwortlich.

In den Grundschulen der italienischen Sprachgruppe in der Provinz Bozen schnitten die Schüler bei den landesweiten INVALSI-Tests besonders schlecht ab – sowohl in Italienisch als auch in Mathematik. Auch in den höheren Schulstufen bewegten sich die Ergebnisse nur knapp über der Mindestanforderung. Trotz dieser alarmierenden Resultate zeigte sich der damalige italienische Bildungslandesrat Giuliano Vettorato zufrieden, da in Südtirol auch Deutsch unterrichtet werde, was in den Tests nicht erfasst werde. Nicolini hingegen sieht das anders: „Es ist inakzeptabel, dass Südtirol, trotz der Millionen an Fördermitteln aus dem PNRR und den Strukturfonds der EU, die schlechtesten Ergebnisse im ganzen Land vorzuweisen hat.“

Südtirol hat aus dem PNRR bereits 2 Millionen Euro erhalten, gefolgt von weiteren 9 Millionen, die in Projekte zur Bekämpfung des Schulabbruchs und zur Förderung von Schlüsselkompetenzen fließen sollen. Am 31. Mai wurden zudem 50 Millionen Euro aus EU-Strukturfonds im Rahmen eines Events namens „Drop out is out“ angekündigt. Nicolini fragt jedoch: „Wo sind die Resultate?“ Trotz der immensen Fördermittel sei die Schulabbrecherquote in Südtirol seit 2019 von 11,6 % auf 16,2 % gestiegen – ein Anstieg von 4,6 %, der landesweit seinesgleichen sucht.

Ein weiterer Kritikpunkt richtet sich gegen die Verwaltung der Bildungsprojekte: Seit 2019 ist die Sozialgenossenschaft Irecoop federführend bei der Umsetzung der Programme gegen den Schulabbruch. Nicolini kritisiert: „Anstatt qualifizierte Experten und Lehrer einzusetzen, werden Personen eingestellt, die oft keinerlei spezifische Ausbildung haben.“ Auf der Website der Genossenschaft werden Mitarbeiter gesucht, die „irgendeine“ Ausbildung oder ehrenamtliche Erfahrung vorweisen können. Diese werden dann mit befristeten Verträgen angestellt. Für Nicolini ist das ein klarer Fehltritt: „Hier werden EU-Millionen in fragwürdige Projekte gepumpt, die den Schülern nicht wirklich helfen.“

Die Kritik des Ex-Abgeordneten richtet sich auch gegen den Umgang mit Lehrkräften. Beim außerordentlichen Wettbewerb 2022 wurden in Südtirol Mindestanforderungen eingeführt, die dazu führten, dass 28 von 71 Stellen nicht besetzt wurden. „Die qualifizierten Lehrer sind die Leidtragenden eines Systems, das offenbar mehr Interesse an Outsourcing und fragwürdigen Reformen hat als an der Verbesserung der Bildung“, betont Nicolini.

Im kommenden Juni sollen sogenannte „Youth Workers“ eingeführt werden – junge Menschen mit einem dreijährigen Berufsschulabschluss und einem 300-stündigen Kurs oder 18 Monaten Berufserfahrung im sozialen, kulturellen oder gesundheitlichen Bereich. Nicolini hält das für eine Fehlinvestition: „Statt Lehrer zu stabilisieren, setzt man auf unzureichend qualifizierte Kräfte. Das ist keine Lösung für die Bildungsprobleme Südtirols.“

Diego Nicolini stellt die Frage in den Raum: „Wie lange wollen wir noch zusehen, wie EU-Gelder verschwendet und Schüler im Stich gelassen werden?“ Seine Forderung ist klar: Es brauche tiefgreifende Reformen und eine strenge Überwachung der Mittelverwendung. „Südtirol kann und darf nicht weiterhin die rote Laterne in der italienischen Bildungslandschaft sein. Es ist Zeit, dass Verantwortung übernommen wird – und zwar von allen Beteiligten.“

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (1)

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  • svea

    Der Kritik von Herrn Nicolini enthält leider ein paar bittere Wahrheiten, die sich auch mit Schönfärberei nicht wegwischen lassen. Wenn man sich die verschiedenen Projekte im Bildungsbereich anschaut, dann hat man wahrlich das Gefühl, dass es an Geld nicht zu mangeln scheint.
    Besonders bestimmte Pilotprojekte werden „von oben“ großzügig unterstützt; dabei handelt es sich meistens um solche Projekte, die „von unten“ nicht nachgefragt werden, da ihre Sinnhaftigkeit sehr fragwürdig ist. An manchen Schulen herrscht ein Aktionismus, der einen geregelten Schulalltag kaum möglich macht. All das wird dann auch noch evaluiert und es werden eine Menge Daten generiert, die am Ende wiederum vieles relativieren. Manchmal werden zur Analyse ausländische Experten hinzugezogen, die ebenfalls fürstlich honoriert werden. Dabei könnte all das Geld viel sinnvoller investiert werden, denn der Dreh- und Angelpunkt einer guten Schule ist und bleibt das Personal.
    Angefangen von einer Schulführungskraft, die für gute Rahmenbedingungen und ein gutes Schulklima sorgt und die für die Sorgen und Nöte ein offenes Ohr hat, kommt ebenfalls den Lehrpersonen, in vielerlei Hinsicht, eine Schlüsselposition zu. Besonders im Umgang mit problematischen Schüler*innen ist viel Berufserfahrung und pädagogisches Geschick nötig, da sind geringqualifizierte Berufseinsteiger, schnell überfordert.
    Ich frage mich, wann die Bildungsverantwortlichen endlich verstehen, dass man sich um die Hauptakteure zu kümmern hat und dort investieren sollte, wenn man eine gute Schule in Südtirol haben will.
    Schule ist für die Schülerinnen und Schüler da und jeder junge Mensch, der auf dem Bildungsweg scheitert ist einer zu viel. Schüler*innen sind die besten Evaluatoren, wenn es um die Arbeit der Lehrpersonen geht. Sie haben ein gutes Gespür dafür, ob die Person, die ihnen Ratschläge erteilt, dieser Aufgabe auch gewachsen ist. Man kann also noch soviel Geld in Projekte stecken, solange man vor Ort nicht gutes Personal hat, werden die Erfolge ausbleiben.

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