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Die Flucht der Krankenpfleger

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In den letzten vier Jahren haben in Südtirol doppelt so viele Krankenpfleger den Dienst gekündigt, als neue nachgekommen sind. Dazu stoßen zahlreichen Pensionierungen. Die Gewerkschaft Nursing Up beklagt besorgniserregende Entwicklungen.

von Christian Frank

Während der Corona-Pandemie wurden sie an der Seite der Ärzte apotheotisch gehuldigt: unzählige Überstunden, überfüllte Krankenbetten, Arbeitsdruck bis zum persönlichen Versagen. Krankenpfleger, die Helden im weißen Kittel statt rotem Superheldenumhang. In Retrospektive scheinen die Bemühungen jedoch nahezu unvergütet zu bleiben. Niedrige Löhne, hohe Arbeitsbelastung und wenig Karrierechancen – das sind die weiterhin bestehenden Probleme, welche die italienische Krankenpflegegewerkschaft Nursing Up kritisiert. Nun schlägt sie Alarm, denn jüngste Analysen zeichnen ein bedrückendes Bild: 23.000 Krankenpfleger quittierten in den letzten vier Jahren im öffentlichen Gesundheitswesen Italiens den Dienst. Allein im Zweijahreszeitraum 2021–22 waren es über 15.000 mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag. Der Gewerkschaft zufolge handelt es sich um die höchste Zahl von freiwilligen Austritten aus dem öffentlichen Gesundheitswesen.

Auch in Südtirol lassen sich dieselben dramatischen Entwicklungen feststellen.

„Die Situation sieht schlecht aus“, sagt Silvano Graziadei lakonisch. Er ist Gewerkschaftsdelegierter der Nursing Up-Gewerkschaft in Südtirol und beobachtet seit mehreren Jahren eine tragische Entwicklung.

„Wir haben viele freiwillige Kündigungen, und es kommen einfach zu wenige nach“, bedauert Graziadei. In Südtirol kündigten laut Nursing Up in den letzten vier Jahren knapp 500 Krankenpfleger ihren Beruf, und bloß rund 250 Ausgebildete rückten nach. Dazu kommen noch über 260 pensionierte Angestellte. „Auf einen neuen Krankenpfleger scheiden drei aus dem Dienst“, so der Gewerkschafter.

Auch dieses Jahr, so Graziadei, sieht es mit dem Nachwuchs in der Krankenpflege dürftig aus: „An der Claudiana haben sich für den Studiengang Krankenpfleger dieses Jahr 82 Personen eingeschrieben. Man beachte, dass die Claudiana für diese Ausbildung normalerweise zwischen 150 und 250 Studienplätze vorsieht.“

Darüber hinaus bemerkt der Gewerkschafter, dass Analysen ergeben haben, dass höchstens 75 Prozent der Absolventen im Lande bleiben. Er bedauert die traurigen Zahlen, doch weiß genau, woher sie rühren.

„Viele wandern für bessere Arbeitsverhältnisse in andere Länder aus, dabei werden häufig Länder wie die Schweiz oder Österreich gewählt“, verrät der Gewerkschafter und hebt die oft attraktiven Angebote hervor, „Oft wird eine Dienstwohnung, tolles Gehalt, Vorsorgepakete und allerlei Benefits angeboten, welche sehr verlockend sind. Ich kenne auch einige Fälle, in denen die Krankenpfleger in die Arabischen Emirate ausgewandert sind.“

Noch mehr als die Abwanderung besorgt ihn jedoch, dass eine ebenso erhebliche Zahl der kündigenden Krankenpfleger dem Berufsbild ganz den Rücken zudreht.

Die Beschaffenheit des Pflegeberufes ist stark verbesserungsbedürftig, findet Graziadei, und zählt die zahlreichen Gründe auf, welche das Personal zur Flucht aus dem öffentlichen Dienst animieren.

„Die Arbeitsverhältnisse und die Organisation brauchen unbedingt eine Verbesserung. Viele wechseln zu angenehmeren Berufsbildern in der Sanität, wie dem des Physiotherapeuten. Hierbei muss man sich nur um einen Patienten auf einmal kümmern, hat geregelte Arbeitszeiten, ein freies Wochenende und weniger Stress“, erklärt der Gewerkschafter und legt auch das Problem der mangelnden Karrierechancen zutage, „Die einzige Möglichkeit, mehr zu verdienen, entsteht durch einen Dienstalterbonus. Es ist egal, ob man sich einen Master oder dergleichen zulegt, es wird nicht vergütet. Das frustriert die Leute und ist ein großes Versäumnis der Politik.“

In Anbetracht dieser Zustände stoßen die jüngsten Verhandlungen zum bereichsübergreifenden Kollektivvertrag 2022–2024 mit dem Land besonders sauer auf. Es fehlen die Mittel für eine angemessene Inflationsdeckung, heißt es von Seiten der Landesregierung.

„Zusammen mit den Ärzten sind die Krankenpfleger das Bollwerk der Gesundheitsversorgung. Sie müssen unbedingt adäquat vergütet werden. Es herrscht ebenso ein Ärztemangel, doch der Mangel an Krankenpflegern ist noch größer“, betont der Gewerkschafter.

Die Probleme sind auch zur Europäischen Kommission durchgedrungen, welche nun einen Beitrag von 1,3 Millionen Euro verabschiedet hat, um einen Aktionsplan zu erstellen, der den Beruf der Krankenpflege im öffentlichen Dienst attraktiver gestalten und ihn vor dem Ausbluten bewahren soll. Betroffen sind davon alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Der Gewerkschafter kann darüber bloß müde lachen: „Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Selbst wenn diese Geldsumme bloß Südtirol allein betreffen würde, wäre es nicht ansatzweise ausreichend.“

Doch selbst eine höhere Summe, so Graziadei, könnte der Flucht der Krankenpfleger aus dem öffentlichen Dienst nicht Abhilfe verschaffen, solange die vielschichtigen anderen Probleme weiterhin bestehen.

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Kommentare (20)

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  • foerschtna

    Dass es in den Jahren 2021-2022 Rekordkündigungen gab, ist kein Zufall. Die Wunderspritze hat halt auch in diesem Bereich ihre Spuren hinterlassen. Denn nicht nur viele von denen, die man in unwürdiger Weise, unter lautem Applaus der meisten Medien, ihrer Arbeit beraubt hat, haben daraus für sich die Konsequenzen gezogen. Auch diejenigen, die sich letzt endlich nur durch ökonomischen Druck „überzeugen“ ließen, etwas zu tun, was sie eigentlich nicht tun wollten, haben gesehen, was in diesem Staat und in diesem Land so alles möglich sein kann, und gar einige von denen sind dann ebenfalls zur Einsicht gelangt, sich entweder einen anderen Beruf zu suchen, oder ins Ausland abzuwandern. Und die Situation hat sich mittlerweile weiter auch dadurch verschärft, daß diejenigen, die immer noch in den diversen Gesundheitseinrichtungen arbeiten, durch die Personaldrainage der letzten 3 Jahre jetzt derart unter psychischem und physischem Druck stehen, so dass auch sie zunehmend einen solchen Schritt überlegen, weil sie schlicht und ergreifend nicht mehr können. Die damalige Erpressung „Wunderspritze oder Arbeitsplatzverlust“ strahlt bis heute ihre schreckliche Wirkung aus.

    • ummagumma

      @foerschtna, du bringst es auf den Punkt. Der Druck in den Krankenhäusern wird weiterhin enorm steigen, bei den Pflegern wie auch bei den noch verbleibenden Ärzten, die fast alle am Anschlag arbeiten.

      Wie du schon schreibst, hat die Erpressung damals tiefe Wunden geschlagen und da haben vor allem diese Psydorealisten mit ihrer äußerst widerlichen Vorgehensweise sehr viel dazu beigetragen. Admins und deren Beifallklatscher im SF nur mal als bestes Beispiel zu erwähnen!
      Unsere Sanität geht mit riesengroßen Schritten den Bach hinunter und auch der Heilsbringer Messner ( Arno´s Stimmenfänger Nr. 1 ), die Marionette lässt mit dem was er bisher geleistet hat nichts gutes hoffen.

  • hallihallo

    Darüber hinaus bemerkt der Gewerkschafter, dass Analysen ergeben haben, dass höchstens 75 Prozent der Absolventen im Lande bleiben.
    wenn die südtiroler alle abwandern, dann muß man auch hier die regeln ändern. zweisprachigkeitsnachweis abschaffen. der hat bisher den südtiroler arbeitnehmern eine vorzugschiene gegeben. aber die einheimischen alle wegwollen, dann müssen wir die türen für andere öffnen.
    die altersheime wären ohne zuwanderung schon zur hälfte geschlossen.

    • schwarzesschaf

      Sag das nicht den knolli oder in hannes dann wirst du gekreuzigt. Ich sage auch auf dem op tisch ist egal welche sprache der arzt spricht bis/ sowieso in vollnarkose une danach froh wenn du noch lebst

  • autonomerbuerger

    Ein junger Mensch, der einen akademischen Titel anstrebt fragt sich natürlich unter anderem auch ob er von seiner Arbeit wird leben können. Das kann er aber im öffentlichen Dienst (ausser als Amtsdirektor) nicht mehr. Darum werden die Studiengänge Krankenpflege, Sozialarbeit und Bildungswissenschaften von vornherein nicht mehr gewählt. Der Studiengang Soziale Arbeit in Brixen wird mit einer handvoll Studenten noch weitergemacht, wird aber sicher bald schliessen. Die anderen folgen. Das ist alles bekannt aber es wird sich nichts tun. Die Südtiroler Elite leistet sich private Behandlungen und Schulen und der einfache Südtiroler interessiert niemanden. Siehe öffentliche Angestellte, die einfach ausgehungert werden und damit schliesst sich der Kreis.

  • robby

    Die öffentlichen Angestellten müssen zu allererst lernen zu arbeiten. Keiner von diesen faulen Schlafmützen weiß überhaupt was arbeiten im nichtöffentlichen Bereich heißt.

    • drrobotto

      Genau! De faulen Ärzte und Krankenpfleger sollen amol lernen zu orbeten. Nor brauchen sie a weaniger Geld, wenn sie 60 bis 80 Stunden mochen.

      A in Oltersheim. Nit lei 15
      Bewohner aloan pro Nochtschicht owaschen, sondern 30.

      Faule baggage!

    • autonomerbuerger

      @ robby
      Da ist sie wieder die billige Polemik. Willst du wirklich dem Hauspflegedienst, den Behindertenbetreuern und Krankenschwestern ecc. das Arbeiten beibringen? Alle Dienste finden kein Personal mehr und das Verbliebene geht weit über normale Grenzen. Keine Privatwirtschaft kennt solche Zustände. Und das alles mit 0 Möglichkeit Fleiss zu belohnen. Wenn die Berufsgruppen verschwunden sind wirst du dich wundern was auf dich zukommt.

    • echnaton

      @robby
      Sie haben wieder einmal bewiesen, wie dumm Sie sind. Es ist sehr sehr einfach alle zu verallgemeinern. Man kann nicht alle öffentlichen Arbeiter/innen über einen Kamm scheren.
      Auch in der Privatwirtschaft gibt es solche, die das Arbeiten nicht erfunden haben und dem Arbeitgeber mehr schaden als nützen (eigene Erfahrung, wo der Arbeitgeber Millionen von Aufträgen nicht bekommen hat, weil der Arbeitnehmer zu faul war, die ihm zugeteilte Arbeit ordentlich zu erledigen).
      Denken Sie auch an das gesamte Personal in Krankenhäusern, Altenheimen, Behindertenwerkstätten usw., das oft am Rande seiner Kräfte arbeiten muss.
      Ich kann mir gut vorstellen, dass auch Sie zu denen gehören, die die Arbeit nicht erfunden haben und nur über andere lästern können.
      Ich wünsche Ihnen einen schönen Sonntag, einen angenehmen Arbeitstag und eine angenehme Arbeitswoche.

  • tirolersepp

    Gute Entlohnung mit attraktiven Arbeitsbedingungen sind die Zauberwörter !!!

  • kritischerbeobachter

    Unfähige Landesregierung bzw. vergangene Landesregierung… Sanität ein Desaster in den letzten Jahren… alles Schönredner und Taugenichtse!

  • schwarzesschaf

    Es ist ein schmarren das man dafür abi braucht und dann noch 3 jahre uni gescheider wäre es wie überall den beruf als beruf abgehen also im krnkenhaus als lehrling anfangen 4 mal krankenhaus arbeiten einmal schule oder 2 monate blockunterricht 5 jahre lehrzeit.

  • genuaischgenua

    Vielleicht hängt es ja mit dem übermäßig guten Gehältern im öffentlichen Dienst zusammen. Vom Klatschen und leeren Versprechungen haben sie sicher die Schnauze voll.

  • gulli

    Wer war noch mal bis vor kurzem Generaldirektor der Sanität und welches Regierungsmitglied hatte die Sanität über?
    Wer ist heute Generaldirektor und welches Regierungsmitglied ist für die Sanität zuständig?
    Und was genau hat sich nach Corona für die Mitarbeiter geändert?

  • dn

    Der Heiland AK wirkt ziemlich machtlos.

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