Mehr als nur Bücher
Eine aktuelle Studie von Astat zeigt, dass die Besucherzahlen in den Bibliotheken Südtirols steigen. Doch spiegeln diese Zahlen tatsächlich die Realität wider?
von Nadia Tinkhauser
Südtirol verfügt laut dem Landesinstitut für Statistik Astat über insgesamt 276 Bibliotheken, die meisten davon sind öffentlich. Der Gesamtbestand der öffentlichen Bibliotheken beläuft sich auf rund 3,2 Millionen Bücher. In Bozen kommen dabei 12,8 Bücher auf jeden Einwohner, während in Regionen wie dem Wipptal oder Überetsch deutlich niedrigere Werte erreicht werden. Laut Astat sind sowohl die aktiven Nutzer als auch die Besucherzahlen im Vergleich zum Vorjahr gestiegen: Die Zahl der aktiven Nutzer verzeichnete einen Anstieg von rund 20 Prozent, während die Besucherzahlen um etwa zehn Prozent zugenommen haben.
Christian Kofler, Leiter der Bibliothek St. Michael, sieht die Ergebnisse der Studie jedoch kritisch. Nach den pandemiebedingten Schließungen erlitten die Besucherzahlen landesweit einen deutlichen Einbruch, und der Aufwärtstrend sei nur langsam spürbar. „Es ist schwierig, solche Zahlen pauschal zu interpretieren. Astat fasst die Daten aller Bibliotheken des Landes zusammen, wodurch die Ergebnisse oft sehr allgemein und wenig aufschlussreich sind“, erklärt er.
Aussagekräftiger ist deshalb der Vergleich dieser aktuellen Veröffentlichung mit den Daten von vor zehn Jahren. Dabei wird deutlich, dass die Zahlen insgesamt rückläufig sind. Im Jahr 2013 lagen die Werte nämlich noch um fünf Prozent höher.
In der Stadtbibliothek Klausen konnte letztes Jahr kein Anstieg verzeichnet werden. „Die Besucherzahlen haben nicht zugenommen, was jedoch von Bibliothek zu Bibliothek unterschiedlich ist. Die Astat-Studie bildet die Situation von ganz Südtirol ab. Klausen ist dabei nur ein kleiner Ort“, berichtet Marianna Fischnaller Estgfäller, Bibliothekarin der Stadtbibliothek Klausen. Sie führt weiter aus: „Die Anzahl der Entlehnungen hat ebenfalls abgenommen, was möglicherweise auf die Eröffnung der neuen Stadtbibliothek in Brixen zurückzuführen ist, die nun viele Menschen anzieht.“
Besonders auffällig ist das Fernbleiben der Jugend nach der Covid-19-Pandemie. „Während des Lockdowns haben viele Schüler gelernt, online oder zu Hause zu arbeiten und kehren nun weniger in die Bibliotheken zurück“, bedauert Kofler. Um dem entgegenzuwirken, wurden gezielte Maßnahmen ergriffen. So etwa die Sommerleseaktion „Liesmich Leggimi“, initiiert vom Amt für Bibliotheken und Lesen der Deutschen Kulturabteilung und dem Amt für Weiterbildung „Bibliotheken und Audiovisuelle Medien“ der Italienischen Kulturabteilung. Diese Aktion soll das Lesen fördern, indem Jugendliche und Erwachsene ermutigt werden, Bücher aus einer vorgegebenen Liste zu lesen und zu bewerten. Kofler ist überzeugt: „Solche Aktionen können die Bevölkerung wieder in die Bibliotheken locken und ihre Lesemotivation steigern.“ Zusätzlich können Jugendliche in der Bibliothek St. Michael ehrenamtliche Stunden ableisten und dafür Gutscheine vom Jugenddienst erhalten.
Junge Besucher sind auch in der Stadtbibliothek Klausen weniger zu sehen. Dies hat aber nicht zwingend mit dem Lockdown zu tun. „Obwohl unsere Bibliothek öffentlich zugänglich ist, liegt unser Fokus nicht auf den Jugendlichen. Dafür ist die Bibliothek Schulnetzwerk Klausen zuständig. Natürlich hat das die Folge, dass die Besucherzahl dieser Altersgruppe in der Stadtbibliothek gesunken ist. Dies liegt vermutlich aber auch daran, dass wir unseren Bestand an Jugendliteratur verringert haben“, erklärt Fischnaller Estgfäller.
Eins ist sicher: Die Pandemie hat die Lesegewohnheiten, insbesondere bei jungen Menschen, nachhaltig verändert. „Es gibt immer mehr Menschen, die auf E-Books zurückgreifen. Dies wird durch das Onlineportal Biblio24 unterstützt, das allen eingeschriebenen Bibliotheksnutzern in Südtirol zur Verfügung steht“, berichtet Kofler. Andere Online-Bibliotheken gäbe es laut ihm keine in Südtirol.
Auch bei den Ausleihzahlen ist ein klarer Rückgang zu verzeichnen. Während vor zwanzig Jahren noch 85.000 Ausleihen pro Jahr an der Bibliothek St. Michael registriert wurden, sind es heute nur noch 65.000. „Natürlich ist der Rückgang bei den Ausleihen nicht zu leugnen, aber das bedeutet nicht, dass die Bibliothek insgesamt weniger genutzt wird“, betont Kofler. „Es gibt zahlreiche Veranstaltungen wie Lesungen, Fortbildungen oder Märchenstunden für Kinder. Diese zusätzlichen Angebote sind mittlerweile ein wesentlicher Bestandteil der Bibliotheksarbeit. Zudem arbeiten wir eng mit verschiedenen örtlichen Vereinen zusammen, und viele nutzen die Bibliothek auch für Nachhilfestunden. Die Bibliothek hat sich weiterentwickelt und bietet heute weit mehr als nur Bücher.“
Auch Fischnaller Estgfäller stimmt dem zu. „Die Stadtbibliothek Klausen hat sich schon immer durch ihre Öffentlichkeits- und Veranstaltungsarbeit ausgezeichnet und ist weiterhin ein zentraler Bestandteil unseres Angebots.“
Ähnliche Artikel
Kommentar abgeben
Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.