Sexuelle Phantasien
Ein Arzt der Bozner Notaufnahme wurde suspendiert, weil er eine Patientin sexuell belästigt hat. Was sagt dieser Fall über die Zustände im Bozner Krankenhaus aus?
von Artur Oberhofer
Die „Beschwerde“ ging am 3. August dieses Jahres im Amt für Bürgeranliegen des Sanitätsbetriebes Südtirol ein. Eine Patientin war nach einem Fahrradunfall in Bozen in die Erste Hilfe eingeliefert und dort von einem Arzt sexuell belästigt worden.
Über den brisanten Fall, der ein schiefes Licht auf die Notaufnahme des Spitals der Landeshauptstadt wirft, hat zuerst das Nachrichtenportal „Salto.bz“ berichtet. Weil die betroffene Frau von sich aus an die Öffentlichkeit gegangen ist, haben die Sabes-Verantwortlichen überraschend rasch gehandelt. Sabes-Generaldirektor Christian Kofler suspendierte den Mediziner vorsorglich und bedankte sich bei der Patientin, „dass sie den Mut aufgebracht hat, diese Anschuldigungen öffentlich zu machen“. Die Schilderungen der Frau, so Kofler, seien schwerwiegend und machten ihn betroffen.
So erzählt die betroffene Frau den Fall: Sie sei auf dem Weg zur Arbeit in Bozen Süd mit einem anderen Radfahrer zusammengestoßen.
„Es war auf einem Fahrradweg hinter einer Bushaltestelle und ein sehr heißer Tag.“
Der andere Radfahrer sei auf die Gegenfahrbahn ausgewichen, weil ein paar Mädchen sich in den Schatten der Bushaltestelle gesetzt hatten und damit seine Spur blockierten.
„Ich fiel hin und musste mit dem Krankenwagen in die Erste Hilfe gebracht werden.“
Das Fahrrad ließ die Frau am Unfallort zurück. Sie sperrte es ab. „Leider war es am nächsten Tag trotzdem weg.“
Im Krankenhaus sei sie untersucht worden, berichtet die Frau, was relativ schnell gegangen sei.
Doch anstatt ein Anamnesegespräch mit ihr zu führen, habe der Arzt zu ihr gesagt, ihr fehle nichts. Dann habe der Arzt über sich zu sprechen begonnen. Der Arzt habe ihr erzählt, dass er schon seit 19 Stunden arbeite, die Patienten immer aggressiver würden und die Zustände im Bozner Krankenhaus „nicht mehr zu ertragen“ seien.
Es sei kein Personal mehr zu finden, zweisprachiges schon gar nicht. Sein Arbeitsleben, so der Arzt, sei nur mehr im Rausch zu ertragen. „Wenn ich endlich Feierabend habe“, so soll der Mann zu der Patientin wörtlich gesagt haben, „trinke ich eine Flasche Wein.“
Am Tag zuvor hätten Ausländer in der Notaufnahme des Bozner Spitals Computer zerschlagen, weil sie zwei Stunden warten mussten. Die Patientin schreibt in ihrer Sachverhaltsdarstellung: „Ich hatte den Eindruck, dass der Arzt am Limit ist, er redete wie eine Person mit psychischen Problemen.“
Als er nicht aufhörte zu sprechen, habe sie vor Erschöpfung zu weinen begonnen, berichtet die Frau.
Nach dem Gespräch ist die Frau zu ihrem Partner gegangen, der vor dem Untersuchungszimmer auf sie gewartet hat.
Was dann geschehen ist, schildert die Frau wie folgt:
„In diesem Augenblick kam der Arzt erneut auf mich zu und begann, meinen Partner in ein Gespräch zu verwickeln. Während ich neben ihnen saß, begann er sich abfällig über mich zu äußern und seine sexuellen Phantasien mit uns zu teilen. Er beschrieb, wie man mit Frauen umzugehen habe. Mein Partner und ich beendeten nach einigen Minuten entschieden das Gespräch.“
Sie sei völlig verstört gewesen, erzählt die Patientin, und habe erneut einen Weinkrampf erlitten.
Voller Wut sei sie ins Gebäude zurückgekehrt und sich zu beschweren. Polizisten vor Ort hätten ihr empfohlen, Anzeige zu erstatten. Tatsächlich hat die Frau am darauffolgenden Tag bei der Polizei Meldung erstattet, aber auch erklärt, dass sie gegen den Arzt nicht strafrechtlich vorgehen möchte.
Nach dieser üblen Erfahrung hat sie per Pec-Mail den zuständigen Landesrat informiert. Die Patientin wertet die sexuelle Belästigung durch den Spitalsarzt als Zeichen dafür, dass die Beschäftigten stark überarbeitet seien und es mehr Ressourcen brauche.
Später, in den aufarbeitenden Gesprächen mit dem Frauennetzwerk SUSI, habe sie festgestellt, dass „viele Frauen in einem Südtiroler Krankenhaus schlechte Erfahrungen gemacht“ hätten.
Auf ihre Beschwerde sei nicht immer ausreichend eingegangen worden, häufig hätten die betroffenen Frauen vom Sanitätsbetrieb nicht einmal eine Antwort erhalten.
Der Zusammenhalt im Frauennetzwerk sei für sie beeindruckend gewesen, schreibt die Patientin, sie habe Unterstützung erfahren.
Solche Erfahrungen zu erleben, könne traumatisch sein, erst recht, wenn dies im Krankenhaus geschehe. „Du bist in so einer Situation sehr verletzlich, eine Person in weißem Kittel weiß mehr als du – und du bist von der Behandlung abhängig.“
In ihrem konkreten Fall habe der Arzt, anstatt ihr den Befund zu erklären, über seine Arbeitsbelastung gesprochen. „Und ich musste ihm zuhören.“
Es sei „wie ein Tsunami gewesen, der einen überrollt“.
Der Arzt habe sie zwar nicht angefasst. „Aber die verbale Belästigung war für mich mindestens genauso schlimm.“ Seine Aussagen seien ihr im Gedächtnis geblieben. „Ich werde sie nicht mehr so schnell los, das ist für mich mit physischer Gewalt gleichzusetzen.“
Der Sanitätsbetrieb Südtirol stellte unterdessen klar, dass der beschuldigte Arzt kein Bediensteter des Betriebes sei, sondern ein freiberuflich tätiger Arzt. Bis zur Klärung der Sachlage werde er für keinen Turnus mehr eingeteilt.
Ein derartiges Verhalten dürfe im Sanitätsbetrieb keinen Platz haben, erklärte Sabes-Generaldirektor Christian Kofler, daher werde er alle notwendigen Schritte in die Wege leiten, dass sich ein derartiges Verhalten nicht wiederholt. „Auch eine eventuelle Arbeitsüberlastung“, so Kofler, „darf hierfür keine Entschuldigung sein.“
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Kommentare (1)
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andreas1234567
Hallo aus D (Ruhrgebiet)
hier hätte man davon gesprochen der Kittelmann hat ihr „einen Knopf an die Backe gequatscht“.
Und als Hiesiger dieser Region lese ich die Aufregung mit totalem Unverständnis..
Klatsch dem Verstrahltem eine und geh heim..So wird das im Ruhrgebiet gehandhabt..
Aber die üblichen „Interessenvereine“ brauchen natürlich eine Daseinsberechtigung und plärren in voller Sirenenlautstärke los.
Total lächerlich, Metzgerskundinnenthekentratsch und gewiss nicht mehr..
Auf Wiedersehen in Südtirol und befindliche sensible Seelen sollten Einkehren in Südtirol die mit Alm oder Hütte enden generell ab dem Spätnachmittag meiden..