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Der Barthlmastag

Foto: TV Ritten/Doris Wieser

Zum Barthlmastag: Alle Jahre wieder am 24. August sind die Rittner Dörfer fast menschenleer. Der heilige Bartholomäus, der gefeiert wird, ist der Schutzpatron der Hirten und Bauern.

von Peter Righi

Alle Jahre wieder am 24. August sind die Rittner Dörfer fast menschenleer. An diesem Tag sind wohl fast alle Rittner*innen und viele, viele andere Menschen aus allen möglichen Teilen Südtirols und der Welt auf der Rittner Alm anzutreffen. Der heilige Bartholomäus, der am 24. August gefeiert wird, ist der Schutzpatron der Hirten und Bauern.

Es gibt allerdings auch immer wieder eine Ausnahme für den Bartlmastag am 24. August. Nach altem Brauch ist der Sonntag kein Markttag und deshalb wird auch der Bartlmastag, wenn er auf einen Sonntag fällt, auf Montag, 25. August verschoben.

Bevor es hinauf auf die Alm geht, besuchen gar einige Menschen noch die Hl. Messe bei der kleinen Kapelle beim Waldhotel Tann und stärken sich bei einem Frühschoppen. Inzwischen ist es zur Tradition geworden, dass auch andere Gastbetriebe an diesem besonderen Tag Frühschoppen anbieten.

Das Vieh der Bauern, das den Sommer über auf der Alm verbracht hat, wird bei der Saltner Hütte zusammengetrieben und um die Mittagszeit mit „Goasslschnöllen“, Saltnerrufen, Gewieher und Gebrüll eingetrieben. Die Sammelstelle ist ein eingezäuntes Areal, der „Stricker Pfarrer“, wo sich in früheren Jahren auch der Barthlmas-Markt abspielte und der ein oder andere Handel getätigt wurde. Seit 1927 ist es die Musikkapelle Wangen, die an diesem Tag auf der Rittner Alm für die passenden musikalischen Töne sorgt, seit den 1960er Jahren auch für Speis und Trank. Am Nachmittag geht es in Pemmern, an der Talstation, mit einem Fest weiter. Seit einigen Jahren organisiert der Tourismusverein dort auch ein Programm für die jüngsten Besucher, Langeweile ist an diesem Tag ein Fremdwort. Tradition, Brauchtum, Unterhaltung & Genuss werden großgeschrieben, ein richtiger Rittner Festtag für alle.

Pemmern kann sehr gut mit den öffentlichen Autobussen erreicht werden und es gibt wie jedes Jahr auch wieder Shuttledienste bis spät in die Nacht hinein.

Traditionen am Barthlmastag

Die Arbeit auf der Alm ist alles andere als einfach. Das war früher so und hat sich trotz technischer Fortschritte bis heute nicht geändert. Dennoch bleibt die Wahrnehmung der Menschen über den Almsommer und die Betreuung von 900 Kühen, Pferden und Ochsen ambivalent: Sie schwankt zwischen romantischer Vorstellung und harter Realität. Obwohl die 109 Tage der Hirtenarbeit auf der Alm voller Herausforderungen und harter Arbeit stecken, erinnern sich die Hirten – damals wie heute – an viele schöne Erlebnisse ihrer Almsommer.
In der Vergangenheit war die Zeit unmittelbar vor dem Barthlmastag mit zahlreichen Vorbereitungen verbunden. Eine dieser Aufgaben durfte über mehrere Jahrzehnte der Knecht übernehmen: Er musste bei der Sarner Scharte eine große Anzahl Edelweiß pflücken, damit die „Lattmayr-Bäuerin“ den Hutschmuck für alle Saltner mit Duftgeranien, Nelken, Schleierkraut, dem begehrten Edelweiß und dem eingeflochtenen „Schmatz“ binden konnte. Während dieser kurzen Abstiege nutzten die Hirten die Gelegenheit, um sich beim „Loch-Lattmayr“ die Haare schneiden zu lassen und am Barthlmastag einen gepflegten Eindruck zu machen.

Die Goaßl ist immer mit dabei
Das Almpersonal verwendet auch heute noch die „Goaßl“ (Peitsche) als Arbeitsgerät. Diese besteht aus einem Stock, einer ledernen Schnur und einem doppelten Seidenband, dem sogenannten Schmatz. Mit der Goaßl wird nicht nur das Vieh getrieben, sondern auch das laute Knallen der Peitsche diente früher der Kommunikation zwischen den Hirten. Besonders bekannt ist der dreifache Tusch, der als Warnsignal oder Hilferuf verstanden wird. Diese spezielle Abfolge von Knallen ist auch aus großer Entfernung oder bei schlechter Sicht hörbar.
Das „Goaßlschnölln“ ist ein wichtiges Merkmal der Rittner Hirten. Besonders am Barthlmastag zeigen einige Hirten und andere „Goaßlschnöller“ ihre Kunstfertigkeit im Umgang mit der Peitsche. Eine beeindruckende Form des Schnölln ist das Knallen der Peitschen auf dem Pferd oder das synchrone bzw. rhythmische Schnölln mehrerer Personen.
Nicht nur die Hirten und Fuhrleute entwickelten verschiedene Schlagtechniken wie den Vorhandschlag und den Rückhandschlag und übten diese mit großer Geschicklichkeit. Das Erlernen des Goaßlschnöllens ist nicht einfach und erfordert oft mehrere Jahre Übung, bis man den richtigen Schwung beherrscht. Heutzutage wird das „Goaßlschnöllen“ als Sport und als traditionelle regionale Praxis gepflegt.

Goaßlschnölln als Sportart

Seit 1985 hat sich das „Schnölln“ in Südtirol zu einer Sportart mit klar definierten Regeln entwickelt. In mehreren Gemeinden und Bezirken gibt es Vereine, die jährlich ihre Landesmeisterschaften über den Landesverband organisieren. Zusätzlich werden im Laufe des Jahres verschiedene Bezirks- oder Jubiläumsmeisterschaften durchgeführt. Bei diesen Wettbewerben bewerten spezielle Jurys die Schnöller, wobei Takt, Lautstärke, Einhaltung der vorgeschriebenen Zeitdauer sowie Körperhaltung und Ausdauer besonders berücksichtigt werden.

Die beiden Rittner Vereine zählen zusammen etwa 50 Mitglieder: der Verein in Unterinn mit rund 30 Mitgliedern und die „Rittner Goaßlschnöller“ mit etwa 20. Kinder im Alter von 8 bis 10 Jahren sowie Erwachsene bis 75 Jahre erfreuen sich gleichermaßen am Umgang mit der Goaßl.

Das „Goaßlschnölln“ wird heutzutage bei zahlreichen Veranstaltungen landauf, landab zelebriert: beim Barthlmastag, bei Umzügen, Märkten, Almabtrieben, Faschingsumzügen, Maiinschnöllen, Kirchtagen und manchmal auch bei Hochzeiten.
Je nach Region wird das Schnölln unterschiedlich praktiziert. Am Ritten wird einhändig geschnöllt, wobei der Bodenkontakt vermieden wird. Im Puster- und Passeiertal hingegen berührt man beim Schnöllen den Boden.
Auch die Herstellung der Goaßl und des Goaßlstiels variiert je nach Region und Hersteller. Der charakteristische Knall entsteht durch den sogenannten „Schmatz“ – ein Nylon- oder Seidenband am Ende der Goaßl, das durch geschicktes Schwingen in der Luft zur Überschallgeschwindigkeit gebracht wird.

Eine alte Handwerkskunst

Durch die Ausübung dieses Brauches wird auch alte Handwerkskunst weitergetragen: das Goaßlmachen. Es setzt einiges an Erfahrung und Geschick voraus.

Alois Ramoser, oder besser bekannt als Schartner-Luis, weiß nicht nur etwas über die Geschichte, sondern bindet die Goaßln auch selber. Gelernt habe er das vor vielen Jahrzehnten, als er noch einer der Hirten auf der Alm war. „Mir sein nia ohne Goaßl von der Hitt‘ gongen“, sagt er. Ganz individuell werden die Goaßln gestaltet, mit einer geflochtenen Weiderute mit Metallkern. Die Garne werden mit „Lerget“ und Fetten reißfest gemacht. Mehr als 10 Stunden Arbeit stecken in der Herstellung einer richtigen Goasl. Im Verhältnis zum Arbeits- und Materialaufwand ist der Preis für eine Erwachsenengoasl (ca. 220 Euro) gering. Am Ende sind sie zwischen drei und fünf Meter lang – je nachdem, wer sie anschließend schnöllt.

Box:

Im Lauf der Jahre hat sich der „Barthlmastag“ zu einem wichtigen Termin im Rittner Festtagkalender entwickelt und ist weit über die Gemeindegrenzen hinaus bekannt und beliebt. Fällt der 24. August auf einen Sonntag, so werden Vieheintrieb und Markt auf den Montag verschoben, da nach altem Brauch der Sonntag kein Markttag sein darf.

Die Alminteressentschaft organisiert für die rund 370 Rittner Bauern die Nutzung der Alm und hält sich seit jeher nach einem klar definierten Zeitplan, der den Almsommer für Vieh und Mensch bestimmt. Der Almbetrieb auf der Rittner Alm dauert 109 Tage.

 

 

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