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Vererben, aber richtig

Vor zehn Jahren übergab Maria Niederstätter ihr Baumaschinenhandels. Wie dies gelang, ohne dass weder das Unternehmen noch die Familie daran zerbrach.

Tageszeitung: Frau Niederstätter, wann haben Sie beschlossen, sich aus dem Unternehmen zurückzuziehen?

Maria Niederstätter: Als sich Daniela und Manuel ernsthaft entschlossen haben, in die Firma einzutreten. Mein Bruder Toni, der Vater der beiden, und ich haben uns dann Schritt für Schritt zurückgezogen und ihnen unser Vertrauen gegeben. Der Ausstieg war durch viele Gespräche und Meetings sehr gut vorbereitet, denn es geht nicht nur um die bloße Übernahme, vielmehr muss der ganze Betrieb auf die Nachfolge vorbereitet werden. In diesem Prozess sind wir fortwährend von unser Betriebspsychologin begleitet worden. Ihre Erfahrung war für uns ein sehr großer Gewinn.

Muss man Loslassen lernen?

Maria Niederstätter: Auf jeden Fall. Wenn man fünfzig Jahre ein Unternehmen mit Erfolg aufgebaut hat und eine gewisse Anerkennung im Markt sowie einen wesentlichen Marktanteil erreicht hat, dann denkt man schon an den Wert und an all die Energie, die dahintersteckt. Aber durch viele Gespräche sind mein Bruder und ich zu der Erkenntnis gekommen, wie froh wir sind, dass Manuel und Daniela das Unternehmen weiterführen und die Verantwortung übernehmen wollen. Man muss mit sich selbst Frieden erlangen. Ich hatte die Freiheit und das große Glück, immer all das machen zu können, was ich wollte und mit wem ich wollte. Das habe ich sehr genossen. Aber auf der anderen Seite hatte ich auch viel Verantwortung zu tragen. Ich bin jetzt 70 Jahre. Vielleicht habe ich noch zehn Jahre, wo ich ein schönes Leben ohne ganz viel Verantwortung oder große Probleme, vor allem physischer Natur, genießen kann.

Warum sind Sie in die Firma eingestiegen?

Daniela Niederstätter: Für mich war das eine ganz bewusste Entscheidung. Mit unserer Betriebspsychologin haben wir herausgearbeitet, was jeder von uns für Kompetenzen und Qualitäten hat. Es geht nicht darum, dass man genau das studiert, was das Unternehmen braucht, sondern darum, dass man man seine Kompetenzen und Qualitäten einbringt, dass man die Offenheit und Bereitschaft besitzt, zu lernen und entscheidungsfreudig ist.

Manuel Niederstätter: Für jede Aufgabe ist es viel wichtiger, welche charakterliche Stärken und Grundkompetenzen jemand mitbringt. Das Fachliche kann man lernen.

Ist es manchmal schwierig, mit der eigenen Familie zusammenzuarbeiten?

Manuel Niederstätter: Reibereien gehören dazu. Wichtig ist, dass man lernt, miteinander zu reden und überhaupt erst einmal die Sprache zu finden, sich mitteilen zu können, damit das Gegenüber einen versteht. Ein wichtiger Aspekt ist darüber hinaus die Freiheit, Fehler zu machen und Fehler machen zu dürfen. Es braucht sehr viel Stärke, jemandem dies zuzugestehen. Gleichzeitig braucht es auch Charakter, sich einzugestehen, dass eine Entscheidung nicht so toll war.

Das Unternehmen nimmt mit der Übernahme durch die Jugend auch einen anderen Kurs ein. Hatten Sie nie Bedenken, dass Ihr Lebenswerk leiden oder im schlimmsten Fall finanziell ruiniert werden könnte?

Maria Niederstätter: Ich habe volles Vertrauen in Daniela und Manuel, dass es gut gehen wird. Das Unternehmen mit allem, was dazugehört, war mein Leben, aber das ist die Vergangenheit. Ich bin für meine Zukunft verantwortlich, nicht für ihre.

Manuel Niederstätter: Die wichtigste Basis für Vertrauen sind gemeinsame Werte.

Daniela Niederstätter: Das Vertrauen spielt sicherlich eine große Rolle. Irgendwann sind es eben Manuels und meine Entscheidungen. Wenn man vertraut, muss man nicht darüber nachdenken, was passiert, wenn. Auf gemeinsamen Werten und Vertrauen kann man aufbauen, dann gelingen auch Veränderungen, beispielsweise hinsichtlich des Führungsstils oder der Unternehmensstruktur.

Haben Sie nie mit dem Gedanken gespielt, zurückzukehren?

Maria Niederstätter: Nein, ich nehme keine Aufgaben mehr wahr. Dennoch treffen wir vier uns regelmäßig einmal pro Woche, um uns auszutauschen. Mein Bruder und ich selbst stehen gerne noch beratend zur Seite, aber eben nur als Ideengeber.

Manuel Niederstätter: Wir teilen bei diesen regelmäßigen Zusammenkünften unsere Ideen. Daniela und ich hören uns alle an und fällen daraufhin eine Entscheidung. Wir genießen das Vertrauen, dass wir alles entscheiden dürfen und sollen, aber trotzdem können wir ja auf die Erfahrung und das Wissen der vorherigen Generation zurückgreifen.

Daniela Niederstätter: Durch die gemeinsamen Diskussionen entstehen neue Ideen, neue Perspektiven und daraus resultiert wiederum ein Mehrwert für das Unternehmen.

Welche Konflikte gab es nach der Übergabe der Unternehmensführung?

Maria Niederstätter: Vor allem die älteren Mitarbeiter haben sich schwer mit dem Führungswechsel getan. Einige wollten sich von Daniela und Manuel nichts sagen lassen, haben gemeint, meine Nachfolger verstehen nichts vom Geschäft. Das hat auch zu Entlassungen geführt. Andere sind von sich aus gegangen. Mit dem umzugehen, muss man erst lernen. Daniela hat den Master in Human Research Management gemacht, sich für das Personal eingesetzt und neue Leute aufgenommen. Ebenso habe sich einige Kunden am Anfang schwergetan. Die junge Generation muss sich überall erst profilieren.

Gab es nach der Verkündung der Unternehmensübergabe an Daniela und Manuel Konflikte und Neid in der weiteren Familie?

Maria Niederstätter: Natürlich hat es bei der Verkündung ein paar Tränen gegeben. Dort, wo einiges zu holen ist, hätten viele gerne eine Schnitte davon. Doch es hat keinen Sinn, hier Hoffnungen zu wecken. So war es vielleicht einmal schmerzvoll, aber dann war das Thema vom Tisch. Darüber hinaus bin ich der Meinung, dass zwei führende Familienmitglieder in einem Betrieb genug sind, sonst kann es leicht zu Unstimmigkeiten kommen.

Manuel Niederstätter: Gegenüber Leuten, die man schätzt, empfindet man keinen Neid. Wenn jemand mir ein ehrliches Feedback gibt, dann ist das ein Geschenk.

Daniela Niederstätter: Neid entsteht, wenn es nur eine Perspektive gibt und nicht versucht wird, das Gegenüber zu verstehen. Es geht darum, das zu schätzen, was ich habe, denn dann kann ich daraus auch etwas machen. Mit Neid kommt man nicht weiter.

Wie ist der fließende Übergang von einer Generation zur nächsten bei der Firma Niederstätter geglückt?

Maria Niederstätter: Nur weil es am Ende gut ausschaut, heißt es nicht, dass da auch viel Arbeit dahintersteckt.

Daniela Niederstätter: Harte Arbeit – im Betrieb und an sich selbst. Diskussionen gehören dazu, aber das bedeutet nicht das Ende der Welt, denn es geht um das Wohl des Unternehmens und darum, dass wir uns gemeinsam wohl fühlen. Unsere Unternehmenspsychologin war in dieser Hinsicht gerade zu Beginn wie eine Übersetzerin und hat einen Ausgleich zwischen uns geschaffen, weil man sich sonst zu sehr in die eigenen Gedanken verstrickt und nicht mehr herauskommt.

Manuel Niederstätter: Eine außenstehende Person, die dem eigenen Wertesystem entspricht und zu der man Vertrauen hat, ist sehr wichtig.

Würden Sie es grundsätzlich empfehlen, bereits zu Lebzeiten zu vererben, oder kann man das nicht verallgemeinern?

Maria Niederstätter: Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen, als bei Lebzeiten zu vererben. Ich möchte sehen, dass Daniela und Manuel eine Freude haben. Für mich ist es essenziell, diesen Prozess zu leben. Das Kapital ist Nebensache.

Daniela Niederstätter: Bei ganz vielen Unternehmen ist die Übergabe des Unternehmens, also die Nachfolgereglung ein Tabuthema. Dabei ist es so wichtig, bereits zu Lebzeiten, die späteren Erben mitzunehmen, damit sie nicht überfordert sind, wenn von einen auf den anderen Tag alles zu übernehmen ist. Bedeutend ist außerdem, ein wenig sein Ego loszulassen und sich zu fragen, ob es um das Geld geht oder um die Freude der Weitergabe und die Zukunft.

Manuel Niederstätter: Das Finanzielle ist Nebensache. Es geht viel mehr um die Verantwortung, den Einsatz und darum, etwas zusammen zu entwickeln, das heißt gemeinsame Visionen zu haben. Es geht um die Freude an dem Ganzen.

Erben und vererben ist nicht immer einfach. Viele Familien zerbrechen im Streit darüber. Wie kann man dies umgehen oder dem gar vorbeugen?

Maria Niederstätter: Viele verdrängen das Thema Vererben. Bei Leuten, bei denen sehr viel Kapital vorhanden ist und es viele Erben gibt, ist dann der Streit vorprogrammiert. Wichtig ist noch, die jeweiligen Partner der Erben aus dem Betrieb herauszuhalten.

Daniela Niederstätter: Man sollte hier klare Grenzen ziehen. Zwar darf die Meinungsäußerungen des Partners zu schätzen wissen, jedoch sollte dieser sich keine direkte Einmischung in die Geschicke des Unternehmens anmaßen.

Auch die Frage nach Gerechtigkeit spielt beim Erbe immer wieder eine Rolle …

Daniela Niederstätter: Was heißt denn Gerechtigkeit? Ich glaube, Gerechtigkeit wird überbewertet. Es gibt immer etwas, was der eine besser kann, und etwas, was der andere besser kann. Daher geht es vielmehr auch darum, dass man sich gegenseitig schätzt.

Maria Niederstätter: Und es geht auch ein wenig um Großzügigkeit.

Manuel Niederstätter: Es gibt nicht die objektive Gerechtigkeit. Umso toller ist es, wenn das Materielle zweitrangig ist und es um andere, wichtigere Dinge geht, an denen wir Freude haben. Es geht darum, wie kann ich mit wem etwas anfangen oder arbeiten.

Erwarten Sie bzw. zeigen Sie gegenüber dieser Entscheidung, die Geschicke des Unternehmens frühzeitig zu übergeben, Respekt und Dankbarkeit?

Maria Niederstätter: Wir gehen respektvoll miteinander um. Dankbarkeit erwarte ich mir überhaupt nicht. Ich würde das Wort Dankbarkeit eher durch das Wort Freude ersetzen.

Daniela Niederstätter: Ich bin dankbar für die Möglichkeit, die ich bekommen habe. Jedoch geht es darum, was ich daraus mache. Bodenständigkeit und Augenhöhe sind wichtig und damit verbunden dann natürlich Respekt.

Manuel Niederstätter: Ich verspüre jetzt keine Pflicht oder Schuld gegenüber jemandem. Dankbarkeit ist ein unglücklicher Begriff bzw. die gesellschaftliche Interpretation des Wortes ist unglücklich. Respekt und Großzügigkeit treffen es besser.

Interview: Sandra Fresenius

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