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Digitale Zwillinge

Viele Unternehmen haben im NOI-Techpark angesiedelt. Eines davon ist CAEmate, das mithilfe von digitalen Zwillingen unsere Infrastruktur sicherer und haltbarer machen will.

von Lukas Verdross

Vor fast genau sechs Jahren stürzte in Genua die Ponte Morandi ein und kostete 43 Menschen das Leben. Das Unglück war damals absehbar, seit 1993 wurde an einem entscheidenden Träger, der damals über 60 Jahre alten Brücke keine Wartung mehr vorgenommen, genau dieser Träger stürzte damals ein und riss 35 Autos und drei Lastwagen mit sich in den Abgrund.

Genau solche Katastrophen will das Südtiroler Unternehmen CAEmate in Zukunft mit seiner Plattform „WeStatix“ verhindern. Wie wollen sie das anstellen? Laut dem Mitgründer der Firma – Massimo Penasa – ist das ganz einfach: In dem man sogenannte digitale Zwillinge der Brücken schafft.

Digitale Zwillinge sind genaue Abbilder der realen Infrastruktur, wie einer Brücke, die kontinuierlich mit Daten gefüttert werden. Dafür werden Sensoren an der Brücke angebracht, die rund um die Uhr in Echtzeit den Zustand und das Verhalten der Infrastruktur, an der sie angebracht sind, messen. So werden beispielsweise Vibrationen und interne Spannungen erfasst, die zeigen, ob, wann und wo die Brücke einstürzen könnte. Diese Daten werden dann an die Plattform weitervermittelt, wo sie mithilfe von künstlicher Intelligenz ausgewertet und zu einem lesbaren Modell gemacht werden.

„Unser System ist eigentlich ein Übersetzer. Es sammelt Daten und wertet diese dann aus“, erklärt Massimo Penasa. Anhand dieses Modells kann man ablesen, ob beispielsweise eine Brücke gesund ist oder ob es Probleme gibt. Und sollte es Probleme geben, zeigt das Modell genau an, wo diese liegen und ob eine Gefahr für die Stabilität der Brücke davon ausgeht.

„Mit diesen Daten sind auch Vorhersagen möglich“, so Penasa, „es zeigt in welchem Zustand die Brücke in ein oder zwei Jahren sein wird und wo eventuelle Schwach- und Problemstellen liegen werden.“ Damit sollen präzise Eingriffe in Brücken möglich sein, die eine unnötige Demolierung von funktionierender Infrastruktur verhindern sollen. Die Anwendungsmöglichkeiten sind dabei weit. Nicht nur Brücken, sondern auch Viadukte, Windräder, Wohngebäude, seien mit der Plattform von CAEmate kompatibel. „Eigentlich alles, was von Menschen gebaut wurde“, lacht Penasa.

Den Nutzen eines solchen Systems versucht Penasa am Beispiel Deutschlands deutlich zu machen: „Es gibt 13.000 Brücken die in Deutschland erneuert werden müssen. Aufgrund verschiedener Umstände kann man aber nicht mehr als hundert pro Jahr warten, das heißt es würde 130 Jahre dauern, bis alle gewartet wären.“ Nach Schätzungen haben Brücken eine Lebenszeit von ungefähr 100 Jahren, die Rechnung geht nicht auf. Durch smarte Technologien soll sowohl die Lebensdauer verlängert werden, als auch notwendige Eingriffe schneller und präziser werden. Das kann reale Vorteile haben, erklärt Penasa; „Durch solche Technologien können wir erkennen, ob wir eingreifen müssen und wenn ja, wo genau und wie. Durch ein solches System konnte erst vor kurzem eine Brücke in Mailand wieder geöffnet werden, da sie erkannt haben, dass der Zustand noch ausreichend ist, um weiter zu funktionieren.“

Die Idee zu einer solchen Firma kam Massimo Penasa zusammen mit seinem Bruder Matteo. Die beiden waren jahrelang als Statiker tätig und bauten und planten ebenjene Gebäude, die sie jetzt mit ihrer Plattform betreuen. „Das war ein Umfeld, in dem es nur sehr wenig Digitalisierung und Automatisierung gab. Daher haben wir zuerst eine Plattform entwickelt, die gewisse repetitive Aufgaben automatisiert. Das Projekt hat sich über zwei bis drei Jahre in das heutige Projekt verwandelt“, so Massimo Penasa.

Der Name der Firma setzt sich aus zwei Teilen zusammen: CAE steht für „Computer Aided Engineering“, also Computergestütztes Ingenieurwesen und der zweite Teil des Namens – „Mate“ – heißt übersetzt Freund.

Unterstützt wurden sie dabei von NOI Techpark, mit denen sie seit Gründung des Unternehmens zusammenarbeiten. Für Penasa einer der Gründe hinter dem Erfolg: „Es war sehr wichtig, dass wir hier im NOI Techpark sind. Sie haben uns immer unterstützt und vor allem in den Sachen, in denen man als Gründer kein Experte ist, wie gesetzlichen Vorgaben, Sichtbarkeit oder auch bei der Suche nach Investoren.“ So hat CAEmate vor einem halben Jahr über drei Millionen Euro in der ersten Investitionsrunde gesammelt, ein Erfolg, der laut Penasa auch auf der Unterstützung und dem Netzwerk von NOI beruht. Denn die Suche nach Investoren sei in Italien nicht einfach, im Gegenteil zu anderen Ländern wie den USA, habe Italien einfach keine große Start-Up-Kultur und Geldgeber für solche Firmen seien selten.

Auch der Technologie-Transfer, auf den man bei NOI einen Fokus setzt, sei für CAEmate eine große Unterstützung gewesen: „Das war wahnsinnig wichtig für uns. Wir haben mehrmals an Forschungsprojekten der Eurac teilgenommen und viel mit anderen Firmen zusammengearbeitet, die Expertise in für uns wichtigen Bereichen haben.“

Das helfe auch die Nachteile Südtirols für neue Unternehmen auszugleichen. Zwei Punkte kritisiert Penasa: Die hohen Kosten in Südtirol und die Schwierigkeiten, qualifiziertes Personal in Südtirol zu finden oder zu einem Umzug nach Bozen zu überzeugen. Auch daher setzt man bei CAEmate viel auf Remote-Arbeit, damit die Mitarbeiter aus ihrem Zuhause in anderen italienischen Provinzen, Argentinien oder sogar der Ukraine arbeiten können. Ein Großteil der Mitarbeiter arbeite aus dem Home-Office, eine Entscheidung, die nicht nur Vorteile hat. „Vor allem wenn man offene Diskussionen führt und versucht innovative Lösungen zu finden, funktioniert das Home-Office nicht besonders gut“, zählt Penasa die Probleme auf.

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