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„Wir sind ein Musical“

Der NOI Techpark

Der NOI-Techpark stand unter Kritik und ist jetzt ein Vorzeigeprojekt. Ulrich Stofner und Vincent Mouroit zu den Anfängen, den Vorteilen und den Gründen für den Erfolg.

Tageszeitung: Herr Stofner, Herr Mouroit, was sind Ihre Aufgaben im NOI-Techpark?

Ulrich Stofner: Ich bin der Direktor des NOI-Techparks und habe somit die Gesamtverantwortung für die Aktiengesellschaft NOI. Wir als NOI entwickeln und bebauen diesen Ort. Zwölf Hektar stehen uns insgesamt zur Verfügung, ein Drittel davon ist bereits bebaut. Das heißt, wir stehen eigentlich erst am Anfang unserer Reise. Auch muss ich den Ort betreiben, er muss ja leben. Er muss Effekte produzieren, Impact erzeugen. Und wie schafft man das? Indem wir hier ein Dienstleistungsportfolio entwickelt haben, das wir den Akteuren zur Verfügung stellen, denn die sind ja die eigentlichen Hauptrollen hier. Das sind die Universität, die Forschungseinrichtungen, die Unternehmen und ganz spezifisch die Start-Ups. Die betreuen wir, damit am Ende geschieht, was wir uns in unserer Vision vorgenommen haben. Eine der ganz wesentlichen Dienstleistungen ist der Technologietransfer, um den sich mein Kollege kümmert.

Vincent Mouroit: Genau, ich bin Direktor für Innovationsmanagement und Technologietransfer. Innovationsmanagement hilft Unternehmen und Start-Ups, neue Produkte zu identifizieren, bestehende Produktportfolios zu ergänzen oder sich eventuell auch komplett neu zu positionieren. Der zweite Bereich, den ich vertrete, ist der Technologietransfer. Wir haben vier Technologietransfer-Einheiten, welche die wichtigen Themen, hauptsächlich für das lokale Ökosystem, vertreten. Das sind die Bereiche Green Tech, Food & Health, Automotive Automation und Digital. Und die Aufgabe des Technologietransfers ist, Bedürfnisse von Unternehmen zu bestimmen und gemeinsam eine technische, innovative Lösung auszuarbeiten. Ebenfalls helfen wir, Lücken der Unternehmen in Kompetenzen, Ressourcen und so weiter, zu schließen. Das machen wir hauptsächlich mit lokalen Ressourcen, aber wir sind auch national und international vernetzt.

Warum benötigen immer mehr Unternehmen diese Dienstleistung?

Mouroit: Die Zeiten haben sich geändert. Früher, vor 20 Jahren, war eine Firma in einem bestimmten Bereich, einem Produkt, tätig. Und das blieb meistens zehn bis 15 Jahre lang konstant. Jetzt ändert sich alles viel schneller. Und man hat immer mehr mit anderen Kompetenzen zu tun. Es reicht nicht mehr nur Kompetenzen im Kernbereich des Produkts zu haben. Ein schönes Beispiel dafür ist der Bereich Digitales, ein Produkt ohne digitalen Bereich ist fast undenkbar. Datenerhebung, Prozessverbesserung, Produktentwicklung, das brauchen fast alle. Und viele Unternehmen haben dieses Wissen nicht. Vor allem beim Thema Künstliche Intelligenz. Viele sprechen darüber, wenige wissen, was es genau ist, welche Möglichkeiten es gibt. Und dann ist es unsere Aufgabe, zuerst einmal diesen Bedarf zu verstehen, Möglichkeiten zu öffnen und Ressourcen bereitzustellen, um die Unternehmen zu unterstützen.

Wie sehen Sie Südtirol und NOI beim Thema Künstliche Intelligenz aufgestellt?

Mouroit: Das Wissen ist da. Wir sind nicht umsonst letztes Jahr als „European Digital Innovation Hub“ nominiert worden. Das geht auf eine EU-Entscheidung zurück, dass jede Region einen solchen „Hub“ haben soll. Und der hat das Ziel, die digitale Transformation in seinem Umfeld, seinem Ökosystem voranzutreiben. Wir haben das Thema KI gewählt und haben gemeinsam mit unserem Ökosystem potenzielle Projekte und deren Einfluss bestimmt. Das Ganze wurde durch die EU mehrmals geprüft und validiert. Wir sind für die nächsten drei Jahre „European Digital Innovation Hub“ und müssen einen Impact bei 250 Unternehmen erzeugen. Das heißt, mit denen Kontakt aufnehmen, verstehen, was sie vorhaben und maßgeschneidert für diesen Bedarf dann Dienstleistungen und Know-How zur Verfügung zu stellen. Natürlich sind wir kein Silicon Valley, aber wir haben vieles zur Verfügung, um Projekte auf einem vernünftigen Niveau umzusetzen.

Der NOI-Techpark war vor dem Bau und in seiner Anfangszeit durchaus umstritten. Kann man als Betreiber jetzt stolz sagen, wir hatten Recht?

Stofner: Zweifellos. Man muss aber sagen, dass der Techpark ohne die Polemik am Anfang vielleicht nie zu dem Vorzeigeprojekt geworden wäre, das er heute ist. Weil immer dann, wenn es scharfe Kritik gibt, dann zwingt das jene, die das Projekt vorantreiben wollen, es zu verbessern. Das hat sicher dazu geführt, dass das Projekt so ausgerichtet wurde, dass es dem Territorium dient. Und dass all jene, die eigentlich einen Nutzen aus diesem Ort ziehen sollten, an diesem Ort mitgestalten. Das ist eine Stärke, die wir heute haben. Es ist nicht das Projekt einer Organisation oder einer Institution, sondern lebt davon, dass viele Akteure zusammenwirken. Wir sind kein Orchester, bei dem der Dirigent das Wesentliche macht und alle anderen spielen mit. Stattdessen ist es wie bei einem großen Musical hier. Da gibt es in der Regel auch viele Hauptrollen und wenn die Hauptrollen alle gut spielen, dann ist das Musical gut. Wenn drei, vier Hauptrollen versagen, dann ist es ein Fiasko. Und bei uns machen alle Hauptrollen einen tollen Job.

Was muss man denn als Start-Up oder Unternehmen mitbringen, um Teil dieses Musicals zu werden?

Mouroit: Es braucht Innovations-, Forschungs- und Entwicklungsvorhaben. Auch sollte man in einem unserer vier Fokusfelder tätig sein und einen Beitrag im lokalen Ökosystem leisten. Im Idealfall sollte man sich auch in Südtirol ansiedeln, aber wir arbeiten auch unter anderem mit Forschungseinrichtungen zusammen, die nicht aus Südtirol sind. Wir setzen auf Qualität und nicht Quantität. Vor zwei Monaten wollte sich ein großes Unternehmen hier ansiedeln. Der Name wäre zwar schön für Plakate gewesen, aber sie hatten keine wirklichen Innovations- oder Forschungsplänen mit dem lokalen Ökosystem. Daher haben wir abgelehnt. Wir wollen nicht einfach so schnell wie möglich die zwölf Hektar füllen und internationale Großkonzerne herholen, die aber nichts Lokales machen. Natürlich siedeln sich auch große Konzerne aus dem Ausland an, aber die arbeiten dann auch an lokalen Projekten und integrieren sich gut in unser Ökosystem.

Um nochmal auf das Stichwort Erfolg des Techparks zurückzukommen. Herr Mouroit, Sie kommen aus Belgien, wie wichtig ist die Internationalität für den Erfolg?

Mouroit: Essentiell. Internationalität ist einerseits Pflicht, um Erfolg zu haben. Wenn Unternehmen, Universitäten, Forschungseinrichtungen, Start-Ups, funktionieren wollen, dann ist nicht die Abkapselung und Einigelung die richtige Strategie, sondern Öffnung, Partnerschaften und Wissenstransfer. Wir verfolgen aber noch einen zweiten Gedanken, basierend auf unseren Werten. Das sind vor allem Offenheit und Diversität. Das Wertschätzen des Anderen und des Verschiedenen. Das ist ein ganz wesentlicher Ansatz. Und wenn diese Grundlage da ist, dann führt die Offenheit automatisch zu Internationalität.

Stofner: Bei dem Thema ist auch die Forschungsinfrastruktur, sprich Labors, sehr wichtig. Mittlerweile haben wir ja über 50 Labors. Der Spitzenmann aus München, Mailand, London, Helsinki, kommt nur, wenn er hier eine Forschungsinfrastruktur hat, wo er Exzellenzforschung betreiben kann. Deswegen war das Investment in unsere Forschungsinfrastruktur so wichtig, da wir dadurch die besten Leute kriegen und nur so können wir in der Lage sein, in unseren Spezialisierungsbereichen wirklich Exzellenz zu entwickeln.

Es wird Südtirol oft vorgeworfen, dass man zu engstirnig, zu kleinteilig sei. Gibt es da Reibepunkte mit Ihrem Konzept der Offenheit?

Stofner: Ich nehme keine Reibung mehr wahr. Im Gegenteil. Es gibt glaube ich ganz breite Zustimmung. Wahrscheinlich weil viele die Notwendigkeit begreifen, dass hier Innovation geschieht, dass Veränderungen angeschoben werden. Nur so können wir unsere hohen Lebensstandards halten. Lebensqualität, Wohlstand, alles hängt davon ab, ob wir unsere Rolle, unseren Platz beibehalten können, in einer sich rasant veränderten Welt. Deswegen nehme ich die Reibung eigentlich nicht mehr wahr. Der Techpark ist sicherlich ein Ort in Südtirol, der besonders für Veränderung steht. Und dann gibt es andere Orte im Land, die eben auf besondere Weise für Tradition stehen. Aber wichtig ist, dass man das nicht zu einem Konflikt hochstilisiert und zu zwei Einheiten entwickelt, die sich ausschließen. Weil in Wahrheit sind das komplementäre Dinge eines Landes, die wir beide brauchen.

Der Techpark, gebaut auf dem Gelände einer ehemaligen Alufabrik, symbolisiert diese Symbiose oder?
Stofner: Das finde ich einen sehr spannenden Gedanken. Das war mal die größte Aluminiumfabrik Italiens, errichtet in den 30er Jahren zum Zweck der Italianisierung des Territoriums. Und man muss ja auch sagen, dass die Entwicklung einer starken Industrie in Bozen, eine der Grundlagen der wirtschaftlichen Stärke des Landes. Südtirol ist so stark, wegen unserer Industrie, neben Tourismus, Handwerk und Landwirtschaft. Aber das ist für einen alpinen Raum eine Besonderheit, dass die Industrie so stark ist. Das Innovationspotenzial liegt besonders in der Industrie.  Ich finde es schön, dass aus dieser historischen Aluminiumfabrik, die dann im Laufe der 80er und 90er Jahre in Krise gekommen ist, der moderne Techpark geworden ist. Eine Symbiose aus beidem. Ich finde es dann am Ende so eine großartige Lösung, dass an diesem Ort, wo Produktion stattgefunden hat, wo Wirtschaft war, wieder Wirtschaft drinnen ist und wieder ein Motor drinnen ist, der die Transformation der Wirtschaft schafft und begleitet.

Wie wichtig ist das Thema Nachhaltigkeit in der Transformation der Wirtschaft?

Stofner: Nachhaltigkeit ist der Teilchenbeschleuniger für alles und muss es auch sein, damit der Planet überlebt. Wir setzen uns extrem stark in den Dienst dieses Großthemas mit all dem, was wir tun. Unsere Spezialisierungsstrategie, ist gezeichnet von Nachhaltigkeit. Wir werden auch vor der Ingenieursfakultät ein Kunstwerk errichten, das genau diesem Thema Rechnung tragen wird. Es wird ein Obelisk entstehen, darauf zu lesen: „Wenn es Technologie gibt, dann muss sie den Menschen und dem Planeten dienen.“ Das ist unsere Hauptaussage. Innovation und Wirtschaft müssen am Ende dazu führen, dass unsere Gesellschaft und unser Ort, wo wir leben, dieser Planet, ein besserer Ort wird.

Mouroit: Genau, auch hier gilt wieder dieser Grundgedanke nicht nur das zu machen, was die anderen machen, sondern wirklich auch immer einen Schritt voraus zu sein. Letztendlich machen wir keine Projekte, wenn das Projekt nicht nachhaltig ist. Dabei gibt es zwei wichtige Aspekte. Einmal die Natur und die Umwelt, das heißt die klassische Nachhaltigkeit. Aber echte Nachhaltigkeit braucht auch nachhaltige Geschäftsmodelle. Also nicht nur Unternehmen und Start-Ups gründen, die morgen nicht mehr bestehen. Und wir achten sehr darauf, bei der Auswahl der Start-Ups, die wir unterstützen und bei den Projekten, die wir mit Unternehmen umsetzen, ob am Ende des Tages auch das Ergebnis nachhaltiger ist, als der aktuelle Zustand.

Mal angenommen, der Techpark würde morgen schließen. Was würde Südtirol verloren geben, wenn es diesen Ort von heute auf morgen nicht mehr gäbe?

Stofner: Südtirol würde eine große Zukunftschance verspielen. Wir haben im Jahr rund 700 Forschungs- und Entwicklungsprojekte, die allein hier abgewickelt werden. Mit einem Budget, das ziemlich hoch ist, rund 40 Millionen Euro. Man sieht, dass hier ein Ort entstanden ist, an dem Dinge geschehen, die sonst nicht geschehen würden.  Ein neues Produkt, ein neuer Prozess, eine große Innovation. Entweder inkrementell oder sogar ganz besonders radikal. So, und genau dieser Teil, alles das, würde in Südtirol dann nicht geschehen. Und dann hat man schnell verstanden, wie wir an Fahrtgeschwindigkeit einbüßen würden, wenn dieser Ort auf einmal nicht mehr da wäre. Und das wäre schade.

Interview: Lukas Verdross

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (5)

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  • echnaton

    … wir haben zuviel Geld …

  • andreas

    Schwadronieren kann er, der Stofner, Konkretes habe ich aber nichts herausgelesen.
    Wobei ich sagen muss, dass ich nicht alles gelesen habe, da mir teilweise schon die ersten beiden Sätze zuviel Geschwafel waren.

    Doch 40 Millionen sind für Forschung und Entwicklung nicht wirklich die Welt, für KI sowieso so gut wie gar nichts.
    Wäre mal interessant zu wissen, welche Unternehmen aus BIC und nun NOI hervorgegangen sind und deren wirtschaftlichen Entwicklung.

    Sich als Helden der Neuzeit darzustellen, ohne konkreten Ergebnissen, ist nicht wirklich informativ.

  • olle3xgscheid

    Mir ging es beim.lesen dieses Artikels wie @andreas.

    Konkret interessiert mich was bei dieser Geldverschwendung , ausser Arbeitsbeschaffung und hohe Gehälter, für den einzelnen Südtiroler dabei herauskommt, was kommt uns im hier und jetzt zugute?!

    40.000.000 € …..

  • olle3xgscheid

    …und heuer wieder mit 31.000.000 € gesegnet…

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