„Man baut auf Vertrauen“
Das Homeoffice ist auch in der Privatwirtschaft noch gefragt. Warum es gerade in der Privatwirtschaft eine Frage des Vertrauens ist und was sich in Zukunft ändern muss, damit es funktioniert.
von Silvia Pancheri
Das Homeoffice ist aus der heutigen Arbeitswelt nicht mehr wegzudenken. Sowohl die öffentliche Verwaltung als auch die Privatwirtschaft setzen es als Benefit ein, sehen aber auch Nachteile. So möchte man es im größten Unternehmen Deutschlands zurückfahren, wie es bereits zahlreiche internationale Unternehmen getan haben. Auch Südtiroler Unternehmen sehen Nachteile im Homeoffice.
Die TAGESZEITUNG spricht mit dem Präsidenten des Unternehmerverbandes Heiner Oberrauch darüber, was bereits gut funktioniert, aber auch über mögliche Baustellen. Die Lösung: Vertrauen und Engagement.
TAGESZEITUNG Online: Herr Oberrauch, wie viel Arbeit erfolgt in Südtirol aus dem Homeoffice?
Heiner Oberrauch: Das Wirtschaftsförderungsinstitut der Handelskammer hat vor rund einem Jahr eine Umfrage unter rund 17.000 Unternehmen aller Sektoren zur Nutzung des Homeoffice in Südtirol veröffentlicht. Dieser Umfrage ist zu entnehmen, dass 3 Prozent der Unternehmen Homeoffice bereits vor Covid, 26 Prozent in der Covid–Zeit, 10 Prozent der Unternehmen zum Zeitpunkt der Befragung und 9 Prozent der Unternehmen auch künftig auf diese Möglichkeit setzen werden.
Welche Erfahrungen, positiv wie negativ, haben Sie mit dem Homeoffice gemacht?
Wichtige Aspekte wie die Produktivität, Motivation und Disziplin der MitarbeiterInnen und die Organisation und Koordinierung der MitarbeiterInnen würde ich generell, auch in den Erfahrungen, die wir in unserem Unternehmen machen konnten, vorwiegend positiv bewerten. Die Kommunikation mit den MitarbeiterInnen im Homeoffice sind hingegen im Allgemeinen etwas kritischer zu betrachten. Problematisch sind vielfach die Effekte von Homeoffice auf den Teamgeist und das Zugehörigkeitsgefühl zum Unternehmen seitens der MitarbeiterInnen. Wichtige Gespräche sollte man in Präsenz abhalten, da es ja auch viel non-verbale Kommunikation gibt und man mehr die Stimmung spürt. Das gilt genauso für wichtige Verhandlungen.
Das Homeoffice erfreut sich nicht überall seiner einstigen Beliebtheit. Nimmt es auch in Südtirol ab?
Zu Zeiten der Corona-Krise ist die Verwendung des Homeoffice rapide angestiegen. Danach hat sich die Anzahl der unselbständig Beschäftigten, die Homeoffice für einige, meistens ein bis zwei Tage, die Woche in Anspruch nehmen, bei einem Anteil von 6 bis 7 Prozent eingependelt. Homeoffice wird vor allem im Dienstleistungssektor stärker beansprucht. Im verarbeitenden Gewerbe, der Industrie, schon aufgrund der vorwiegend anfallenden Tätigkeiten hingegen weit weniger. Feststellen können wir auch, dass bei größeren Unternehmen Homeoffice weit häufiger angewandt wird als bei kleineren Unternehmen. Es gibt allerdings auch MitarbeiterInnen, die wieder vermehrt im Büro arbeiten möchten, da der soziale Kontakt wichtig ist, genauso wie die Konzentration und das Abschalten von zu Hause. Homeoffice ist sicher nicht immer und überall sinnvoll, viele Unternehmer haben aber auch den Wert erkannt. Grundsätzlich baut man in der privaten Wirtschaft – besonders in den Familienbetrieben – auf Vertrauen. MitarbeiterInnen, die im Betrieb motiviert sind, sind es zu Hause genauso. Das ist umgekehrt ebenso der Fall: MitarbeiterInnen, die im Büro nicht motiviert sind, sind es auch zu Hause nicht.
Das Homeoffice wird als Benefit genutzt, um eine Arbeitsstelle attraktiver zu machen, gerade zu Zeiten des Fachkräftemangels. Trifft dies auch auf Südtirol zu?
Die Gewährung von Homeoffice kann natürlich auch in Südtirol bei vielen jungen Talenten die Attraktivität eines Arbeitgebers erhöhen und die Vereinbarkeit von familiären und beruflichen Bedürfnissen stärken. Homeoffice kann dem Wunsch nach mehr Flexibilität vor allem auch bei jungen MitarbeiterInnen entgegenkommen, insbesondere wenn die Ausübung der Tätigkeit zeit- und ortsunabhängig angeboten werden kann. Bei der Suche nach neuen Talenten eröffnet sich zudem für das Unternehmen ein größeres Einzugsgebiet, denn die Entfernung zum Arbeitsplatz verliert für potenzielle KandidatInnen ein Stück an Bedeutung.
Wo sehen Sie die größten Herausforderungen und Bedingungen für ein gelungenes Homeoffice-System?
Klar vermittelt werden muss, dass sich Homeoffice in den Unternehmen vielfach nur für einen Teil der Tätigkeiten eignet, die das Unternehmen ausübt. Es bedarf deshalb auch eines klaren internen Commitments. Damit diese Möglichkeit gute Ergebnisse für die MitarbeiterInnen und für das Unternehmen bringen kann, sollte gewährleistet sein, dass man sich bei der Gewährung auf jene Tätigkeiten beschränkt, die auch zeitunabhängig ausgeführt werden können und die MitarbeiterInnen über geeignete Home–Arbeitsplätze verfügen.
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Kommentare (1)
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gulli
Sehr geehrter Herr Oberrauch es ist schwierig Ihnen nach Veröffentlichung eines bestimmten Buch noch zu vertrauen…