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„Nicht genug aufgerüttelt“

Der aus Südtirol stammende Moritz Holzinger war als Aktivist für die Letzte Generation in Österreich aktiv, die sich nun aufgelöst hat. Was er dazu sagt.

Tageszeitung: Herr Holzinger, wie stehen Sie zur nun verkündeten Auflösung der Letzten Generation?

Moritz Holzinger: Es ist für viele für uns sehr traurig. Wir hatten eine gemeinsame Gruppe, die protestieren gegangen ist und die auf gewaltfreie, aber provokante Art versucht hat, die Politik wachzurütteln. Ich denke, das war der Grund, der letzendlich zur Auflösung geführt hat: Es ist uns nicht gelungen, genug aufzurütteln. Die Politik hat sich zwar oft geäußert, es ist aber nicht genug passiert. Deshalb braucht es einen nächsten Schritt. Es hätte keinen Sinn gehabt, das alles in die Länge zu ziehen, nur um aus Prinzip daran festzuhalten. Wir haben auf jeden Fall sehr viel erreicht, auch bei den richtigen Menschen. Aber nicht genug. Unser Ziel war aber nicht realistisch. Unserer Kampagne steht eine riesige Politik gegenüber, die von Öl-Lobbys und dem fossilen System unterstütz wird. Die Ölgiganten und ihre Industrie lassen sich so schnell nichts nehmen. Wenn man auf die letzten 20 Jahre zurückblickt, hat es uns auf jeden Fall gebraucht. Wir haben die Gesellschaft politisiert und zum Nachdenken angeregt haben. Sicher sind dafür auch unsere kontroversen Protestaktionen, die auch stark kritisiert werden, verantwortlich. Wir haben es dadurch geschafft, dass das Thema nicht vergessen wird und die Zustimmung zu gewissen Themen sogar gestiegen ist. Es ist aber Zeit für was anderes.

Weshalb haben Aktionen wie die der Letzten Generation den Rückhalt der Gesellschaft verloren?

Da spielen zwei Faktoren mit: Erstens bringt der Klimawandel als Thema die Grundproblematik mit sich, dass seine Auswirkungen immer nur verzögert zu bemerken sind. Das, was wir jetzt sehen, Dürren oder Überschwemmungen, geschehen aufgrund CO2-Emissionen von vor 30 Jahren. Wir können aber nicht bis 2060 warten und dann sagen: Wir müssen etwas gegen die Klimakrise tun – das kommt zu spät. Egal, für welche Form der Kampagne, sei es ziviler Ungehorsam oder eine Aufklärungskampagne, man sich entscheidet, das Thema Klimawandel lässt sich schwer kommunizieren. Die Folge ist, dass sehr viel Unverständnis für drastische Proteste da ist, weil die Leute die Krise nicht spüren können. Die Leute, die sich informieren und darüber nachdenken, verstehen, dass es gerechtfertigt ist, das alltägliche Leben zu verhindern. Deshalb helfen Aktionen wir Petitionen oder Gespräche mit Politikern nicht. Angemeldete Demos haben 2019 einen Boom erlebt, der ist aber mit Covid-19 abgeflacht. Das hat alles nicht gereicht, deswegen greift man zum zivilen Ungehorsam. Das muss auch gesagt werden: Der zivile Ungehorsam ist kein Beliebtheitswettbewerb. Mein Lieblingsbeispiel ist das Frauenwahlrecht. Die Suffragetten haben sich mit ihrem zivilen Ungehorsam unbeliebt gemacht. Irgendwann ist dann aber der Wendepunkt gekommen. Heutzutage würden niemand mehr den Frauen ihr Wahlreicht streitig machen. Ziviler Ungehorsam ist richtig, solange er gewaltfrei ist – dann ist er auch effektiver als gewaltvoller Protest.

Was ist nun die Strategie der 600 Aktivistinnen und Aktivisten der Letzten Generation?

Die Letzte Generation war ja kein Verein, sondern nur ein Zusammenschluss von Menschen, die ein gemeinsames Ziel verfolgen. Ich denke, diese Menschen werden ihre Ziele jetzt so umsetzen und so fortfahren, wie sie möchten. Ich persönlich gehe in den Online-Aktivismus und nutze Instagram, um darauf hinzuweisen, was bei uns in der Mobilität nicht funktioniert. Sicherlich wird auch ein Vakuum bleiben, das bis jetzt die Letzte Generation gefüllt hat. Vielleicht bilden sich ein, zwei neue Organisationen. Die Auflösung soll ein Aufruf an die Bevölkerung sein, kreativ zu werden und zu überlegen: Was ist der nächste Schritt, um dieses Vakuum zu füllen? Es gibt keinen Zusammenschluss innerhalb der Gruppe, der in eine gemeinsame Richtung geht. Viele werden sicherlich auch andere Thematiken wie die Verteidigung der Demokratie oder den Völkermord in Gaza aufgreifen. Ich kann aber versichern, dass es immer gewaltfrei bleiben wird – das haben wir alle der Letzen Generation so im Blut. Welche Art von Aktionen es geben wird, das ist noch nicht abzusehen. Wir haben noch keinen genauen Plan.

Was kommt auf die Mitglieder der Letzten Generation strafrechtlich zu?

Viele Mitglieder der Letzten Generation werden in den nächsten Jahren viel Zeit damit zubringen, Geldstrafen abzusitzen. Das sind krasse Repression, auch wenn die rechtliche Einschätzung dazu der einzelnen Richter unterschiedlich ist. Dann gibt es das nächste Level an Absurdität – die Verfolgung als kriminelle Vereinigung. Wir waren das genaue Gegenteil davon. Keinem bringt es etwas, sich an die Straße zu kleben. Die Klimakleber handeln für das Wohl der Allgemeinheit.

Interview: Silvia Pancheri

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (20)

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  • steve

    Das Problem sind nicht junge Leute, die auf etwas eindringliche Weise auf ein Probleme aufmerksam machen, das Problem sind Leute die so tun als gäbe es das Problem nicht!

    Politsonderlinge alla Trump, Salvini, Weidel, Knoll ecc.!

    Sozusagen Kopf in den Sand alla Vogel Strauss.

    Solchen komischen Typen die Zukunft unserer Kinder anzuvertrauen ist mehr als fahrlässig.

    Dabei gibt es die Lösungsansätze bereits, wir sollten sie nur umsetzen!
    Auch wenn Öllobby, Bauern, Werkstattbetreiber und die sonderbaren Typen in der Kommentarspalte unter mir dagegen aufbegehren.

    Die Sache ist einfach: wer nicht an den Klimawandel glaubt, schmeisse sein Handy weg, denn darin steckt auch das ganze physikalische Wissen das einen Klimawandel voraussagt!

  • nemesis

    Mir gefällt die extremen vorgangsweisen nicht Strassen Sperren verschiende Schäden ?.
    Mir gefällt auch nicht Green Europa Deal Von der Leyen, das würde unsere Gesellschaft noch mehr teilen zwischen Reich und Arm.
    Bin kein Junggeselle und bin auch für Umwelt Probleme aber von heute auf morgen Öl usw. abschaffen das geht nicht Wirtschaft bricht total zusammen.
    Momentan sehe ich eine Schlechte Zukunft da Reiche Egoistisch Leben nicht mal den Ukraine Krieg bekommt man im griff außer immer mehr stärkere Waffen zu liefern mit Risiko Dritter Weltkrieg.
    Ein Unfall kann basieren dann wir die Erde das auch überleben aber man ist im Mittelalter zurückgesetzt was für den Mensch schlecht ist aber nicht für die Natur die wird sich wieder erholen.

    • rumer

      @nemesis
      beim Ukraine-Krieg bin ich nicht so pessimistisch. Der Westen fährt eine schöne Strategie am Grat zwischen „Russland nicht gewinnen lassen“ und „Russland nicht demütigen“. Mit dem Ergebnis, dass Russland immer mehr geschwächt wird und auf Jahrzehnte hinaus kein relevanter Gegner mehr sein wird.
      Die letzte Generation hat nur eines nicht verstanden, wer die Menschen ärgert, provoziert Gegenwehr.
      Besser wäre, sie würden für einen niedrigeren Strompreis an Ladestationen kämpfen. Das brächte mehr fürs Klima als ihr Klebstoffverfahren.

      • nemesis

        @rumer
        Leider wird sich gerade der Strom Preis und Gas Preis in den nächsten Jahren deutlich erhöhen.
        Was den Ukraine Krieg angeht da ist nicht zu vergessen Russland hat 7000 Atom Bomben und Partner wie Nord Korea, Iran.

        • rumer

          @nemesis
          Gas interessiert mich nicht, ich heize mit Holz. PV am Dach macht mehr Strom wie ich brauche. Die Leute, die nicht vorgesorgt haben und jetzt plärren, sind mir egal.
          Willst du immer Angst haben vor einem wie Putin? Der Westen hat auch Atombomben und das deutlich bessere Militär.
          Putin weiß, wer die erste Atombombe zündet, stirbt als Zweiter.

  • morgenstern

    Solche Leute müsse in Therapie, einfach mal den Stecker ziehen bzw. von den Annehmlichkeiten dieser Gesellschaft für eine bestimmte Zeit trennen dann löst sich das „Problem“ von alleine.
    Außerdem, womit bestreitet so einer seinen Lebensunterhalt und wer zahlt wieviel für seine Rente ein?

    • placeboeffekt

      Hinter den Klimaaktivisten steht ein breites Netzwerk, finanziert von superreichen Amerikanern.

      Dabei sind sie selber die größten Heuchler:
      Such hier gegen Auto- und Flugverkehr festkleben, im dann nach Thailand in den Urlaub zu fliegen.

      Ich kann solche Menschen nicht ausstehen.

  • brutus

    In China und Indien, die für 40% des CO2 Ausstoßes weltweit verantwortlich sind, kratzt das wenig!

  • gulli

    Oder jeder einzelne von uns ändert sein Verhalten und zwar drastisch, ansonsten wird sich nicht wirklich was ändern.
    D.h. aber nicht einfach eine PV Anlage aufs Dach klatschen und sich einen Stromer in die Garage stellen, das macht zwar im ersten Moment Eindruck und lässt sich gut verkaufen, nützt im Endeffekt aber nicht wirklich was.

  • sukram

    Dass die Antworten der Klimakleber falsch sind und nur zu Verarmung und Hungersnöten führen würden, ist in gebildeten Kreisen mittlerweile Allgemeinwissen. Dass der Rechsstaat Straftaten bestrafen muss, gilt für alle Fanatiker, egal ob ihre selbsternannten Wahrheiten, religiöser, sportlicher oder politischer Natur sind. Bei den Klimaklebern sind sie politischer Natur.

  • sukram

    Interessanterweise hat sich Moritz Holzinger in Österreich und nicht in Italien auf due Straße geklebt. In Italien ist das Rechtssystem nämlich schärfer bei derartigen Straftaten. Wenn er sich jedoch bei den wahren Umweltsündern, die heute fast alleine das Klima beeinflussen, auf die Straße geklebt hätte wäre folgendes passiert: in Indien wäre er überfahren worden, in den USA erschossen, in Saudi Arabien durch die Hitze verbrannt, in Russland wäre er im Gulag gelandet und in China wäre er verschwunden.

  • andreas1234567

    Hallo zum Abend,

    die die man sich wohl nicht getraut zu fragen aber..

    ..wovon lebt der gute Mann? Ich glaube „online-Aktivismus“ ist nicht gerade gut bezahlt, geben Mami und Papi was dabei? Oder doch die blöde Gesellschaft welche den Planeten zerstört?
    Führende Aktivisten haben ein „Taschengeld“ bekommen..War der junge Mann auch unter diesen Empfängern und wer hat das gezahlt?

    Scheinheiliges Gesindel, selbstgerecht, faul und verlogen. Wäre jetzt mein Urteil zu diesen Dampfplauderern..

    Auf Wiedersehen beim nächsten Grund für Berufsdemonstranten seine Mitmenschen zu nerven..

  • jorge

    Ach, und du nervst viele deiner Mitmenschen mit deinem Quatsch, den du hier häufig schreibst, am meisten. Bist wohl auch so ein „Dampfplauderer“, dessen Dampf über den Brenner herüber schwappt.

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